Politik

„Den Leuten die Ängste nehmen“ – Natascha Kohnen erklärt beim Parteitag, was sie vorhat. (Foto: dpa)

24.05.2017

Viel Euphorie, wenig Konkretes

Bayerns SPD hat fast die gesamte Führungsriege ausgetauscht – welche inhaltlichen Akzente damit verbunden sind, bleibt offen

Bayerns SPD hat eine neue Vorsitzende. Natascha Kohnen, 49 Jahre, Biologin, Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis München mit acht Jahren Erfahrung als Generalsekretärin der Partei. Nach der für sie erfolgreichen Mitgliederbefragung bestätigte der Parteitag in Schweinfurt Kohnen jetzt mit 88,3 Prozent der Stimmen – eines der besseren Ergebnisse in der Historie der Bayern-SPD. Frisch gewählt tritt Kohnen forsch auf. „Es muss unmissverständlich sein: Wir wollen in Bayern regieren“, sagt sie. Wer etwas erreichen will, muss sich ehrgeizige Ziele setzen.

Dabei ist Kohnen weder laut noch hemdsärmelig, eher bestimmt und integrativ. Sie will mit einem „neuen Politikstil“ punkten, der auf Zuhören, der Bereitschaft zum Mitmachen und auf Teamgeist beruht, außerdem mit einer bürgernahen verständlichen Sprache sowie der Konzentration auf das zentrale sozialdemokratische Thema der Gerechtigkeit. Die Bürger wünschten sich mehr sozialen Zusammenhalt in Bayern, dies wolle sie mit einer „Politik der Zuversicht“ schaffen. „Den Menschen die Ängste zu nehmen, das ist unser Weg, das ist mein Weg“, erklärt Kohnen auf dem Parteitag. Viel mehr Inhalt liefert sie noch nicht.

Konzentration auf sozialdemokratische Kernwerte, kein Abarbeiten an der CSU, Verteilen der Verantwortung auf mehrere Schultern – damit sind schon viele SPD-Chefs in Bayern in ihr Amt gestartet. Kohnen scheint es aber wirklich ernst zu meinen. Statt in eine Diskussion darüber einzutreten, ob bei ihrer Wahl ein Ergebnis „90 plus“ nicht hilfreicher gewesen wäre, schwärmt sie lieber über die neue Führungsriege. Ihr Kandidat für das Amt des Generalsekretärs, der Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch, wird mit 91,7 Prozent Stimmenkönig, mit der Gewerkschafterin Marietta Eder und Juso-Chefin Johanna Uekermann rücken zwei junge Frauen auf. Als Mann mit Erfahrung bleibt der Chef der Berliner Landesgruppe Martin Burkert Vize.

Der neue Generalsekretär: Ein feuriger Junger

Eine „ganz tolle Mischung“ sei das, freut sich Kohnen. In ihrer Rede auf dem Parteitag warnt sie, bei aller Notwendigkeit erfahrener Kräfte die Wünsche und Ideen der jungen Leute nicht zu vergessen. „Wir dürfen auf keinen Fall weiter Politik über die Köpfe der Jungen hinweg machen“, mahnt sie ihre Partei. Diese sollten nicht nur mitreden dürfen, ihnen müsse auch Verantwortung übertragen werden. Den Leitantrag des Vorstands zur sozialen Gerechtigkeit stellt Kohnen deshalb nicht selbst vor, das überlässt sie gleich Uekermann. Auch auf die SPD-Landtagsfraktion wird die Wahl der Abgeordneten Kohnen Auswirkungen haben. „Eine Landesvorsitzende in der Fraktion hat schon besonderes Gewicht“, ahnt Fraktionschef Markus Rinderspacher. Eine Verschiebung im Machtgefüge erwartet er aber nicht. Eher, dass die Kommunikation zwischen Fraktion und Partei noch enger wird – und zwar in beide Richtungen. Rinderspacher geht aber auch davon aus, dass Kohnen sich im Landtag öfter zu Wort melden wird, „um mal einen Punkt zu setzen“. Ein Problem, sagt er, habe er damit nicht. Die Vorgabe Kohnens, die Partei auf das Thema der sozialen Gerechtigkeit zu fokussieren, trägt Rinderspacher mit. „Es wäre aber ein Fehler der Partei, wenn sie andere Politikfelder ausblenden würde“, warnt er. „Das bienenpolitische Fachgespräch mit den Imkern muss weiter möglich sein, auch wenn das wenig mit sozialer Gerechtigkeit zu tun hat“, betont Rinderspacher. Ein menschlicher Organismus funktioniere ja auch nicht nur mit dem Herzen.

In Grötsch scheint Kohnen einen feurigen Jungen entdeckt zu haben. „Ich will mich zerreißen für die Bayern-SPD“, verspricht der 41-jährige Oberpfälzer, mit dem sich auch die Parteilinke eingebunden fühlen darf. Gerechte Bildung, gerechte Arbeit, Schulterschluss mit Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden – das hat sich Grötsch auf die Fahnen geschrieben. Der Ex-Polizist soll in der Führungsriege das wichtige Thema Innere Sicherheit besetzen. Er lässt durchblicken, dass er auf Kohnen als künftige Spitzenkandidatin der Bayern-SPD setzt – bis zur Bundestagswahl im Herbst eigentlich Tabu-Thema bei den bayerischen Genossen. Als Generalsekretär wolle er ein „sehr sehr gutes Ergebnis“ für die SPD bei der Landtagswahl einfahren, sagt er und ergänzt, deutlich machen zu wollen, „dass Natascha Kohnen eine sehr charmante Alternative zu Horst Seehofer ist, und dass sie für das andere Bayern steht – nicht für das laute rüpelhafte Haudrauf-Bayern, sondern für das junge frische und charmante Bayern“. (Jürgen Umlauft)

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