Politik

"Mit 25 Prozent Wählerstimmen kann man nicht 100 Prozent Politik durchsetzen", sagt Florian Pronold. (Foto: dpa)

26.06.2015

"Überzeugungen und Macht sind kein Widerspruch"

SPD-Landeschef Florian Pronold über die Kampfkandidatur beim SPD-Parteitag am kommenden Wochenende, die Vorwürfe seines Herausforderers und die SPD-Diaspora Bayern

Diesen Samstag will sich der SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold (42) beim SPD-Landesparteitag im oberfränkischen Hirschaid im Amt bestätigen lassen. Seit wenigen Tagen ist klar: Es gibt eine Kampfkandidatur. Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium, muss gegen den 71-jährigen Walter Adam antreten. Er stammt wie Pronold aus Niederbayern. BSZ: Herr Pronold, wie es aussieht, bekommen Sie auf dem Parteitag doch einen Gegenkandidaten. Überrascht?
Pronold: Ja, ich bin überrascht. Ich hoffe aber, dass diese Kandidatur auf einen Wettbewerb um bessere Ideen und Konzepte abzielt. Dann kann die Bayern-SPD von der Debatte und der neuen Aufmerksamkeit profitieren.

BSZ: Kennen Sie den Walter Adam aus Abensberg?
Pronold: Ja, ich kenne ihn.

BSZ: Er scheint ein sozialdemokratisches Urgestein zu sein. Jedenfalls ist er schon länger in der SPD, als Sie leben.
Pronold: Das kann ich nicht bestreiten.

BSZ: Adam sagt „Wir waren eine Partei der Mutigen, heute spielen wir den sozialen Flügel der Union.“ Hat er recht?
Pronold: Die SPD ist die Schutzmacht der kleinen Leute. Wir haben durchgesetzt, dass seit 25 Jahren der Sozialstaat ausgebaut und nicht abgebaut wurde, zum Beispiel durch Verbesserungen bei der Rente: Wer 45 Jahre hart geschuftet hat, darf jetzt abschlagsfrei in Rente gehen. Das hat die Union nie gewollt. Wir haben außerdem den gesetzlichen Mindestlohn nach über zehn Jahren Kampf gegen den Widerstand der Union durchgesetzt, was das Leben von Millionen Menschen verbessert. Die CSU bekämpft das immer noch. Ich denke, das beantwortet die Frage.

"In der Bayern-SPD erwartet niemand, Karriere zu machen"

BSZ: Woher kommt dann der Vorwurf?
Pronold: 75 Prozent unserer Mitglieder haben dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Und zwar wegen der deutlichen sozialdemokratischen Handschrift in diesem Vertrag. Neben dem angesprochenen Mindestlohn und der Rente nach 45 Arbeitsjahren haben wir auch die Mietpreisbremse und Verbesserungen bei der Pflegeversicherung verwirklicht. Jeder Sozialdemokrat kann sich noch mehr vorstellen, aber mit 25 Prozent Wählerstimmen kann man nicht 100 Prozent Politik durchsetzen. Auf vielen Veranstaltungen an der Basis erfahre ich mehr Zustimmung als Ablehnung unserer Arbeit in der Großen Koalition.

BSZ: Herr Adam wirft Ihnen dennoch vor, die SPD opfere ihre Grundwerte für Machterhalt und bloßes Mitmachen.
Pronold: Die SPD ist eine Partei, die wie keine andere für Inhalte steht. Keiner ist in die bayerische SPD eingetreten, um Karriere zu machen, sondern um seine Überzeugungen zu vertreten. Es hilft aber nichts, wenn man es besser weiß, man muss auch bereit sein, es besser zu machen. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir in einer Regierung mitgestalten können. Aus der Opposition heraus verändere ich die Lebensverhältnisse der Menschen nicht. Überzeugungen und Macht sind kein Widerspruch. Beides gehört zusammen.

BSZ: Gegenwind kommt gerade auch von den Jusos. Warum haben Sie so barsch auf deren Kritik an der Griechenland-Politik Ihres Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel reagiert?
Pronold: So geht man in unserer Partei nicht miteinander um: Den SPD-Bundesvorsitzenden stellt man nicht in die rechtspopulistische Ecke. Das überschreitet das Maß der zulässigen Kritik.

BSZ: Bei der Kritik des Herrn Adam und der Jusos schwingt immer mit, die SPD sei zu pragmatisch, zu kompromissbereit und zu hasenfüßig gegenüber den Mächtigen. Kann Ihnen diese Analyse gefallen?
Pronold: Nein, und ich teile sie auch nicht. In 15 Bilanzveranstaltungen über ein Jahr Große Koalition vor Ort habe ich solche Kritik auch nie gehört.

"Solche Kritik hab ich vor Ort noch nie gehört"

BSZ: Tatsache ist aber, dass die Bayern-SPD seit über einem Jahrzehnt nicht wirklich über 20 Prozent hinauskommt. Stützt das nicht die kritischen Stimmen?
Pronold: Die Wahlergebnisse sprechen eine andere Sprache: Wir haben bei den letzten Wahlen auf Landes-, Bundes- und Europaebene als Bayern-SPD jeweils zugelegt – zum ersten Mal seit 1998. Sicher nicht in dem Maße, wie es mir ausreicht, aber es geht nach oben. Diesen Trend müssen wir fortsetzen.

BSZ: Schadet vielleicht die Doppelrolle als Koalitionspartner der CSU in Berlin und Opposition zu ihr in München dem Profil der SPD?
Pronold: Im Gegenteil. Die Regierungsbeteiligung in Berlin ist die große Chance zu beweisen, dass wir es tatsächlich besser können.

BSZ: Vorausgesetzt, der Landesvorstand wird in Hirschaid im Amt bestätigt, wäre das die Truppe, mit der Sie 2018 in die Landtagswahl gehen?
Pronold: Der Wahlparteitag 2017 wäre der richtige Zeitpunkt für Veränderungen, sollten sich diese ergeben oder nötig werden. Bis dahin gilt es, die Grundlagen zu legen für die Wahlkämpfe 2017 und 2018.

BSZ: Wie ist es jetzt bei Ihnen: Reizt Sie die Option München oder wollen Sie auf Dauer in der Bundespolitik bleiben?
Pronold: Eine geschickt verpackte Frage: Wir werden die Frage der Spitzenkandidatur erst nach der Bundestagswahl 2017 entscheiden.

BSZ: Werden Sie wieder ein Oppositionsbündnis zur Ablösung der CSU eingehen?
Pronold: Die SPD muss regieren, damit sie in Bayern bessere Bildung und bezahlbaren Wohnraum durchsetzen kann. Wir müssen aber erst einmal zulegen, um Verantwortung übernehmen zu können. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Erst danach stellt sich die Frage, mit wem wir sozialdemokratische Politik am besten durchsetzen können.

BSZ: Gegen eine große Koalition mit der CSU wie in Berlin würden Sie sich aber nicht wehren?
Pronold: Die Partei muss zustimmen. Dies geht nur, wenn die Vor-aussetzungen passen. Für mich gibt es bei Koalitionen nur eine Grenze: Rechtsradikale Parteien sind für uns nicht koalitionsfähig, und sie werden es auch nie sein. Alles andere hängt vom Wähler und danach davon ab, was die SPD an Inhalten durchsetzen kann. Am Ende entscheidet eine ganz simple Frage: Was wird besser für die Menschen in Bayern.
(Interview: Jürgen Umlauft)

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