Politik

Die SPD will beides: vorerst weiter mit CDU und CDU regieren und den Sozialstaat grundlegend reformieren. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

09.12.2019

Söder schließt neuen Koalitionsvertrag aus

Nach dem Führungswechsel bei der SPD: CSU-Chef warnt Genossen vor überzogenen Forderungen. Die wichtigsten Beschlüsse auf dem Parteitag im Überblick

Nach dem Führungswechsel bei der SPD hat CSU-Chef Markus Söder die Sozialdemokraten vor überzogenen Forderungen gewarnt. "Einen neuen Koalitionsvertrag gibt es nicht", sagte er. Verträge müssten eingehalten werden: "Pacta sunt servanda." Weder eine Abschaffung der Schuldenbremse noch ein höherer Mindestlohn oder eine erneute Verhandlung des Bundeshaushalts halte er für erfolgversprechend.

Gleichwohl signalisierte Söder Gesprächsbereitschaft. Zwar könne man über Dinge sprechen, die über den Koalitionsvertrag hinausgingen, einen Anspruch auf Realisierung dieser Punkte gebe es aber nicht. "Wir werden uns da Mühe geben und wir werden auch zuhören und werden auch genau diskutieren." Es gehe um die Frage, ob die Regierung Probleme lösen wolle oder ob sie von Fluchtgedanken getrieben sei.

Mit seiner Absage an den Nationalen Bildungsrat hätte CSU-Chef Markus Söder selbst den Koalitionsvertrag von Union und SPD gebrochen, konterte Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen. "Soviel zum Thema: Verträge müssen eingehalten werden", sagte die frühere Vize-SPD-Vorsitzende.  Vor knapp zwei Wochen hatte Söder erklärt, dass Bayern den Nationalen Bildungsrat verlässt. Daraufhin hatte auch Baden-Württemberg seinen Austritt aus dem Gremium erklärt, welches SPD und Union erst im aktuellen Koalitionsvertrag vereinbart hatten.

Kohnen: Auch die Union melde ständig neue Forderungen an

Kohnen verteidigte zudem die neuen Forderungen der SPD - etwa nach einem Mindestlohn von zwölf Euro: "Wenn die CSU ehrlich wäre, würde sie feststellen: Die Mitte der Gesellschaft befürwortet einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde. Einen Linksschwenk kann ich darin nicht erkennen." Auch Investitionen in die Infrastruktur des Landes seien dringend geboten. Im Übrigen gelte, die Koalition bespreche ständig neue Themen, auch die Union melde ihrerseits ständig neue Forderungen an, wie etwa eine Unternehmenssteuerreform.

Regieren werde in der großen Koalition auf jeden Fall schwieriger. "Der Parteitag hat die Lage in der Republik verändert", warnte Söder. Die Deutschen wollten, dass die Koalition ihre Arbeit mache - eine Hängepartie und ein Siechtum wolle keiner.

Das neue Gesellschaftsbild der SPD "zielt offenkundig auf eine neue geistige Union mit der Linkspartei". Für die Union bedeute dies, dass mehr Raum in der Mitte frei werde. Aus Söders Sicht müsse die jetzt klären, wie das Verhältnis der neuen Parteispitze zur eigenen Bundestagsfraktion und den eigenen Ministern in der Bundesregierung sei. "Es ist ja auffällig, dass es eine Spaltung gibt." Im neuen SPD-Vorstand seien relativ wenige der bisherigen Führungskräfte vorhanden. "Da ist eine unsichtbare Trennungslinie sichtbar."

Söder bezweifelte zudem, dass der neue SPD-Kurs die Chancen für eine Koalition mit Linken und Grünen wahrscheinlicher mache: "Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Grünen richtig erfreut sind über das, was die SPD beschlossen hat." Bayerns Ministerpräsident erklärte weiter: "Ich glaube nicht, dass die Deutschen Sozialismus wollen."
(dpa)

Von GroKo-Verbleib bis Sozialstaatskonzept: die SPD-Beschlüsse Festhalten an der großen Koalition, längeres Arbeitslosengeld, weniger Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher: Die SPD will vorerst weiter mit CDU und CDU regieren sowie den Sozialstaat grundlegend reformieren. Aber auch noch andere Projekte haben die Delegierten des Parteitages in Berlin beschlossen. Eine Übersicht:

- GroKo:
Ein schneller Ausstieg aus der Koalition ist nicht das Ziel. Mit der Union soll es Gespräche über neue Vorhaben geben - später soll der Parteivorstand entscheiden, ob dies reicht.

- Vermögensteuer:
Die SPD will, dass besonders reiche Bürger wieder mehr Steuern zahlen. Dafür soll erneut eine Vermögensteuer eingeführt werden. Zugleich beschlossen die Delegierten, dass die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form perspektivisch überwunden werden soll, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Die CDU lehnt dies strikt ab.

