Politik

Sorglos leben im Alter: Dieses Privileg haben immer weniger Menschen. (Foto: dpa )

22.04.2016

Sorglos leben im Alter: Schön wär’s

Horst Seehofer fordert eine Rentenreform – dass etwas getan werden muss, ist unter Experten unstrittig

Meine Unterstützung hat er“, sagt Thomas Beyer, Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt, „wenn er es ernst meint und sich sein Vorstoß nicht in Effekthascherei erschöpft.“ Beyer spricht von Horst Seehofer. Der Ministerpräsident hat jüngst die Riester-Vorsorge für „gescheitert“ erklärt und sich für staatlich subventionierte höhere Renten ausgesprochen. Bis zum Sommer soll Sozialministerin Emilia Müller ein erstes Konzept erarbeiten. Parallel will Seehofer mit Gewerkschaften und Arbeitgebern verhandeln.

Die Arbeiterwohlfahrt fordert seit Langem, das Rentenniveau wieder auf über 50 Prozent anzuheben und „solidarischer“ zu gestalten, also mit mehr staatlichem Geld. Entscheidend ist für Beyer, „dass das so plötzlich erwachte Interesse der Politik an diesem Thema sich nicht als reiner vorgezogener Wahlkampfgag entpuppt“. Er fordert, das gesetzliche Rentensystem „wiederzuerrichten als Instrument der Lebensstandardsicherung im Alter“. Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK Ulrike Mascher fordert: „Die Rente muss zum Leben reichen.“ Aber ist das überhaupt noch machbar angesichts der demografischen Entwicklung?

Deutlich höhere Renten: Eine Illusion

Weil die Deutschen zu wenig Kinder in die Welt setzen und länger leben, wird die Zahl der Rentner bald drastisch zu-, die der Beitragszahler abnehmen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte 2001 beschlossen, das Niveau der gesetzlichen Rente von damals 53 Prozent des Nettoverdienstes allmählich bis auf 43 Prozent im Jahr 2030 abzusenken. Damit wollte man verhindern, dass der Beitrag zur Rentenversicherung auf über 22 Prozent klettern muss. Zum Ausgleich sollten die Arbeitnehmer eine zusätzliche private Vorsorge aufbauen – vor allem mithilfe der staatlich geförderten Riester-Rente. Doch vor allem für Niedrigverdiener rechnet sich der Abschluss einer Privatvorsorge oft nicht. Experten warnen davor, dass nun Millionen Arbeitnehmern mit kleinen Einkommen, Minijobbern und Solo-Selbständigen die Altersarmut droht. Dass etwas getan werden muss, ist unumstritten. „Das Risiko, im Alter auf die Fürsorge des Staates angewiesen zu sein, wird in den kommenden Jahren spürbar steigen“, sagt der Wirtschaftsprofessor Bert Rürup. Eine Antwort der Politik auf dieses drängende Problem sei „überfällig“. Das Rentenniveau einfach wieder für alle steigen zu lassen, würde indes gigantische Summen kosten und wenig dazu beitragen, das Problem der Altersarmut zu lösen.

Das Einzige, was wirklich hilft: privat vorsorgen

Gert Wagner, Chef des Sozialbeirats der Bundesregierung, fordert deshalb eine Umverteilung zugunsten derjenigen, die das größte Armutsrisiko im Alter tragen. Auch Ifo-Chef Clemens Fuest sagt: „Die staatlichen Hilfen zur privaten Altersvorsorge sollten sich auf die Niedrigverdiener konzentrieren.“ Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner spricht sich vor allem für mehr Flexibilität aus: „Die Menschen sollen ab dem 60. Lebensjahr selbst entscheiden, ob und wann sie Rente beziehen. Wer seine Rente früher bezieht, erhält eine geringere Rente, wer länger arbeiten möchte, eine höhere.“ Das kann sich aber nicht jeder leisten. Damit die Bürger zugleich privat vorsorgen können, fordert Lindner ein Steuer- und Abgabensystem, das „Freiraum“ für die eigene Altersvorsorge lässt – im Klartext: niedrigere Steuern. In ein ähnliches Horn stößt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit seinem Vorschlag, das Renteneintrittsalter automatisch an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln – nach dem Motto: Wer später stirbt, kann auch länger arbeiten.

Geht es nach Seehofer, könnte eine große Rentenreform noch in diesem Jahr beschlossen werden – rechtzeitig, bevor sich die Koalitionspartner auf den Bundestagswahlkampf 2017 einstimmen. Aber sich zu einigen wird nicht leicht. Gegenwind kommt nicht nur vom früheren Arbeitsminister Walter Riester (SPD). Der Namenspate der Zusatzrente spricht von einer „saudummen Debatte“, die Millionen Menschen verunsichere. Auch der Wirtschaftsflügel der CDU wird Widerstand leisten gegen weitere Zusatzleistungen für Senioren. Die Große Koalition hat in dieser Legislaturperiode bereits die „Mütterrente“ beschlossen und die Rente mit 63.

Aber ganz egal, welchen Kompromiss welche Koalition hierbei noch findet: Was der deutsche Staat seinen Rentnern künftig überweist, wird in der Tendenz vielleicht ein wenig steigen, in der Substanz aber nicht spürbar mehr werden können. Wer es irgendwie einrichten kann, ist gut beraten, sich nicht allein auf Vater Staat zu verlassen. Sondern nach Kräften Geld fürs Alter zurückzulegen und dabei nicht alles auf eine Karte zu setzen.
(Jan Dermietzel)

Kommentare (2)

  1. Rentenprofi am 17.06.2016
    Warum so kompliziert? - mein Vorschlag statt Riester-Rente und sonstigen komplexen Modellen wäre die Einrichtung eines öffentlich-rechtlich verwalteten Rentenfonds in den alle Firmen für ihre Mitarbeiter einen gehaltsabhängigen Teil einzahlen müssten. Die Frage: kann ich mir das leisten? würde dann entfallen. Der Fond sollte seine Überschüsse am freien Markt in Aktien und Hypotheken investieren und so professionell Marktchancen nutzen dürfen. Die ausgezahlten Renten würden entsprechend variieren. Ein solches System wäre aus meiner Sicht die beste Ergänzung zur staatlichen Rente und ein Ersatz für alle Riester & Co.
  2. Rentendepp am 20.05.2016
    Immer das gleich blöde Gelaber unserer "VOLKS"-Vertreter; diese sollten sich einfach einmal mit der geltenden betrieblichen Altersvorsorge beschäftigen, bei der einfach bei der durch rückwirkende Festlegung einfach rund 18 Prozent Krankenkassen-/Pflegeversicherungsbeiträge abgezogen werden. Und dann immer von privater Vorsorge schwafeln und die Leute im Nachhinein für dumm verkaufen !!! Nicht zuletzt sollte bei dem erhalten Rentenbetrag auch die Kaufkraft berücksichtigt werden, denn was nützt mir eine doppelte Rente, wenn ich mir nur noch ein Viertel damit kaufen kann.
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