Politik

Reinhard Marx (vorn) ist nun der mächtigste katholische Geistliche Deutschlands. Er führt das Erzbistum München-Freising und die Deutsche Bischofskonferenz. Hinter ihm folgt, nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, sein Vorgänger Robert Zollitzsch, der sein Amt aus Altersgründen aufgegeben hatte. (Foto: DPA)

12.03.2014

Überraschungswahl

Dass der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx als Nachfolger des zurückgetretenen Robert Zollitzsch neuer Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz wird, hatte im Vorfeld niemand erwartet.

Reinhard Kardinal Marx, seit dem Jahr 2007 Erzbischof von München und Freising, ist seit heute neuer Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz. Der 60-jährige löst den bisherigen Freiburger Erzbischof Robert Zollitzsch (75) ab, der das Amt seit 2008 ausübte. Zollitzsch hatte im vergangenen Jahr Papst Franziskus aus Altersgründen seinen Rücktritt angeboten, den das Kirchenoberhaupt dann auch annahm.
Die Bischofskonferenz ist das Führungsgremium der katholischen Kirche in Deutschland. Es ist unter anderem für übergreifende Fragen der Seelsorge und internationale Kontakte zuständig. Die Mitglieder treffen sich in der Regel zweimal im Jahr. Ihrem Vorsitzenden kommt eine herausgehobene Rolle zu. Er hat zwar gegenüber seinen Kollegen keine Weisungsbefugnis, agiert aber als eine Art Sprecher und äußert sich zu wichtigen kirchen- oder tagespolitischen Fragen. Er muss auch zwischen nicht selten widerstreitenden Interessen der Bischöfe vermitteln und Kompromisse aufzeigen. Zudem pflegt er enge Kontakte zum Papst in Rom sowie zur deutschen Politik.
Er sehe sein neues Amt als große Herausforderung, gestand der neue Vorsitzende nach seiner Wahl, und wirkte ein wenig überrascht von dem Votum. "Ich muss mich in den kommenden Tagen noch mal zurückziehen und meine Gedanken sortieren", meinte er.

Er galt schon als mächtig genug


Im Vorfeld hatte kaum jemand mit einer Wahl von Marx gerechnet. Zwar steht der gebürtige Westfale, in seinem äußeren Erscheinungsbild ein unbestritten dem Genuss zugetaner Mensch, einer der reichsten und größten Diozösen Deutschlands vor, doch vereinigt er in seiner Person bereits mehrere Ämter, so dass Kirchenkenner annahmen, seine Mitbrüder würden ihn nicht noch mächtiger werden lassen.
Seit dem Jahr 2010 ist Marx Kardinal, in dieser Eigenschaft wählte er auch den neuen Papst Franziskus im vergangenen Frühjahr mit. Obendrein fungiert er als Vorsitzender der bayerischen Bischofskonferenz, seit 2012 präsidiert er der Europäischen Bischofskonferenz. Der einzigen deutschen katholischen Universität in Eichstätt steht er als Großkanzler vor. Seit dem vergangenen Jahr leitet der Münchner Erzbischof auch den vom Papst neu geschaffenen Wirtschaftsrat.
Reinhard Marx kann auf eine erfolgreiche Laufbahn in der katholischen Kirche verweisen. Der Sohn eines Schlossermeisters aus dem westfälischen Geseke legte 1972 das Abitur ab. Anschließend studierte er in Paderborn und Paris katholische Theologie.  1979 empfing er das Sakrament der Priesterweihe. 1988 wurde Marx promoviert, seit 1996 wirkte er als Weihbischof von Paderborn, seit 2001 als Bischof von Tier. Vor knapp sieben Jahren folgte der Wechsel nach München.
Die Erwartungen an den neuen Vorsitzenden der deutschen Bischosfkonferenz sind groß, schließlich kämpft die katholische Kirche mit diversen Problemen zu kämpfen, unter anderem den Missbrauchsvorwürfen gegen diverse Geistliche, aber auch mit dem Skandal um den teuren Protzbau des Limburger Bischofs.

