Politik

Stau: Autofahrers Alptraum. Um das Straßennetz rasch auszubauen, sollen private Investoren her. (Foto: dpa)

27.02.2015

Teuer erkaufter Zeitvorteil

Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) will den Straßenbau mit Privatfinanzierungen ankurbeln - das ist umstritten

Der Investititonsstau auf den bundesdeutschen Fernstraßen geht in die Milliarden. Kapazitätsengpässe auf viel befahrenen Streckenabschnitten, jahrzehntealter Fahrbahnunterbau und marode Brücken gehören zu den Hauptproblemen. Die Pkw-Maut für Ausländer wäre da nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, selbst wenn die geschätzten Nettoeinnahmen von jährlich 500 Millionen Euro tatsächlich Realität würden. Um Bauvorhaben voranzubringen, setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) deshalb auf drei Buchstaben: ÖPP. Beim Besuch der Großbaustelle an der A8 zwischen Augsburg und Ulm in der vergangenen Woche hat Dobrindt einmal mehr diese „Öffentlich-Privaten Partnerschaften“ gelobt. „Das Projekt zeigt, dass sich ÖPP für den Bund, die Autofahrer und die Investoren lohnt“, erklärte der Minister.

Private bauen schneller – und verdienen sehr gut an ÖPP


Der Ausbau dort ist mit einem Gesamtvolumen von 1,35 Milliarden Euro eines von zwei derzeit laufenden ÖPP-Projekten, bei denen ein privates Konsortium für die komplette Abwicklung der Maßnahme und später für eine festgelegte Vertragsdauer für den laufenden Unterhalt zuständig ist. Die Unternehmen schießen, abgesehen von einer staatlichen Anschubfinanzierung in Höhe von 90 Millionen Euro, die Bau- und Unterhaltskosten vor und sichern sich dafür im Gegenzug die auf dem Streckenstück erlösten Einnahmen aus der Lkw-Maut für 30 Jahre. Vier ähnliche Projekte sind bundesweit schon gelaufen, darunter der A8-Ausbau zwischen München und Augsburg, sieben weitere sind in Planung.
Beim Verband der bayerischen Bauindustrie (BBIV) ist man regelrecht begeistert von den ÖPP-Projekte und steht quasi Bagger bei Fuß. ÖPP führe zu mehr Termintreue, Kostensicherheit, Transparenz und Qualität im öffentlichen Bau. Der Verband wirbt mit den Worten „Schneller, Günstiger, Besser“ für ÖPP und will im Bereich der Fernstraßen sogar noch einen Schritt weitergehen. Hauptgeschäftsführer Thomas Schmid würde das Fernstraßennetz am liebsten komplett aus dem Bundeshaushalt ausgliedern und in regionale Betreibergesellschaften überführen. „Vorbild sollte die österreichische ASFiNAG sein“, so Schmid. Die ist im Nachbarland für die Fernstraßen zuständig und finanziert sich über die „Pickerl“. Für den BBIV hat die ASFiNAG schon 2005 ein Gutachten erstellt, wonach ihr Modell auf Deutschland übertragbar wäre.

Vor allem der Rechnungshof hat Bedenken


Noch aber versucht man sich in Deutschland an ÖPP. Deren Nutzen für den Steuerzahler ist aber umstritten. Kritiker sehen darin nur einen cleveren Trick des Staates, Verschuldung zu verstecken. Es mache schließlich keinen Unterschied, ob der Staat für ein Verkehrsprojekt Kredite aufnehme oder drei Dekaden lang über abgetretene Mauteinnahmen die Vorfinanzierung durch Private abstottere. Der Bundesrechnungshof hat 2013 ein umfassendes Gutachten zu den abgeschlossenen ÖPP-Fernstraßenprojekten erstellt, welches das kernige „Schneller, Günstiger, Besser“ stark relativiert. Die Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums zu den angeblichen Kostenvorteilen von ÖPP für den Staat seien „methodisch fehlerhaft“. Das Urteil, dass die Vorteile von ÖPP „zu positiv dargestellt“ würden, zieht sich wie ein roter Faden durch die 52 Seiten. Zu fast gleichlautenden Ergebnissen war der Oberste Rechnungshof in Bayern schon im Jahr 2006 gekommen, als er den Bau zweier Staatsstraßen nach dem ÖPP-Modell unter die Lupe genommen hatte.
Zwischen den Zeilen lässt sich aus dem Gutachten der Bundesprüfer die Befürchtung herauslesen, dass sich die privaten Betreiber an ÖPP eine goldene Nase verdienen könnten. Man geht davon aus, dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut über die Vertragslaufzeit gerechnet deutlich höher sind als geschätzt – mithin Geld, das zusätzlich auf die Konten der Unternehmen fließt und nicht in den Bundeshaushalt. Auch beim vermeintlichen gesamtwirtschaftlichen Zusatznutzen haben die Prüfer Zweifel. Es sei schon möglich, dass die Bauzeit bei ÖPP-Projekten kürzer sei, weil nicht jedes Baulos einzeln ausgeschrieben werde, doch müssten dem negative Effekte gegenübergestellt werden. Schließlich würden von der konventionellen Fach- und Teillosvergabe viel mehr mittelständische Unternehmen profitieren. Zudem fragen die Prüfer an, ob die privaten Betreiber zum Ende der Vertragszeit noch großes Interesse am Bauunterhalt haben, wenn das Straßenstück anschließend ohnehin an den Bund übergeht (Jürgen Umlauft)

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