Politik

Da war er noch in Freiheit: Karlheinz Schreiber muss sich ab 18. Januar vor Gericht verantworten. (Foto: ddp)

15.01.2010

Vom Zwielicht ins Rampenlicht

Der Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber, angeklagt wegen Betrugs, Bestechung und Steuerhinterziehung, muss sich ab 18. Januar vor dem Augsburger Landgericht verantworten

Es hätte nicht viel gefehlt und das schmale Bändchen mit dem Aktenzeichen 501 Js 127135/95, das der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft Reinhard Nemetz hütet wie seinen Augapfel, wäre dem Schredder anheimgefallen. Der 75-jährige Karlheinz Schreiber nämlich, dem dieses Konvolut gilt und ihm, wenn es zum Urteil kommt, eine fette Strafe sichert, hat ganze 13 Jahre lang um Deutschland einen großen Bogen gemacht. Vom 9. März 2000 datiert das Schriftstück, von 1997 der erste Haftbefehl, die Ziffer 95 des Aktenzeichens hinter dem Schrägstrich markiert das Jahr, in dem die Ermittlungen begannen. Der Choleriker Schreiber selbst hatte sich da hineingeritten. Nach einem Streit mit seinem Schweizer Partner Georgio Pelossi tauchte er wütend im Finanzamt auf und markierte den dicken Maxe. Da begann erst einmal die Steuerfahndung und dann die Staatsanwaltschaft, genauer hinzuschauen. Sie holten sich aus Schreibers Kauferinger Villa massenhaft Material, darunter das legendäre Notizbuch mit den Tarnnamen und Schmiergeldkonten, die Schreiber bei seinen unversteuerten Millionen-Provisionsgeschäften angelegt hatte. Die Vorwürfe in der Anklage gegen Schreiber sind massiv, ihr Inhalt ist ziemlich übersichtlich. Die Geschichten, die sich darum ranken, sind es nicht. Schreiber wird zur Last gelegt, beim internationalen Vermakeln von Panzern und Flugzeugen in den letzten 25 Jahren rund 20 Millionen Euro Provisionen eingenommen und nicht versteuert zu haben. Die Verrechnung eines Servicepakets mit den saudischen Panzerkäufern in Höhe von 100 Millionen Euro gilt zudem als Beihilfe zum Betrug, weil es sich in Wahrheit nicht um Service, sondern um Schmiergeld handelte. Die Steuerschuld beträgt rund 10 Millionen Euro. Der 9. Strafkammer des Augsburger Landgerichts, vor der er ab Montag stehen wird, hat Schreiber seine Unschuld beteuert. Für verjährt hält die 9. Strafkammer den Vorwurf, den ehemaligen Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls (CSU) zum Loseisen der Saudi-Panzer mit zwei Millionen Euro bestochen zu habe. Das wiederum ist für Staatsanwalt Nemetz grundfalsch, sogar einen Revisionsgrund sieht er in der Rechtsauffassung der Kammer. Nach einer Flucht um die halbe Welt war Pfahls zu einer geringfügigen Geldstrafe verurteilt worden, ebenso wie zwei Manager der Firma Thyssen, die alle von Schreiber Geld genommen hatten. Da Schreiber nicht geständniswillig ist, steht derzeit auch kein „Deal“ zu befürchten. „Der Deal ist jetzt zwar Gesetz, aber dazu gehört ein reumütiges Geständnis“, sagt der Strafverfolger Nemetz. Steuern in Deutschland zu zahlen war Schreiber ein Greuel, Brutto war ihm immer lieber als Netto. Früher war er mal ein bulliger Typ, stand auch als Boxer im Ring und brachte es vom Teppichverkäufer zum Prokuristen einer Großhandelskette. Von jeder Lebensstation nahm er etwas in seine internationale Karriere mit: vom Aufsteiger den Minderwertigkeitskomplex, den er mit Prahlsucht überspielte, vom Teppichverkäufer die Beredsamkeit, vom Boxer den Punch, im entscheidenden Moment das Glaskinn des Gegners zu treffen, vom Prokuristen das kühle Ausrechnen seiner Chancen. Was Schreiber zum Geschäftsglück noch fehlte, war eine hochmögende Person, die ihm die Türen öffnete. Die fand er schon als kleiner CSU-Zaunkönig im Kreis Landsberg in Franz Josef Strauß. Die erste Aufnahmeprüfung, die Schreiber in den 80er Jahren zusammen mit Strauß-Sohn Max für die Strauß-Familie abliefern sollte, geriet freilich zu einem totalen Desaster. Schreiber gründete in Kanada ein Firmen-Konglomerat zum Erwerb renditeträchtiger Grundstücke. Die Familie Strauß machte rund fünf Millionen Mark locker. Und wo der Landesherr investierte, glaubten andere Prominente sorglos Geld flüssig machen zu können, zumal sich auch die Bayerische Landesbank über eine Tochter Strauß zuliebe mit Darlehen engagiert hatte. Der berühmte Sänger Hermann Prey verschuldete sich bis unters Dach seiner Villa, und eine geldige Dame aus der Flick-Sippe war auch dabei. An eben jener Barbara Flick aber sollte der Deal schmählich scheitern. Sie weigerte sich plötzlich zu zahlen, Schreiber und sein Gehilfe Max gerieten in Verzug. Alle Beteiligten verloren ihr Geld, der bayerische