Politik

Markus Rinderspacher will die Rolle des Oppositonsführers an Horst Seehofer abgeben und hat für ihn auch schon einen Rat: Nicht egoistisch sein. (Foto: dpa)

10.08.2012

"Von Ude kann ich nur lernen"

Sommerinterview (II): SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher über Geographie, den langen Schatten des Spitzenkandidaten und Ideen für die Bildungspolitik

Noch keine Spur von Urlaubsstimmung bei Markus Rinderspacher. Gerade ist er in ganz Bayern in politischer Mission unterwegs.  Während SPD-Spitzenkandidat Christian Ude sich bereits auf Mykonos entspannt, besucht Rinderspacher zahlreiche Unternehmen. Doch auch er nimmt sich Ende August noch eine Auszeit: Dann geht’s zehn Tage mit seinem Sohn ans Mittelmeer. BSZ: Herr Rinderspacher, wissen Sie, in welchem Regierungsbezirk sich Neustadt an der Saale befindet?
RINDERSPACHER: In Unterfranken, in der Rhön. BSZ: Wir sind beeindruckt. Haben Sie Erdkunde gepaukt, damit Ihnen nicht ähnliche geografische Fauxpas passieren wie Christian Ude?
RINDERSPACHER: Nein, ich war viel in Bayern unterwegs. In den ersten beiden Jahren als Fraktionsvorsitzender bin ich 1500 Kilometer durch Bayern geradelt. BSZ: Treten Sie auf Ihrer momentanen Industrietour als Genosse der Bosse auf oder suchen Sie verstärkt die Nähe der Arbeiter?
RINDERSPACHER: Wir führen Gespräche mit den Unternehmern, Betriebsräten und den Beschäftigten. Die Tour ist ein Bekenntnis zum Industriestandort Bayern. BSZ: Wie reagieren Arbeitnehmer und -geber auf das Thema Mindestlohn?
RINDERSPACHER: Die Arbeitnehmer wollen ihn, die Unternehmer sind mittlerweile offen. Eine Umfrage des Bunds der Selbständigen hat ergeben, dass über 80 Prozent ihrer Mitglieder in Bayern für den Mindestlohn eintreten, um sich vor Dumpingkonkurrenz auch aus dem Ausland zu schützen. BSZ: Ist es sehr lästig, ständig im Schatten von Christian Ude zu stehen?
RINDERSPACHER: Im Gegenteil: Ich hatte Christian Ude als erster nach seiner Bereitschaft gefragt, die Spitzenkandidatur zu übernehmen. Als politischer Quereinsteiger kann ich von Udes Regierungserfahrung lernen. Gerade die Jüngeren in der SPD profitieren von ihm. Er ist als Münchner OB der Chef des dienstältesten rot-grünen Bündnisses in Deutschland. BSZ: Allerdings scheint es, dass Ude die Anfangseuphorie um seine Person nicht aufrechterhalten kann. Ist er zu früh in die Rolle des Spitzenkandidaten geschlüpft?
RINDERSPACHER: Nein, nach 55 Jahren in der Opposition wäre eine späte Nominierung ein Fehler. Wir haben im Gegensatz zur CSU Klarheit in den eigenen Reihen und werden die nächsten zwölf Monate nutzen, um unsere Konzepte unter die Menschen zu bringen. Wir haben in den Umfragen deutlich zugelegt.

"Lassen Sie sich vom weiteren SPD-Personalangebot überraschen"

BSZ: Der Regener SPD-Landrat Michael Adam meint, dass SPDler aus der ersten Reihe das Gefühl hätten, sie könnten auf kommunaler Ebene mehr bewegen. Deshalb säßen im Landtag häufig Kandidaten aus der zweiten Reihe.
RINDERSPACHER: Wir haben gute Kommunalpolitiker. Und kompetente Fachpolitiker in den Sprecher-Positionen im Landtag. Den Fraktionsvorstand haben wir mit Natascha Kohnen und Volkmar Halbleib deutlich verjüngt. BSZ: Bringt es das? Brauchen Sie nicht eher Zugpferde vom Kaliber eines Ulrich Maly, Nürnbergs OB?
RINDERSPACHER: Maly ist im engsten Beraterkreis von Christian Ude und ein besonderer SPD-Anker in Franken. Lassen Sie sich vom weiteren SPD-Personalangebot überraschen. BSZ: Was werden denn die großen Wahlkampfthemen sein?
RINDERSPACHER: Bildung und Wirtschaft. Wir haben immer noch zu viel Unterrichtsausfall und zu große Klassen. Wir wollen das Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten und die Gemeinschaftsschule – nicht gegen den Willen der Betroffenen, sondern auf Antrag der Kommune und der Schulfamilie. Wir müssen etwas gegen das Schulsterben im Lande tun. Wie in Baden-Württemberg, wo es bereits 40 Gemeinschaftsschulen gibt und die Hälfte davon von CDU-geführten Kommunen gefordert wurde. BSZ: Was halten Sie von der diskutierten Reichenbesteuerung?
RINDERSPACHER: Das SPD-Konzept „Nationaler Pakt für Bildung und Entschuldung“ sieht den Spitzensteuersatz bei 49 Prozent: ab 100 000 Euro für Alleinverdiener. Die Vermögensteuer soll Bayern eine Milliarde Euro mehr bringen. Wir investieren damit in Kindertagesstätten, Ganztagsschulen sowie in unsere Städte und Gemeinden.

