Politik

Das Ressort von Finanzminister Markus Söder (CSU) besitzt seit letzter Woche zwei neue Elektrofahrzeuge aus Ingolstadt. (Foto: BSZ)

23.01.2015

Von null auf hundert im Schneckentempo

Von den neun Millionen Autos in Bayern sind nur rund 2400 Elektrofahrzeuge – auch die öffentliche Hand ist beim Kauf weder Vorbild noch Vorreiter

Die Bürger im Freistaat kaufen weniger Elektrofahrzeuge als von der Politik erhofft. Doch auch die Staatsregierung, die Fraktionen und die bayerischen Kommunen zögern bei der Anschaffung. Die Automobilhersteller versprechen jetzt mehr Reichweite und günstigere Preise. Allerdings halten manche Experten E-Autos sogar für umweltschädlich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Absatz von Elektrofahrzeugen bis 2020 auf eine Million steigern. Ein ambitioniertes Ziel: Bisher sind in Deutschland erst 12 000 so genannte E-Autos zugelassen – davon rund ein Fünftel in Bayern. Der Freistaat will daher jetzt Gas geben in Sachen Elektromobilität. So kaufte das Finanz- und Heimatministerium gleich zum Marktstart des neuen Audi A3 e-tron letzte Woche jeweils eines der emissionsfreien Modelle für den Postaustausch oder Botendienste zwischen den Dienstsitzen in München und Nürnberg. Werden allerdings alle rund 900 Dienstfahrzeuge des Ministeriums zusammen betrachtet, fällt die Umweltbilanz eher durchwachsen aus.
Im Durchschnitt ist die Flotte fast sechs Jahre alt und hat einen CO2-Ausstoß von 149 Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Die Europäische Union schreibt ab 2021 einen Wert von 95 Gramm vor.

Insgesamt besteht der Fuhrpark des Freistaats mit seinen elf Behörden aus rund 12 000 Dienstfahrzeugen. Sie sind durchschnittlich 4,1 Jahre alt. Der Kohlendioxid-Ausstoß beträgt im Mittel 144 Gramm pro Kilometer bei einer jährlichen Fahrleistung von zusammen 239 000 Kilometern. Obwohl nach den Bedingungen der Haushaltsaufstellungsrichtlinien bei Ausschreibungen „nur schadstoffarme Kraftfahrzeuge mit möglichst geringem Treibstoffverbrauch sowie einer überdurchschnittlich guten CO2-Effizienzklasse beschafft werden dürfen“, hatten von den im Jahr 2013 genau 1848 neu angeschafften Autos gerade einmal 150 einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von unter 120 Gramm pro Kilometer – das sind weniger als zehn Prozent. Und nur 63 erfüllen die Euro-6-Abgasnorm, die ab September dieses Jahres für alle neu zugelassenen Pkw gilt.

Kritik kommt vor allem von den Landtags-Grünen: „Bei der Förderung von Elektromobilität wird mit angezogener Handbremse agiert“, schimpft deren Mobilitätssprecher Markus Ganserer. Er habe zwar Verständnis, wenn die Minister bei offiziellen Anlässen nicht im Golf vorfahren wollen. Aber selbst in der Premiumklasse gebe es erhebliche Unterschiede beim Kohlendioxidausstoß. „Dieser ist bei der Staatsregierung auch im bundesweiten Vergleich sehr hoch“, erklärt der Abgeordnete der Staatszeitung. Seiner Meinung nach wird auch das geplante Mobilitätsgesetz der Bundesregierung mit kostenlosen Parkplätzen den Absatz von E-Autos nicht steigern. Daher müsse die öffentliche Hand mit einem vorbildlichen Fuhrpark Marktanreize schaffen. „Man muss es nur wollen.“

„Elektromobilität mit angezogener Handbremse“

Doch auch die jeweils zwei Dienstautos der zwei großen Landtagsfraktionen sind nicht elektrisch. „Derzeit kommen Elektrofahrzeuge für uns noch nicht in Betracht, weil unsere Dienstfahrzeuge manchmal fast 1000 Kilometer am Tag zurücklegen müssen“, heißt es aus der CSU. Immerhin: Alle vier Fraktions-Autos erfüllen die Emissionsklasse Euro 6. Nur die Freien Wähler tönen: „50 Prozent unserer Fahrzeugflotte sind Elektromobile.“ Damit sei die Fraktion in puncto Umweltfreundlichkeit der Staatsregierung meilenweit voraus, versichert deren energiepolitischer Sprecher Thorsten Glauber. „Aber auch die Grünen können von uns lernen, deren Landtagsfraktion kein einziges Elektromobil fährt.“ Auf Nachfrage entpuppt sich die „Fahrzeugflotte“ jedoch als ein Dieselauto und ein elektronischer BMW i3. Und die Grünen betonen verärgert, sie hätten gar kein Dienstauto, sondern nur drei Fahrräder in ihrem Fuhrpark. „Das war auch alles nicht bierernst gemeint“, beschwichtigt FW-Mann Glauber.

