Politik

Vorbild? Fehlanzeige! Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern im öffentlichen Dienst werden in Deutschland mit einem Zeitvertrag abgespeist. (Foto: dpa)

16.02.2018

Verträge mit Verfallsdatum

Die GroKo will Unternehmen verpflichten, mehr unbefristete Verträge anzubieten – dabei ist der öffentliche Dienst das Problem

Befristete Arbeitsverträge sollen in Deutschland künftig erschwert werden. Das steht im Koalitionsvertrag der möglichen Großen Koalition. Die Wirtschaft ist verärgert und verweist darauf, dass der öffentliche Dienst Zeitverträge weit stärker nutzt als private Unternehmen.

So klagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, „dass die öffentliche Hand der Arbeitgeber ist, der Befristungen am intensivsten nutzt“. Der Münchner Arbeitsrechtler Volker Rieble gibt ihm Recht: „Der öffentliche Dienst gibt den größten Anlass zur Beanstandung – und die Privatwirtschaft soll das ausbaden.“

Primär betroffen sind Neueinstellungen. In der Privatwirtschaft sind 40 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge befristet, bei der öffentlichen Hand sogar 60 Prozent. Besonders hoch sind die Zahlen im Bildungsbereich. Über 70 Prozent der Wissenschaftler im Freistaat haben einen befristeten Vertrag. Da für sie ein spezielles Wissenschaftszeitvertragsgesetz gilt, profitieren sie überhaupt nicht von den geplanten Änderungen der GroKo. Immerhin könnten Wissenschaftsarbeitgeber aber das TzBfG jetzt nicht mehr als Schlupfloch nutzen, meint die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Im öffentlichen Dienst ist der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse besonders hoch“, räumt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) auf BSZ-Anfrage ein. Sie fordert, der Staat müsse beim Thema Befristung mit gutem Beispiel vorangehen – aber nur freiwillig. Denn eine komplette Abschaffung der sachgrundlosen Befristung lehnt das Ministerium ab. Sie sei einfach ein unbürokratischer Weg, das Einstellungsrisiko zu senken und flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren.

Schon 2013 wollte die GroKo Befristungen einschränken

Über die Jahre ist die Zahl der Befristungen stetig gestiegen. Rechnet man Alt- und Neuverträge zusammen, dann haben von den deutschlandweit rund 40 Millionen Beschäftigten in Wirtschaft und öffentlichem Dienst knapp neun Prozent einen Vertrag mit Ablaufdatum in der Tasche. 2001 waren es lediglich 6,8 Prozent. In Bayern sieht es mit aktuell 8,6 Prozent ein wenig besser aus. Besonders betroffen sind Beschäftigte aus dem verarbeitenden Gewerbe, Gastgewerbe und der öffentlichen Verwaltung im Alter zwischen 30 und 39 Jahren.

Geht es nach der GroKo, sollen Arbeitgeber laut Teilzeit- und Befristungsgesetz mit mehr als 75 Mitarbeitern höchstens 2,5 Prozent ihrer Belegschaft sachgrundlos befristet beschäftigen dürfen – jeder weitere Vertrag gilt als unbefristet. Außerdem ist eine Befristung jetzt nur noch für eineinhalb statt für zwei Jahre möglich. Dadurch soll die Anstellung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beschleunigt werden.

Strenger sollen auch Verträge mit Sachgrund behandelt werden, also etwa bei Auszubildenden oder Elternzeitvertretungen. Arbeitgeber dürften Angestellten dann keinen befristeten Vertrag mehr anbieten, wenn diese fünf Jahre oder länger im jeweiligen Unternehmen gearbeitet haben.
Sollten die Pläne umgesetzt werden, könnte sich die Zahl der Arbeitsverträge mit sachgrundloser Befristung laut Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bundesweit um etwa 400 000 reduzieren. „Das entspricht etwa einem Drittel aller solcher Befristungen, was durchaus positiv ist“, sagt Matthias Jena, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bayern. Zufrieden sei er aber erst, wenn die sachgrundlose Befristung komplett abgeschafft wird, wie es die SPD ursprünglich wollte.

Das verlangen auch die bayerische SPD-Landtagsfraktion sowie die Landtags-Grünen. Deren Arbeitsrechtsexpertin Kerstin Celina wünscht sich, dass Konjunkturschwankungen statt durch Befristungen dadurch ausgeglichen werden, „dass Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens für verschiedene Tätigkeiten flexibler eingesetzt werden“. Ob die geplanten Änderungen aber überhaupt Gesetz werden, bleibt abzuwarten. Manche Punkte standen wortgleich schon im Koalitionsvertrag von 2013. (David Lohmann)

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