Insgesamt deutlich positive Reaktionen

Die Reaktionen aus Politik und Gesellschaft auf die Wahl fielen insgesamt positiv aus. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat den Münchner Kardinal Reinhard Marx nach dessen Wahl an die Spitze der Deutschen Bischofskonferenz als herausragende Persönlichkeit gewürdigt. Marx sei von großer intellektueller Schärfe und Durchsetzungskraft geprägt, sagte Seehofer in München. "Die Stimme des Erzbischofs von München und Freising hat Gewicht, schon bisher in Bayern und in Rom und nun auch verstärkt in der Deutschen Bischofskonferenz."  Marx sei ein überzeugender Repräsentant seiner Kirche und verstehe es, den Menschen in der modernen Welt den Glauben näher zu bringen.
Der kirchenkritische Theologe Hans Küng hat die Wahl begrüßt. Marx habe sich zuletzt "als Reformer profiliert", sagte er. Er hob vor allem die Rolle von Marx im Umgang mit dem Missbrauchsskandal und seinen Einsatz für wiederverheiratete Geschiedene hervor. "Ich setze auf seine Dialogfähigkeit und Führungsqualitäten, geleitet vom Evangelium und nicht vom mittelalterlichen Kirchenrecht", sagte der 85-jährige Küng. Er ist durch seine kritische Haltung gegenüber der Amtskirche einer der wichtigsten Vordenker für reformorientierte Katholiken.
Zufrieden mit der Entscheidung der Bischöfe zeigte sich auch Alois Glück, der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. "Kardinal Marx wird den Weg des Dialogprozesses fortsetzen", meinte Glück. Marx werde eine Brücke schlagen zwischen den Impulsen von Papst Franziskus als dessen enger Mitarbeiter und der Situation der katholischen Kirche in Deutschland, erläuterte Glück. Die Katholiken hätten mit dem neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz eine starke Stimme in den gesellschaftlichen und politischen Debatten unserer Zeit.
Für Bayerns evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm steht der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz für einen weltoffenen Glauben. "Ich schätze Kardinal Marx als profilierten Katholiken, der für seine Kirche streitet und durchaus unterschiedlichen Positionen Raum lässt", sagte Bedford-Strohm.

Konservativ, aber sozial

In seinem bisherigen Wirken als Kirchenfürst hatte sich Marx eher konservativ präsentiert – zumindest in gesellschaftspolitischen Fragen. Als regional zuständiger Bischof suspendierte er im Jahre 2003 nach dem ökumenischen Kirchentag in Berlin den emeritierten Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl vom Priesteramt, weil dieser während des ökumenischen Kirchentages in einem ökumenischen Abendmahlsgottesdienst gegen ein unmittelbar zuvor wiederholtes päpstliches Verbot gemeinsam mit evangelischen Geistlichen Brot und Wein gespendet hatte. Die Suspension wurde im Jahre 2004 vom damaligen Papst Johannes Paul II. bestätigt.
Und in einer Rede am 13. Oktober 2009 vor dem Bayerischen Landtag vertrat Marx den Standpunkt, dass die Religionsausübung keine Privatsache sei. Die Ausübung der Religion sei eine öffentliche Angelegenheit, weil Religion zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitrüge. Die Idee einer positiven Neutralität des Staates gegenüber der Religion – so der Titel einer seiner Publikationen - gehe davon aus, dass „der säkulare Rechtsstaat sich nicht aus sich selbst begründen könne, sondern auf andere Sinnstifter angewiesen“ sei. Weltanschauliche Neutralität des Staates würde keineswegs eine Wertneutralität des Staates beinhalten, ist Reinhard Marx überzeugt.
In wirtschaftspolitischen Fragen zeigt Marx dagegen großes Verständnis für die Belange von Arbeitnehmern. Er ist Mitautor des 1997 veröffentlichten Gemeinsamen Sozialworts der Kirchen. Das Papier betont den Vorrang der Arbeit vor dem Kapital; auch wenn es die Eigenverantwortung hervorhebt. (André Paul)

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