In bayerischen Kommunen fahren ebenfalls nur wenig Elektroautos. Im Landkreis Neu-Ulm steht zwar seit letzter Woche der Volkswagen e-up! in der Garage des Landsratsamts. In Augsburg ist allerdings nur ein E-Auto, in Regensburg wie im Würzburg sind drei und in Kempten zwei plus ein E-Kleinlaster im Einsatz. In Ingolstadt fahren neben drei E-Autos drei E-Busse und wie in anderen Kommunen mehrere E-Roller. In München befinden sich unter den rund 800 Dienstwagen lediglich drei E-Autos, zwei E-Kleintransporter und bei der Münchner Verkehrsgesellschaft vereinzelt E-Busse. Dabei werden in den drei Modellregionen für Elektromobilität Bayerischer Wald, Bad Neustadt an der Saale und Garmisch-Partenkirchen bereits seit 2010 die Bedingungen für Elektrofahrzeuge im ländlichen Raum getestet.

Der bayerische Städtetag würde sich zwar über mehr Autos mit umweltfreundlichen Antriebsarten freuen. „Wir können Mitgliedsstädten bei der Beschaffung im Einzelnen aber keinerlei Vorgaben machen“, erläutert ein Städtetags-Sprecher. Beim bayerischen Landkreistag heißt es, man könne mangels Personal die Beschaffung an den Landratsämtern niemals koordinieren. Und der bayerische Gemeindetag verweist beispielsweise auf Fahrzeuge der Feuerwehr und des Bauhofs, für die es so gut wie keine umweltfreundlichen Alternativen gebe. Doch auch finanziell lohnt sich die Anschaffung für die Kämmerer nicht: „Geld ist derzeit bei keinem der Fahrzeuge zu sparen, da die Anschaffungskosten noch sehr hoch sind“, erklärt ein Sprecher des städtischen Energieversorgers Infra aus Fürth. Hinzu kämen die monatlichen Mietzahlungen für Akkus, welche die Einsparungen beim Tanken im Vergleich zu Benzin, Diesel oder Erdgas wieder zunichte machen.

Bei Audi sieht man die Reichweite von nur 150 Kilometern als Grund für den begrenzten Markterfolg. Zwar will das Innenministerium ein bayernweites Netz von mehr als 70 Ladestandorten an Autobahnen errichten. „Der Kunde erwartet, dass ein E-Auto mit einer Ladung 400 bis 450 Kilometer fährt“, sagt aber eine Audi-Sprecherin. Bis 2018 soll daher ein Serienauto mit entsprechender Batteriekapazität auf den Markt kommen. Bei BMW ist man mit der Entwicklung „grundsätzlich zufrieden“. „Dennoch ist für einen langfristigen Erfolg der Elektromobilität ein gemeinschaftlicher Ansatz von Politik und Industrie nötig“, ergänzt ein Konzernsprecher.

Solange der Strom aus Atomkraftwerken kommt, halten manche Experten E-Autos generell nicht für emissionsarm. „Da wird den Leuten nur ein grüner Gedanke verkauft“, verdeutlicht der Kfz-Mechatroniker einer BMW-Werkstatt der BSZ hinter vorgehaltener Hand. Zudem sei der Energiebedarf bei der Batterieherstellung extrem hoch und das umweltgerechte Recycling sehr problematisch. „Das Kohlefaserchassis beim BMW i3 ist zum Beispiel überhaupt nicht recylingfähig“, so der Kfz-Meister. Der Ordinarius des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik an der Technischen Universität München, Markus Lienkamp, mahnt hingegen, das Thema Recycling nicht überzubewerten: „Wir befinden uns gerade erst in der Anfangsphase.“ Zudem werden in zwei bis drei Jahren die Reichweite steigen und die Preise sinken. „Die Entwicklung des Verbrennungsmotors hat 100 Jahre gedauert, resümiert Lienkamp. „Lassen Sie uns einfach noch zehn Jahre Zeit.“ (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Chris am 23.01.2015
    Ich hab keine 60.000 €.
    Damit ist das Thema erledigt.
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