Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Gut ein Jahr ist es her, dass Angela Merkel in einer Pressekonferenz dieser schöne Satz entwich. Gänzlich unrecht hatte die Kanzlerin nicht. Dies zeigt die sogenannte ICIL-Studie, die die Computernutzung im Schulunterricht von 20 Ländern vergleicht. Deutschland landete im Mittelfeld, bei den Achtklässlern sogar auf dem letzten Platz. „Kenntnisse über Computer“, teilte Merkel jetzt etwas prosaischer mit, seien die „hauptsächliche Herausforderung“ an Schulen. Und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) möchte sogar „Computersprachen als zweite Fremdsprache in Schulen“ anbieten. Klingt interessant – wäre Bildungspolitik nicht immer noch Ländersache.
Wie ist es bestellt um die Computerkompetenz im Freistaat? Jasmin Laub, bildungspolitische Sprecherin der bayerischen FDP, nahm die ICIL-Studie zum Anlass, eine „Technik-Offensive an allen bayerischen Schulen“ zu fordern. Lehrer sollten intensiver fortgebildet, Schüler früher in der „Nutzung des Internets“ geschult werden. Im bayerischen Kultusministerium entgegnet man etwas verschnupft, man tue doch schon einiges. Als Beispiel nennt ein Sprecher „die rund 120 medienpädagogisch-informationstechnischen Beratungslehrkräfte (MiBs)“, die bayerische Lehrer dabei unterstützen, Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet beizubringen.
Medienkompetenz der Schüler: Zumindest die Wirtschaft ist zufrieden
Vergleiche, die erhellen, welche Bundesländer wie ausgestattet sind, gibt es laut Kultusministerkonferenz nicht. Bayerns Kultusministerium betont, dass der Freistaat mit sieben Schülern pro Schulcomputer zumindest besser dastehe als Gesamtdeutschland mit elf Schülern pro Rechner. Im Übrigen seien „für die IT-Ausstattung an Schulen die Schulaufwandsträger verantwortlich“, also die Kommunen. „Ja, Städte und Gemeinden schaffen die Schulbücher an“, sagt Martin Güll (SPD), der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag. „Dafür erhalten sie allerdings einen Zuschuss vom Freistaat, den es für IT-Ausstattung zum Beispiel nicht gibt. Die Staatsregierung hätte es durchaus in der Hand, an dieser Schraube zu drehen“, so Güll.
Das wollen auch die Grünen, und zwar mit einem „Sonderprogramm Schule digital“, in das der Freistaat zehn Millionen Euro investieren soll. Die Mittel sollten zum einen in den Breitbandausbau fließen, zum anderen in die schulische Ausstattung. „Die Breitbandförderung soll so angepasst werden, dass Orte mit Schulen zuerst gefördert werden“, erläutert der bildungspolitische Sprecher der Landtagsgrünen, Thomas Gehring. Ähnlich sieht dies Günther Felbinger, Bildungsexperte der Freien Wähler: „Wir fordern, den Breitbandausbau in Bayern so zu beschleunigen, dass alle Schulen über ein schnelles Internet verfügen.“ Es dürfe nicht „von der Finanzkraft einer einzelnen Kommune abhängen, ob Schulen eine gute IT-Ausstattung haben oder nicht“.
Opposiiton fordert Millioneninvestitionen
Die bayerische FDP fordert als außerparlamentarische Opposition eine Anfangsinvestition von 17 Millionen Euro, um die Schulen auf ein technologisches Mindestniveau zu heben. Danach, so FDP-Politikerin Laub, seien jährlich weitere sechs Millionen Euro nötig, die den Schulen als Budget überlassen werden sollten, „um die Technik einigermaßen auf dem neuesten Stand zu halten“.
Im Kultusministerium weist man von sich, Bayern lasse sich bei der IT-Ausstattung lumpen: „Standen an den bayerischen Schulen im Jahr 2008 rund 23 000 Beamer zur Verfügung, so sind es aktuell bereits fast 53 000. Bei den interaktiven Whiteboards gab es 2008 rund 900 Geräte, derzeit sind es bereits deutlich über 10 000.“ SPD-Mann Güll moniert die Verteilung der IT-Ausstattung auf die Schulen. Fakt sei: „Zahlreiche Schulen können sich eine moderne digitale Ausstattung nicht leisten.“
Fest steht: Deutschland setzt im Unterricht offenbar weniger digitale Medien ein als andere Länder. Die eigentlich spannende Frage ist, ob dies Berufsanfängern nun eher nutzt oder schadet. Eine Antwort darauf gibt es bei den Ausbildungsbetrieben. Sie werden von Industrie- und Handelskammern regelmäßig und flächendeckend gefragt, wie zufrieden sie mit den Leistungen ihrer Azubis sind. Rainer Kissing, bei der IHK Coburg zuständig für berufliche Bildung, macht klar: „Die Defizite von Schulabgängern liegen eher bei den sozialen Kompetenzen. Hier sind vor allem Leistungsbereitschaft und Motivation der Jugendlichen zu wenig ausgeprägt.“ Zu wenig Ahnung von Computern hätten die Lehrlinge allerdings zumeist nicht. Zwar übernähmen sie häufig Inhalte aus dem Internet etwas zu unkritisch, so Kissing, „eine fehlende Medienkompetenz konnten wir bisher aber nicht feststellen.“
(Jan Dermietzel, Waltraud Taschner)
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