Politik

Das Zanken soll ein Ende haben: Horst Seehofer und Martin Zeil wollen jetzt gemeinsam lächeln. (Foto: dapd)

23.09.2011

Verzweifelte Umarmung

Mit Blick auf sinkende Umfragewerte rücken CSU und FDP im Freistaat enger zusammen

Sie reden wieder mit- und nicht nur übereinander, die Koalitionäre in Bayern. Nach monatelanger Funkstille, in der trotz vieler Unstimmigkeiten der Koalitionsausschuss nicht tagte, kamen die Spitzen von CSU und FDP am vergangenen Wochenende wieder einmal zusammen. Die jüngsten Umfragen haben sich offenbar mäßigend auf die Streithähne ausgewirkt.
Wäre Anfang September Landtagswahl gewesen, hätte Schwarz-Gelb keine Mehrheit im Freistaat gehabt. Die CSU wäre von einer Alleinregierung weit entfernt, die FDP nicht einmal im Maximilianeum. Solche Aussichten lassen Schwarz-Gelb enger zusammenrücken. Wie man hört, ging es im Koalitionsausschuss relativ harmonisch zu. Man hat dort ein wohl 500 Millionen Euro schweres Investitionsprogramm für die kommenden beiden Jahre vereinbart. Und bei der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause übten CSU und FDP demonstrativ den Schulterschluss. Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) konnte sogar berichten, dass es seitens der CSU-Kollegen keinen Spott wegen des liberalen Absturzes bei der Berliner Wahl am Vortag gegeben habe: „Wir haben uns den wirklich wichtigen Themen gewidmet.“


Schmids Abrisskalender


Die inzwischen existenzielle Krise der FDP gehört offenbar nicht dazu. Sehr wohl aber die europäische Schuldenkrise und die Sorge um den Euro. Hier passt derzeit höchstens ein Blatt Pergamentpapier zwischen CSU und FDP. Praktisch wortgleich betonen Zeil und Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU), dass Europa bei aller Solidarität nicht in eine „Transfer- und Schuldenunion“ münden dürfe. Fünf Eckpunkte für die bayerische Position zur Schuldenkrise verabschiedet das Kabinett. Unter anderem müssten Regularien für die geordnete Umschuldung kurz vor dem Staatsbankrott stehender Länder erarbeitet und deren Austritt aus der Euro-Zone möglich werden.
Dass SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen solche Beschlüsse „antieuropäisch“ und „miesen populistischen Stil“ nennt, schweißt CSU und FDP nur noch enger zusammen. „Mit Euro- oder Europa-Skeptizismus hat das nichts zu tun“, erklärt Zeil. Man kämpfe für die Stabilität des Euro, über den Weg dorthin müsse man „offen, ehrlich und transparent diskutieren“ – und nicht so wie die Bundeskanzlerin. Das sagt Zeil zwar nicht, aber er meint es, wenn er frei von jedweder Ironie erklärt, die Koalitionäre in Berlin sollten „sich zusammensetzen, wie wir das in Bayern in vorbildlicher Weise tun.“
Zeil freut sich sichtlich über die Unterstützung des großen Partners, bei dem das Comeback des Euro-Kritikers Peter Gauweiler in die Parteispitze immer wahrscheinlicher wird. Bei der CSU-Fraktionsklausur jedenfalls begrüßt eine große Mehrheit Gauweilers Kandidatur zum Parteivize auf dem Parteitag in zwei Wochen.
Überhaupt sind die Klausuren von CSU und FDP von Harmonie geprägt. Die Lage erfordere konkrete Sacharbeit, da sei „kein Raum für Koalitionsgeplänkel“, vermeldet zum Beispiel der designierte Vorsitzende der Energiekommission im Landtag, Tobias Reiß (CSU). Man vermeidet folglich böse Worte über den jeweils anderen. Die bei CSU und FDP getroffenen Beschlüsse sind praktisch deckungsgleich. Die wohl 500 Millionen Euro aus den erwarteten Steuermehreinnahmen sollen schwerpunktmäßig in die Bildungspolitik, in die Energiewende, in Initiativen zur Verbesserung der Wirtschafts- und Forschungsinfrastruktur sowie in die Förderung des strukturschwachen ländlichen Raums fließen. CSU und FDP halten derzeit in dem Wissen fest zusammen, dass nur der gemeinsame Erfolg sie vor dem Sturz in die Opposition oder gar die Bedeutungslosigkeit retten kann. Mit Blick auf die CSU erklärt denn auch FDP-Fraktionschef Thomas Hacker, dass sich während der Sommerpause „in der Koalition die Erkenntnis breit gemacht hat, dass das gemeinsam Erreichte auch gemeinsam vertreten werden muss, um die Zustimmung der Wähler wieder zu gewinnen“.
Sein CSU-Kollege Georg Schmid versucht derweil, seine Leute im Tonfall eines Fußball-Managers bei Laune zu halten. Man habe mit der FDP einen Vertrag bis 2013, und den gedenke er zu erfüllen – auch wenn Schmid zu Hause in Donauwörth wahrscheinlich irgendwo einen Abrisskalender hängen hat, mit dem er die Tage bis zur Wahl 2013 zählt. Schließlich will er „so etwas“ – er meint eine Koalition in Bayern – „nicht noch einmal fünf Jahre haben“. (Jürgen Umlauft)

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