Starke Schultern können und sollen in Zukunft mehr als schwache tragen

BSZ: Würde das Paket auf einmal in Kraft treten?
RINDERSPACHER: Das entscheidet die Bundesebene. Klar ist: Wir sagen vor der Wahl, was nach der Wahl kommt: Starke Schultern können und sollen in Zukunft mehr als schwache tragen. BSZ: Zum Thema Euro-Krise: Sigmar Gabriel hat sich für eine Euro-Schuldenhaftung ausgesprochen.
RINDERSPACHER: Das politische Gestöpsel der letzten Jahre hat weder Griechenland gerettet, noch den Euro nachhaltig stabilisiert oder die Nervosität aus den Märkten genommen. Das Gegenteil ist vielmehr zu erkennen. Durchsichtig ist, was die CSU macht: In bayerischen Bierzelten gegen die eigene Politik in Berlin zu polemisieren. BSZ: Glauben Sie, dass es beim deutschen Arbeitnehmer gut ankommt, ihm zu sagen: Jetzt musst du für die Schulden anderer aufkommen?
RINDERSPACHER: Die Wahrheit ist: Es gibt keine preisgünstige Lösung. Eine Schweizer Bank hat letztes Jahr errechnet, dass die Rettung Griechenlands, Portugals und Irlands jeden Einwohner der Euro-Zone 1000 Euro kostet. Bei einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone wären wir Deutsche womöglich mit dem Achtfachen dabei. Den Leuten vorzugaukeln, Griechenland scheidet aus und alle Probleme seien gelöst, ist verantwortungslos. Söders Vorschlag kostet den Deutschen Steuerzahler mindestens 80 Milliarden Euro. BSZ: Die Freien Wähler versuchen mit Euro-Populismus zu punkten. Diskreditieren sie sich damit als geeigneter Koalitionspartner der SPD?
RINDERSPACHER: Wir haben am 15. September 2013 keine Europa-, sondern Landtagswahlen. Und Herr Aiwanger ist in der Tonart bis jetzt zurückhaltender als die Gauweiler-CSU. BSZ: Glauben Sie, dass ein Dreier-Bündnis mit Grünen und Freien Wählern stabil sein kann?
RINDERSPACHER: Dass ein Dreierbündnis sehr instabil sein kann, sehen wir im Bund mit CDU, CSU und FDP. Unser Dreierbündnis wäre von mehr Vertrauen und Professionalität geprägt. BSZ: Was spricht eigentlich gegen eine Große Koalition?
RINDERSPACHER: Die Rückständigkeit der CSU in gesellschafts- und vor allem bildungspolitischen Fragen. Deshalb wollen wir die CSU in die Opposition schicken. BSZ: Falls das gelingt, welchen Tipp geben Sie Horst Seehofer für seine neue Rolle als Oppositionsführer?
RINDERSPACHER: Ein Oppositionsführer muss mannschaftsdienlich und nicht egoistisch sein, und er darf den politischen Gegner nicht in den eigenen Reihen ausmachen. Ob Herr Seehofer diesem Minimalanforderungsprofil genügt, werden am Ende die Kollegen der CSU-Landtagsfraktion zu beurteilen haben. BSZ: Vervollständigen Sie bitte zum Schluss noch folgende drei Sätze: Besser als Ude kann ich …
RINDERSPACHER: …nichts. BSZ: Wenn die SPD in Bayern mitregiert, werde ich Minister für …
RINDERSPACHER: …erst mal gar nichts, denn ich mag mein Amt als Fraktionsvorsitzender sehr. BSZ: Die wichtigste Eigenschaft für einen Spitzenpolitiker ist heute ...
RINDERSPACHER: …Authentizität.
(Alexandra Kournioti, Angelika Kahl) Kommende Woche lesen Sie ein Interview mit Margarete Bause, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen

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