Fiskus fing an zu überprüfen, ob es sich wohl um Schwarzgeld gehandelt habe, das da nach Kanada geflossen war, und vom Sänger Prey hieß es, er habe bis zum Lebensende Zigeunerbaron singen müssen, weil seine Altersversorgung futsch war. Mit Strauß senior war es so, dass man ihm besser eine Antwort schuldig blieb als eine Mark. Schreiber war damals klamm, musste Darlehen aufnehmen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dann die um ihr Geld gekommene Clique die Firma Airbus als Melkmaschine entdeckte. Strauß senior, anerkannter Motor der europäischen Flugzeugfabrikation, der den Markt nicht den amerikanischen Lockheed-Fliegern überlassen wollte, war in den 80er Jahren wohlbestallter internationaler Verwaltungsratsvorsitzender von AirbusIndustries. Er nutzte seine Kontakte, solches Fluggerät überall dort anzupreisen, wohin er eingeladen wurde – angeblich stets ohne Provision. Dass sich Airbus aber, wo der Alte doch so gut verkaufte, den wuseligen, immer ein bisschen unseriös wirkenden Schreiber und den damals noch etwas ungeschlachten Strauß-Sohn Max als internationale Flugzeugverkäufer gehalten hätte, ist eher unwahrscheinlich. Ein Kenner der Materie, der frühere CSU-Politiker und Strauß-Vertraute Erich Riedl sagt spöttisch: „Die zwei können auf der Nürnberger Spielzeugmesse vielleicht Matchbox-Autos verkaufen, aber doch keine Airbusse.“ Aber Max Strauß hatte seinen Namen und Schreiber sein internationales Firmengeflecht. Das Airbus-Geschäft florierte wunderbar. Für die Lieferung von Fliegern nach Kanada und Thailand, die pro forma über Schreibers liechtensteinisches Firmendick-icht lief, hatte der angebliche Makler plötzlich 40,38 Millionen US-Dollar auf den Konten, die er ebenso trickreich auf Tarnkonten bei Schweizer Banken versteckte. 2,5 Millionen Mark – etwa der Betrag, den der Strauß-Clan eingebüßt hatte, landeten auf dem berühmten Konto Master/Maxwell. „Master ist Strauß“, schwört Riedl. Als FJS 1988 starb, nahm man Maxens Namen, und das Konto hieß fortan „Maxwell“. Der Strauß-Sohn wusste aber wohl, dass dieses Geld nicht seines war, eher vielleicht eine politische „Kriegskasse“ für Strauß oder die CSU, wie sogar der Bundesgerichtshof vermutete. 1995 räumte Schreiber das unangetastete Maxwell-Geld ab. Wo es jetzt ist, wer darauf Besitzanspruch hat, ist eines der vielen Rätsel des Falles. Max Strauß, bei all dem internationalen Makeln schwer krank geworden, wurde rechtskräftig vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen. Wer, wie Pfahls oder zwei Thyssen-Manager am Schreiber-Geld partizipierte, wurde dagegen verurteilt, weil die Gelder nicht versteuert wurden. Den Rest hatte Schreiber für sich und andere in- und ausländische Kumpane platziert. Dazu kamen noch rund 200 Millionen Mark aus einem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, wohin 1991 mit überraschender Zustimmung des Bundessicherheitsrats unter Kanzler Helmut Kohls Regie 36 Spürpanzer „Fuchs“ geliefert werden konnten. Knapp 500 Millionen Mark rechnete der Hersteller Thyssen mit den dortigen Prinzen ab, die reinen Panzer-Kosten betrugen aber nur 130 Millionen. 200 Millionen versickerten in internationalen Briefkastenfirmen zwischen Panama und Liechtenstein. Schreiber, der als eher geizig gilt, muss das Gefühl gehabt haben, wegen des Durchwinkens der Israel bedrohenden Saudi-Panzer durch den Bundessicherheitsrat der CDU besonderen Dank zu schulden. Die überreichte er in Form von 500 000 Euro dem damaligen Schatzmeister der CDU, Walther Leisler Kiep in bar auf einem Kaufhausparkplatz in der Schweiz. Das energische Nachfassen des Augsburger Staatsanwalts Winfried Maier brachte damals die CDU-Spendenaffäre ans Tageslicht, und wer weiß, was der Mann noch zutage gefördert hätte, wären ihm seine Vorgesetzten nicht in den Arm gefallen. „Die bringen uns noch das ganze Land durcheinander“, barmte damals der Generalstaatsanwalt Herrmann Froschauer. Und die CSU, der Schreiber bis zu seinem Ausschluss 2003 angehörte hatte, sollte gar nichts bekommen haben? Das ist auch so ein Schreiber-Rätsel. Er hat zwar 2002 hohe sechsstellige Summen genannt, die er der CSU überlassen haben will, aber der angegebene Mittelsmann und Geldempfänger Franz Dannecker ist tot – „und Belege“, tönte Schreiber, „gibt es in meinem Business nicht, wo denken Sie hin“. Überhaupt ist er inzwischen gar nicht mehr gut auf die politischen Abzocker zu sprechen: „Erst nehmen sie mein Geld, dann lassen sie es verschwinden und dann hauen sie mich in die Pfanne!“ (Michael Stiller)

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