- Klimaschutz:
Die SPD fordert einen "sozial gerechten und wirksamen" CO2-Preis auf das Treibhausgas Kohlendioxid.

- Investitionen:
Erreicht werden sollen mehr öffentliche Investitionen in den Bereichen Bildung, Verkehr, Kommunikation und Klimaschutz. Unrealistisch sei es, 450 Milliarden Euro über die kommenden zehn Jahre nur durch Umschichtung im Etat zu finanzieren.

- Arbeitslosengeld:
Arbeitslose sollen länger ALG I beziehen können. Bei mindestens 20 Jahren Beitragszeit soll sich der Anspruch um 3 Monate, ab 25 Jahren um 6 Monate und ab 30 Jahren um 9 Monate erhöhen. Länger kann Arbeitslosengeld bei einer Weiterbildungsmaßnahme gezahlt werden - und zwar als Arbeitslosengeld Q maximal 36 Monaten lang. Heute besteht ein Anspruch auf höchstens 24 Monate Arbeitslosengeld ab einem Alter von 58.

- Hartz IV:
Die Grundsicherung soll künftig Bürgergeld heißen. In einem ersten Schritt soll ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden: Die Jobcenter sollen die monatlichen Leistungen nicht stärker als um 30 Prozent kürzen. Das "sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminium" soll laut SPD-Beschluss gewahrt bleiben müssen. Strengere Sanktionen für unter 25-Jährige und Kürzungen von Wohnkosten sollen abgeschafft werden. Bei allen, die aus dem Bezug von ALG I kommen, soll für zwei Jahre Vermögen und die Wohnungsgröße nicht überprüft werden. Wer Bürgergeld erhält, soll ein Recht auf Förderung des Nachholens eines Berufsabschlusses bekommen.

- Homeoffice:
Ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice soll gesetzlich verankert werden. Mehr Gestaltungsfreiheit im Lebensverlauf sollen Zeitkonten für jeden bringen - darauf soll Zeit eingezahlt werden können.

- Mindestlohn:
Soll perspektivisch auf 12 Euro angehoben werden. Dafür soll das Mindestlohngesetz 2020 weiterentwickelt werden. Die öffentliche Hand sollte bei der Auftragsvergabe mit gutem Beispiel vorangehen.

- Pflege:
Eine Bürgerversicherung soll den Unterschied zwischen privat und gesetzlich Versicherten in der Pflege beenden und helfen, die Eigenanteile längerfristig abzuschaffen. Das Ziel: eine Vollversicherung. Pflege, die nur aus medizinischen Gründen erfolgt, soll künftig vollständig von der Krankenversicherung bezahlt werden.

- Rente:
Langfristig soll das Rentenniveau stabilisiert werden. Eine weitere Erhöhung der Regelaltersgrenze soll es nicht geben - aber konkrete Schritte zur Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen.

- Kindergrundsicherung:
Hartz IV für Kinder soll abgeschafft werden. Familienleistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag, Hartz IV für Kinder und Teilhabeleistungen sollen zusammengefasst werden. Für jedes Kind in Deutschland soll es ein neues Kindergeld von mindestens 250 Euro pro Monat geben. Bei Familien mit geringem Einkommen soll das Kindergeld auf bis zu 400 Euro für Kinder bis 6 Jahren, 458 Euro für 6- bis 13-Jährige und 478 Euro für Jugendliche ab 14 anwachsen können. Für gebührenpflichtige Angebote wie Sportvereine, Schwimmbäder oder Musikschulen soll es höhere Zuschüsse geben.

- Mieten:
Die SPD will die Mieten in beliebten Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt für fünf Jahre so gut wie einfrieren. Erhöhungen sollen maximal in Höhe der Inflationsrate möglich sein.

- Windkraft:
Die SPD fordert, dass Mindestabstände für Windenergieanlagen so ausgestaltet sein müssen, dass sie technisch und rechtlich herleitbar seien - "und die Erreichung des 65-Prozent-Ziels für Erneuerbare Energien nicht gefährdet wird". Pauschale überzogene Mindestabstände seien "nicht geeignet", nötige Flächen für die Windenergie zur Verfügung zu stellen. Hintergrund ist ein Entwurf für ein Kohleausstiegsgesetz des Wirtschaftsministeriums. Demnach soll ein Mindestabstand von 1000 Metern von Windrädern zur Wohnbebauung schon bei mehr als fünf Häusern greifen.

- Datenschutz:
Die SPD will den Datenschutz im Internet verbessern. Sie spricht sich für eine "Datenteilungspflicht für marktbeherrschende Unternehmen auf datengetriebenen Märkten" aus. Der Staat mit seiner Verwaltung soll mit gutem Beispiel vorangehen und einen breiteren Datenzugang im Sinne von Open-Data ermöglichen.
(dpa)

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