Politik

Aufbruchsstimmung in einer lange gebeutelten Branche: Vor allem der Wohnungsbau soll 2012 zulegen. (Foto: dapd)

04.05.2012

Sicherer Hafen

Trotz auslaufender Konjunkturprogramme: Bayerns Baubranche brummt wie lange nicht mehr – auch dank der Eurokrise

Egal ob Privatleute, öffentliche Hand oder Unternehmen: In den ersten zwei Monaten dieses Jahres wurde in Bayern so viel gebaut wie seit drei Jahren nicht mehr. Aus der Wirtschaft sind gut drei Prozent mehr Aufträge eingegangen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Beim Wohnungsbau ist das Auftragsvolumen sogar um ein knappes Drittel gewachsen und die Zahl der öffentlichen Bauaufträge legte bis März sogar um fast 50 Prozent zu. Die Zahlen sind beachtlich: Denn schon 2011 wuchs die Bauwirtschaft so rasant wie lange nicht mehr.
Die Betriebe sind jedenfalls zufrieden: Mehr als die Hälfte bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage in einer Umfrage des Landesverbands der Bauinnungen als gut bis sehr gut, 45 Prozent als ausreichend bis zufriedenstellend. Doch die hohen Auftragszahlen sind nicht gleichbedeutend mit hohen Umsätzen. Die bayerische Bauwirtschaft verzeichnete in den ersten beiden Monaten dieses Jahres einen Umsatzrückgang um 8 Prozent.
Anleger setzen wieder häufiger auf Immobilien
Das liegt vor allem daran, dass die öffentliche Hand in vergleichsweise kleinere Bauvorhaben investiert hat. In den vergangenen drei Jahren hatten nämlich vor allem die kräftigen Ausgaben der öffentlichen Hand den Umsatz gesichert. Dafür sorgten die Konjunkturpakete aus dem Krisenjahr 2009, denn ein großer Teil der Investitionen landete in der Infrastruktur, in Schulsanierungen, im Straßenbau – kurz: auf dem Bau. Allein im Jahr 2011 wurden für diese Projekte bundesweit sechs Milliarden Euro ausgegeben.
Die Rezession vor drei Jahren hat die Branche deshalb fast unbeschadet überstanden. Der Verband der bayerischen Bauindustrie rechnet damit, dass der Umsatz der Branche ohne das Konjunkturprogramm im Jahr 2009 um rund 20 Prozent eingebrochen wäre. Doch jetzt laufen die Konjunkturprogramme aus. Auch die europäische Schuldenkrise zwingt den Staat langfristig zur Sparsamkeit.
Die deutsche Bauindustrie geht deshalb davon aus, dass die Umsätze im öffentlichen Bau in diesem Jahr um 2,5 Prozent zurückgehen werden – 2011 wurde noch ein Plus von vier Prozent verzeichnet. Für die nächsten zehn Jahre ist die Prognose des Bauindustrieverbands dagegen düster: Der Umfang der öffentlichen Bauvorhaben soll von 38,5 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 35 Milliarden Euro im Jahr 2020 sinken.
Weit optimistischer ist das Münchner Ifo Institut. Dessen Forscher sehen die deutsche Bauwirtschaft als einen der Profiteure der andauernden Euro-Schuldenkrise. „Der Bausektor gewinnt derzeit dramatisch an Fahrt. Deutschland profitiert davon, dass seine Kapitalanleger das Geld endlich wieder zu Hause investieren, anstatt es in der weiten Welt zu verteilen“, glaubt Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Banken und Versicherungen trauten sich nicht mehr aus Deutschland hinaus, sondern wendeten sich „nun wieder den langweiligen, aber sicheren Immobilienkunden“ zu. Der Bau- und Immobilienboom führe „zu mehr Beschäftigung im Bau und im Handwerk und breitet sich von dort auf die gesamte Binnenwirtschaft aus“, so Sinn.
Die Turbulenzen rund um den Euro, insbesondere die Angst der Privathaushalte vor steigender Inflation, haben die Wertschätzung der Immobilie erhöht“, ist auch Holger Seit, Sprecher des Landesverbands der bayerischen Bauinnungen, überzeugt.
Derweil wurden die Infrastrukturausgaben im Bundeshaushalt für dieses Jahr um circa 500 Millionen Euro erhöht. Baulobbyist Holger Seit verspricht sich davon aber nicht zu viel: „Das wird den Umsatzrückgang nur abbremsen, nicht ausgleichen. Die Finanzierungsspielräume der öffentlichen Auftraggeber für Investitionen bleiben wegen der Schuldenbremse langfristig eng.“ Thomas Bauer, Chef des Bayerischen Bauindustrieverbands, geht allerdings trotz der europäischen Krise davon aus, dass die öffentliche Hand weiter kräftig investiert. Denn es gebe „immer noch viel Nachholbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur, der Leitungsinfrastruktur und den öffentlichen Hochbauten“, so Bauer.
Auf Wachstumskurs bleibt der Wirtschaftsbau im Freistaat: Für das Jahr 2012 rechnet Bayerns Wirtschaftsministerium dort mit einem Umsatzplus von drei Prozent. Ähnlich wie Sinn geht die Staatsregierung davon aus, dass Anleger kurzfristig in Büroimmobilien investieren werden. Zudem würden Industrie und Handwerk wegen der anhaltend guten Auftragslage auch weiter Geld für Infrastruktur ausgeben. Laut Wirtschaftsministerium sollen die Bauausgaben der Unternehmen hoch bleiben.
Richtig gut sieht es für den Wohnungsbau aus: Die Umsätze sollen 2012 in diesem Segment um sechs Prozent zulegen. Und auch in den Folgejahren sollen Umsatz und Aufträge zunehmen. (Veronica Frenzel)

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