Politik

Streit um die letzte Halbe. Foto: DAPD.

05.11.2010

Wenn der Spaß aufhört

Die CSU-Forderung, die Sperrzeit wiedereinzuführen, stößt beim Städtetag auf Wohlwollen – Kritik kommt von der FDP

Um halb zwei Uhr nachts werden die Barbesitzer beim Weinfest im schwäbischen Irsingen an diesem Sonntag zur letzten Runde läuten. Denn eine halbe Stunde später müssen die Kneipen in dem zu Türkheim gehörenden Örtchen schließen. Grund: In Türkheim gilt zu besonderen Anlässen wie Volksfesten eine Sperrstunde.
Die Bürgermeister im Landkreis Unterallgäu, in dem die Gemeinde liegt, haben gemeinsam beschlossen, bei besonderen Festen die Nacht früh zu beenden. Sie wollen Lärm und Randale verhindern. Der Landkreis Unterallgäu ist derzeit eine der wenigen Gegenden in Bayern, in der flächendeckend eine Sperrstunde gilt.
Doch zahlreiche Christsoziale würden den frühzeitigen Schankschluss am liebsten auf den gesamten Freitstaat und auf jeden Tag ausdehnen. Der für Jugendschutz zuständige Staatssekretär Markus Sackmann (CSU) hat einen konkreten Vorschlag gemacht: Um drei Uhr sollen die Kneipen an normalen Tagen schließen, bei Volksfesten soll wie im Unterallgäu schon um zwei Uhr die Nacht vorbei sein.
Die Landtagsfraktion ist von der Idee ebenfalls angetan. „Wir fänden es gut, wenn in den Kneipen in ganz Bayern um drei oder wann auch immer Schluss wäre“, sagt Christian Meißner, innenpolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, im Gespräch mit der Staatszeitung. Jedes Jahr passierten mehr Straftaten nachts und unter Alkoholeinfluss, argumentiert der fränkische Abgeordnete. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, hegt, wie er dem Münchner Merkur sagte, „generelle Sympathie für eine solche landesweite Ausdehnung der Sperrstunde“.
Ganz anderer Meinung ist man dagegen beim kleinen Koalitionspartner: „Wir sehen das sehr skeptisch“, sagt Andreas Fischer, innenpolitischer Sprecher der Liberalen im Landtag, auf Anfrage. Es gebe „einzelne Brennpunkte in Bayern, wo es nachts immer wieder zu Problemen kommt“. Aber mit einer Sperrstunde sei „das nicht zu regeln“.
Die Idee der CSU-Landtagsfraktion ist nicht neu. Bereits bis Februar 2003 gab es im Freistaat eine Sperrstunde. Seither gibt es in Bayern nur mehr eine so genannte Putzstunde. Zwischen fünf und sechs Uhr müssen Kneipen und Diskotheken schließen.
Bis Februar 2003 wurden die Bürgersteige dagegen jeden Tag im ganzen Bundesland um ein Uhr hochgeklappt – zumindest in der Theorie. Denn die Kneipen und Discos konnten bei den städtischen Behörden schon damals Ausnahmegenehmigungen beantragen. Wegen der damit verbundenen Kosten machte nur ein kleiner Teil der Gastronomen davon Gebrauch. Klubs und Bars freilich hatten in Bayern – zumindest in den großen Städten wie München – meist schon damals bis in die frühen Morgenstunden geöffnet.


21 bayerische Gemeinden setzen auf eine Sperrzeit


2003 beschloss der Landtag dann eine Lockerung der formal geltenden Sperrzeit. Unter der Woche durften die Kneipen von da an – auch ohne extra Genehmigung – bis zwei Uhr nachts öffnen, am Wochenende bis drei. Und im Jahr 2005 legten sich alleLandtagsfraktionen einvernehmlich darauf fest, auf eine landesweite Regelung zu verzichten. Die Städte und Gemeinden sollten die Sperrzeiten von da an selbst festlegen.
Die CSU will jetzt wieder zurückrudern. „Zum einen passieren nachts immer mehr Verbrechen. Zum anderen funktioniert es nicht, dass die Gemeinden die Sperrzeiten selbst regeln“, sagt Meißner und fährt fort: „Der Bürgermeister der Gemeinde A wird den Kneipenbesitzern keinen Schlusspunkt setzen, wenn es sein Kollege aus Gemeinde B nicht auch tut.“
Doch Meißner weiß auch, dass der Koalitionspartner von der Idee nicht begeistert ist. „Unter Stoiber wurde die Sperrstunde abgeschafft. Wenn wir Liberale in der Regierung sind, werden wir sie bestimmt nicht wieder einführen“, hält Andreas Fischer von der FDP entgegen. „Die Kommunen können jetzt die Sperrstunde selbst festlegen, wir brauchen keine landesweite Regelung.“
Ein Sprecher des Bayerischen Städtetags widerspricht jedoch dieser Darstellung. Es sei für die Gemeinden rechtlich derzeit sehr schwierig, eine örtliche Sperrstunde einzuführen. Die Bürgermeister müssten diese gegenüber den Kneipen- und Diskothekenbesitzern der Orte sehr genau begründen. Lärmbelästigung oder Vandalismus muss nachgewiesen werden. Einen gültigen Nachweis zu bringen, sei „oft nicht einfach“.
Wenn es nach den Verantwortlichen im Städtetag ginge, würde bayernweit ab sofort von zwei bis sechs Uhr Nachtruhe herrschen. Außerdem sollen die Kommunen mehr Freiheit bekommen, um die Sperrstunde zu regeln. Falls eine Disco in einem Industriegebiet liegt, soll sie zum Beispiel problemlos bis zum Morgen öffnen dürfen.
Doch Sperrstunden gibt es auch jetzt schon in Bayern: 21 Gemeinden haben eine umfassende Sperrfrist eingeführt, in 24 weiteren Kommunen ist in manchen Gegenden zu einer bestimmten Uhrzeit die Nacht zu Ende. Ob demnächst bei allen Volksfesten und auch an normalen Tagen in Bayern früh Schluss sein wird, müssen die Koalitionspartner jetzt besprechen. „Wir werden das diskutieren“, sagen Fischer und Meißner. Zumindest darin sind sich FDP und CSU einig. Veronica Frenzel

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