Politik

Das Düsseldorfer Grab von Hildebrand Gurlitt, dem Vater des inzwischen ebenfalls verstorbenen Cornelius Gurlitt. (Foto: dpa)

24.11.2014

Undurchsichtiger Kunstkrimi

Die BSZ erklärt: Der Fall Gurlitt hat schon jetzt Kunstgeschichte geschrieben. Wie ging es los und warum ist der Fall so brisant?

Das Kunstmuseum Bern nimmt das umstrittene Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an. Dies könnte das Schlusskapitel in dem komplizierten Kunstkrimi sein. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten rund um den Fall, der Kunstgeschichte schrieb:

Wer war Cornelius Gurlitt?
Cornelius Gurlitt war der Sohn von Hildebrand Gurlitt, der einer der Kunsthändler Adolf Hitlers war. Er wurde am 28. Dezember 1932 in Hamburg geboren, machte in Düsseldorf 1953 sein Abitur und studierte im Anschluss bis 1960 Kunstgeschichte an der Universität Köln. Parallel dazu machte er eine Ausbildung zum Restaurator beim Kunstmuseum Düsseldorf. Im Jahr 1956 kam sein Vater bei einem Autounfall in Oberhausen ums Leben, seine Mutter starb 1968. Seit dem Tod der Mutter war er für die umfangreiche Kunstsammlung verantwortlich, die Jahrzehnte später in seiner Münchner Wohnung und seinem Haus in Salzburg gefunden werden sollte. Er starb am 6. Mai 2014 in seiner berühmt gewordenen Schwabinger Wohnung und wurde am 19. Mai in Grab seiner Eltern in Düsseldorf beigesetzt. 

Wie kam der "Fall Gurlitt" ins Rollen?
Im Jahr 2012 beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Augsburg die millionenschwere Kunstsammlung in der Münchner Wohnung von Cornelius Gurlitt wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Rund anderthalb Jahre später, im November 2013, wurde die Öffentlichkeit durch einen Bericht des "Focus" auf den spektakulären Fund aufmerksam.

Warum ist der Fall so brisant?

Der Fall brachte das lange Zeit vernachlässigte Thema Nazi-Raubkunst auf die politische Agenda und weckte auch international großes Interesse am deutschen Umgang mit geraubter Kunst. Auch heute noch kann nach Angaben der Taskforce "Schwabinger Kunstfund" bei Hunderten Werken aus der Sammlung Gurlitt nicht ausgeschlossen werden, dass sie jüdischen Besitzern einst geraubt wurden. Das "Team Gurlitt", die Anwälte des Kunstsammlers, sprachen allerdings stets von nur acht Bildern unter Raubkunst-Verdacht. Der Fall zeigt die Bedeutung der Provenienzforschung, die in Deutschland lange einen untergeordneten Stellenwert hatte. Gurlitts Sammlung enthält auch Bilder, die von den Nazis einst als "entartet" diffamiert und aus deutschen Museen entfernt wurden. 

Welche Werke umfasst die Sammlung Gurlitt?

Die in München und Salzburg sichergestellte Kunstsammlung enthält wertvolle Werke sowohl Alter Meister als auch der Avantgarde. Darunter befinden sich Werke von Canaletto, Carl Spitzweg, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann, Marc Chagall, Henri Matisse, Otto Dix, Claude Monet, Edouard Manet oder Pablo Picasso. 

Was ist bislang über Raubkunst aus der Sammlung bekannt?
Die zuständige Taskforce hat bislang erst bei drei Bildern den Verdacht auf Raubkunst bestätigt. Dabei handelt es sich um die "Sitzende Frau" von Henri Matisse, die demnach den Erben des jüdischen Kunsthändlers Paul Rosenberg gehört, und Max Liebermanns "Zwei Reiter am Strand". Ein New Yorker Anwalt hatte Ansprüche auf das Bild erhoben. Auch bei dem Carl-Spitzweg-Bild "Das musizierende Paar" wurde der Raubkunst-Verdacht bestätigt, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) am Montag sagte. 

Welche Rolle spielt die Politik?
Eine große. Weil plötzlich alle Welt auf den Umgang Deutschlands mit diesem Fall und Nazi-Raubkunst im Allgemeinen schaute, bekam das Thema einen hohen politischen Stellenwert. Das zeigt auch die am Montag verkündete Vereinbarung zwischen dem Kunstmuseum Bern und der Bundesrepublik Deutschland, in der der Bund sich bereiterklärt, die Kosten für die Rückerstattung von Kunstwerken zu tragen. Auch die Taskforce wird vom Bund und dem Freistaat Bayern finanziert. 

Warum hat Gurlitt sein Vermögen dem Kunstmuseum Bern vermacht?
Das ist unklar. Sein ehemaliger Betreuer Christoph Edel sagte: "Gurlitt war gegenüber allem Deutschen skeptisch." Ein von Gurlitts Cousine in Auftrag gegebenes Gutachten bescheinigt ihm eine fast paranoide Angst vor Nazis und davor, sie könnten ihm seine Kunstsammlung wegnehmen. Gurlitts Cousin Dietrich hält dagegen, der Sammler sei nicht paranoid gewesen. "Über die Beschlagnahme seiner Bilder war er so empört, dass er kein deutsches Museum auswählte. Das alles ist nicht paranoid, sondern konsequent und verständlich", sagte er.

Die Cousine von Cornelius Gurlitt hat beim Nachlassgericht in München kurz vor der offiziellen Verkündung der Berner Entscheidung Anspruch auf das Erbe erhoben. Warum?
Hintergrund ist ein Gutachten, das die Cousine Uta Werner und weitere Familienmitglieder bei dem Psychiater und Juristen Helmut Hausner in Auftrag gegeben haben. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Cornelius Gurlitt nicht mehr zu einem freien Willen in der Lage und damit nicht testierfähig war, als er im Januar, wenige Monate vor seinem Tod, sein Testament aufsetzte.
 
Wie geht es nach den Ansprüchen der Cousine nun weiter?
Darüber muss das Amtsgericht München als zuständiges Nachlassgericht entscheiden. Am Montag teilte das Gericht mit, dass nun über Uta Werners Antrag auf den Erbschein entschieden werden müsse. Erst wenn der Erbschein bewilligt sei, könne das Gericht sich mit der Frage befassen, ob Gurlitts Testament überprüft wird oder nicht. (Britta Schultejans, dpa)

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