Politik

Eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist in der Landeshauptstadt so schwer, wie in kaum einer anderen deutschen Stadt. (Foto: dpa)

02.09.2011

Udes Achillesferse

Unter dem Bürger-King hat sich die Wohnungsnot in der Landeshauptstadt weiter verschärft

Susanne Mittermeier und ihr Freund suchen seit einem Jahr eine Wohnung. Die 29-Jährige ist Referendarin an einer Münchner Hauptschule, ihr 32-jähriger Partner Buchhalter. Sie wollen zusammenziehen, am besten in eine Drei-Zimmer-Wohnung, ungefähr 70 Quadratmeter groß, der Stadtteil ist ihnen mittlerweile egal. Das Problem: Mehr als 1000 Euro können die beiden nicht bezahlen. Der Großteil der Apartments, die im Internet und in der Zeitung angeboten werden, war zu groß und damit zu teuer oder einfach nur zu teuer. „Und wenn es doch einmal eine passende Wohnung gab, waren so viele Interessenten da, dass bisher immer jemand schneller war als wir“, erzählt Mittermeier.
Vor allem junge Paare und Familien mit geringem Einkommen, haben es in München schwer, auf dem freien Markt etwas zu bekommen. Und auf eine Sozialwohnung wartet man mindestens ein Jahr, meist viel länger. Die Wohnungsnot ist für die Opposition in der Stadt ein Dauerkritikpunkt. Robert Brannekämper, CSU-Stadtrat und Mitglied im Planungsausschuss, findet, der Mietmarkt sei Münchnens großes Problem. Er wirft der Stadt vor, als größter Grundstückseigentümer ein Interesse an hohen Mietpreisen zu haben. Tatsächlich verkauften die Stadtwerke in der Vergangenheit frei werdende Grundstücke nicht selten einfach an den Meistbietenden – so ging bezahlbarer Wohnraum verloren.
Und gerade erst startete die Landesgruppe der Freien Wähler einen neuen Kritikvorstoß: Es gebe einfach nicht genügend Wohnraum, München dürfe deshalb nicht weiter wachsen.
Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) steht im Kreuzfeuer der Klagen: Immer wieder heißt es, die Wohnungsnot sei sein größtes Versagen. Der OB wiegelt ab, nimmt den Vorwürfen den Wind aus den Segeln. Den Vorwurf, die Stadt hätte sich zu wenig um neuen Wohnraum bemüht, aber weist er klar zurück: Seit 1970 seien 262 000 neue Wohnungen hinzugekommen, das sei sehr viel.
Aber dass das nicht ausreicht, weiß auch Ude. Deshalb argumentiert er historisch: „Schon seit über 100 Jahren ist der Wohnungsmangel das gravierendste soziale Problem Münchens.“ Es sei gerade einfach Mode, darüber zu klagen, dass die Mieten zu teuer sind.

Gemeinden im Umland sollen helfen

Auch der grüne Koalitionspartner im Stadtrat will versöhnlich stimmen: „Niemand muss auf der Straße wohnen“, sagt Stadtrat Paul Bickelbacher. „Die städtischen Wohnungsbaugesellsschaften bieten viele günstige Wohnungen an.“ Doch auch Bickelbacher gibt zu: „Es sind zu wenige, die Wartezeiten auf Sozialwohnungen sind zu lange.“
Und selbst aus Udes eigenen Reihen gibt es Kritik: Birgit Meyer, SPD-Sozialreferentin in München und Kandidatin für die Nachfolge Udes, sagt, die Stadt müsse endlich mehr Sozialwohnungen bauen. „Die Bevölkerung wird weiter wachsen, vor allem Facharbeiter aus Rumänien, Bulgarien und Polen werden kommen“, sagt Meyer. „Diese Menschen können sich nicht die teuren Münchner Mieten leisten.“
Derzeit gibt es mehr als 750 000 Wohnungen für knapp 1,4 Millionen Münchner, mehr als die Hälfte gehört städtischen Gesellschaften. Zwei Drittel des Gesamtbestands werden auf dem freien Markt vermietet, zehn Prozent sind Sozialwohnungen. Die Stadt rechnet derzeit damit, dass bis zum Jahr 2030 etwa 120 000 neue Wohnungen gebraucht werden. Bis dahin sollen in München 1,5 Millionen Menschen leben, etwa 100 000 Menschen mehr als derzeit.
München ist eine der wenigen deutschen Großstädte, die einen stetigen Zuwachs verzeichnen. Das Problem: Schon in den vergangenen Jahren ist nicht so viel neuer Wohnraum dazugekommen wie geplant: Eigentlich sollten jedes Jahr rund 7000 neue Wohnungen entstehen. Tatsächlich waren es in den vergangenen fünf Jahren jeweils mindestens tausend weniger.
Die Stadt erklärt: In den vergangenen Jahren wurden nur wenige Grundstücke an Investoren vergeben, denn aufgrund eines Gerichtsurteils mussten sehr viele Auflagen erfüllt werden. Mit eigenen Neubauten konnte der Ausfall nicht aufgewogen werden. Inzwischen ist die Vergabe der Grundstücke wieder einfacher.
Doch es gibt noch ein zweites Problem: Es gibt immer weniger große freie Flächen. „Das sind normale Probleme einer Großstadt“, sagt Katja Strohhäcker, Stadtplanerin im Münchner Rathaus. Die Stadt würde sich aber sehr um den Mangel an günstigen Mietwohnungen kümmern. Schon seit Anfang des Jahres stehe sie mit den Gemeinden der Region in Kontakt. Sie sollen helfen, das Münchner Wohnungsproblem zu lösen. „Wir wollen den Schwarzen Peter in keinem Fall ans Umland abgeben. Sondern wollen nur sicherstellen, dass die Gemeinden gleichzeitig mit Arbeitsplätzen auch Wohnraum schaffen“, sagt Strohhäcker.
Die Stadt denkt außerdem darüber nach, den Wohnraum zu verdichten. Große Hinterhöfe könnten zum Beispiel bebaut werden, auf niedrige Gebäude ein bis zwei neue Stockwerke gesetzt werden. „Aber wir werden bei all diesen Versuchen natürlich immer darauf achten, dass die Wohnqualität und die Stadtansicht nicht leidet.“
Den Oberbürgermeister spricht Stadtplanerin Strohhäcker von jeder Schuld an den Zuständen frei: „Dass Mietwohnungen in München teuer sind, ist einfach eine Folge des kapitalistischen Systems“, sagt sie. „Weil die Nachfrage hoch ist, steigen die Preise.“(Veronica Frenzel)

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