Politik

Wofür steht das Kopftuch: für den muslimischen Glauben? Oder für die Unterdrückung muslimischer Frauen? (Foto: dpa)

20.03.2015

Warten auf den Präzedenzfall

Nach dem Karlsruher Urteil will Bayern bei kopftuchtragenden Lehrerinnen liberaler sein - noch gab es aber keine Probleme

Für die einen ist es schlicht ein Symbol des muslimischen Glaubens, für die anderen Inbegriff der Frauenunterdrückung: das Kopftuch. Für Lehrerinnen im Freistaat war es bislang jedenfalls verboten, „Symbole oder Kleidungsstücke“ zu tragen, „die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten ... einschließlich den christlichen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar“ sind. So steht es im Erziehungs- und Unterrichtsgesetz.
Nach dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts soll die geltende bayerische Regelung nun etwas großzügiger ausgelegt werden. Die Karlsruhe Richter hatten nach der Klage einer muslimischen Lehrkraft aus Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot verfassungswidrig sei. Ein Verbot sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden bestehe. Das soll jetzt auch in Bayern der Maßstab sein. Eine Gesetzesänderung, beschloss das Kabinett diese Woche, braucht’s dafür nicht. Das sehen die Grünen anders; sie wollen mit einer Landtagsinitiative erreichen, dass der entsprechende Passus im Erziehungs- und Unterrichtsgesetz gestrichen wird.

Die Grüne Ekin Deligöz warnt vor dem Kopftuch als Symbol der  Unterdrückung


Die Grüne Ulrike Gote, Landtagsvizepräsidentin, wäre nicht unglücklich, wenn eine betroffene muslimische Lehrerin in Karlsruhe gegen die bayerische Regelung klagte – die Grünen können eine solche Klage nicht anstrengen. Gote nennt es „diskriminierend“, bei den Rechten von Lehrern zwischen einer christlich-abendländischen und einer nichtchristlichen Haltung zu unterscheiden.
Fakt ist: Bislang fühlte sich keine muslimische Lehrkraft in Bayern so diskriminiert, dass sie gegen das Kopftuchverbot vor Gericht zog. Tatsächlich ist kein Fall bekannt, der zum Streit an einer Schule führte. Und ob es in Zukunft Zoff gibt, ist völlig offen. Das Kultusministerium kann nicht einmal sagen, um wie viele Lehrerinnen es theoretisch geht. „Wie viele Lehrkräfte muslimischen Glaubens sind, wird in Bayern statistisch nicht erhoben“, sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger. Bekannt ist indes, dass 34 000 der insgesamt 1,7 Millionen Schüler/innen in Bayern Muslime sind. Diesen ist das Tragen von Kopftüchern übrigens erlaubt. Wie viele es tun: unbekannt. Auch Referendarinnen ist es gestattet, in der Schule ein Kopftuch zu tragen – der Staat darf das während der Ausbildung nicht verweigern. Doch wie viele das gemacht haben beziehungsweise ob es deshalb Probleme gab, kann das Kultusministerium ebenfalls nicht sagen.
Warnende Stimmen vor einer Verharmlosung des Kopftuchs kommen derweil von türkischstämmigen Politikerinnen muslimischen Glaubens: Das Kopftuch sei „für viele Frauen eben nicht selbstbestimmter Ausdruck des Glaubens, sondern eine Unterordnung in patriarchale Strukturen“, sagte die bayerische Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne) der Staatszeitung. Und die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün bedauerte in einem Rundfunkinterview nach dem Karlsruher Richterspruch, „dass der politische Islam seine vor 40 Jahren kreierte Konstruktion von diesem Kopftuch, was kein bisschen Haar sehen lässt, endlich auch in Deutschland in die Amtsstuben reinbekommen hat“.

Interessant wird, wie bayerische Eltern und Schüler mit dem Thema umgehen


So dramatisch sieht es ihr Parteifreund Markus Rinderspacher, Fraktionschef der SPD im bayerischen Landtag, nicht. Für ihn ist das Kopftuch „zunächst ein Symbol des muslimischen Glaubens“ und in vielen Fällen „keineswegs mit politisch-ideologischer Radikalität verbunden“. Spannend in den folgenden Monaten wird auf jeden Fall, welche Haltung an Bayerns Schulen dominiert. (Waltraud Taschner)

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