Politik

Mit großen Hoffnungen sind Tausende Menschen nach Europa gekommen – doch sehr viele von ihnen dürfen nicht bleiben. (Foto:Getty)

23.09.2016

Wenn Geflüchtete nicht heimkehren

Die CSU will die Zahl der Abschiebungen erhöhen – tatsächlich reisen mehr Flüchtlinge freiwillig aus als unter Zwang

Spätestens seit der missglückten Ansage von CSU-Generalsekretär Scheuer zur Abschiebungspraxis ist klar: Die Rückführung nicht anerkannter Asylbewerber treibt die CSU fast ebenso stark um wie das Thema Obergrenze. Mit dem Unterschied, dass bei ersterem auch die SPD mitzieht – und ein kurz vor dem Abschluss stehendes Rückführungsabkommen mit Afghanistan unterstützt.
So mancher in der CSU stöhnte auf, als Scheuer kürzlich erklärte: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist – weil den wirst du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling.“ Versachlicht hat er das heikle Thema Abschiebungen, das diese Woche auch die CSU-Landtagsfraktion beschäftigt hat, damit nicht.

Dabei besteht in der Tat Handlungsbedarf. Denn die Zahl der Rückführungen abgelehnter Asylbewerber ist sehr niedrig. So wird im Fall von Geflüchteten aus Afghanistan zwar jeder zweite Asylantrag abgelehnt. Doch abgeschoben wurden deutschlandweit bislang nur 18 Afghanen.

In Bayern stellten dieses Jahr bis Ende August 15 651 Afghanen einen Asylerstantrag (bundesweit: 100 265). Allerdings wurde erst über 3433 der Anträge entschieden – also über ein Fünftel. Knapp die Hälfte (1624) wurde abgelehnt.

Die meisten Afghanen, die Deutschland inzwischen verlassen haben, sind freiwillig ausgereist: Bundesweit waren das mindestens 2300 – die genaue Zahl ist laut Bundesinnenministerium „nicht ermittelbar“. Nach den Syrern sind Afghanen die zweitgrößte Gruppe unter den Geflüchteten. Ebenfalls unklar ist, wie viele Flüchtlinge sich überhaupt in Deutschland aufhalten. So wurden im vergangenen Jahr zwar 1,1 Millionen Geflüchtete an der Grenze registriert. Doch ist unklar, ob alle von ihnen hier geblieben sind.

Die meisten Abgeschobenen stammen aus dem Westbalkan

Das größte Kontingent der Abgeschobenen stellen derzeit Menschen aus den Westbalkanländern Kosovo, Serbien, Albanien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina. Insgesamt wurden aus Deutschland im Jahr 2015 knapp 21 000 Menschen abgeschoben, rund 37 000 reisten freiwillig aus. Im ersten Halbjahr 2016 gab es rund 13 000 Abschiebungen. Im Unterschied zu früher scheitern Abschiebungen inzwischen nicht mehr daran, dass Gerichte jahrelang damit beschäftigt sind, über Klagen abgelehnter Asylbewerber zu befinden. Sondern daran, dass die Geflüchteten keine Pässe haben, sich deren Heimatländer weigern, die Menschen aufzunehmen oder daran, dass die Betroffenen etwa wegen Krankheit nicht reisefähig sind. Ein Rückführungsabkommen mit Afghanistan soll jetzt sicherstellen, dass das Land seine nach Deutschland geflüchteten Bürger zurücknimmt. Wozu ein Land nach völkerrechtlichen Grundsätzen zwar verpflichtet ist, dies aber dennoch oft nicht tut.

Während die SPD den Afghanistan-Deal unterstützt, sind die Grünen entsetzt

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums steht der Afghanistan-Deal kurz vor der Realisierung. Der Berliner Koalitionspartner SPD unterstützt den Plan. „Derlei Abkommen sind in Ordnung, das muss man machen“, erklärt der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, Franz Schindler (SPD). Zwar warnen Experten wie Elke Grawert vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn davor, Menschen dorthin zurückzuschicken; das Land sei nicht sicher genug. Die Grünen sind ohnehin entsetzt. Die Befürworter beharren aber darauf, dass in Teilen Afghanistans Frieden herrsche. Bei der Klausur der Landtags-CSU bekräftigte Fraktionschef Thomas Kreuzer jetzt seine Linie: weniger Nachsicht mit Ausreisepflichtigen, die sich gegen ihre Heimkehr sträuben, mehr Anreize für solche, die freiwillig gehen wollen. Wenn eine Abschiebung etwa wiederholt daran scheitere, dass einzelne Familienmitglieder nicht auffindbar seien, müsse es möglich sein, erst mal einen Elternteil mitsamt der anwesenden Kinder abzuschieben.

Um die Zahl der freiwilligen Ausreisen zu erhöhen, will die CSU die staatliche Rückkehrförderung erleichtern. Derzeit läuft diese vor allem über die Internationale Organisation für Migration (IOM), sie organisiert die freiwillige Rückkehr im Auftrag des Bundes und der Länder. Ausreisende erhalten ein Flugticket, eine Reisebeihilfe sowie eine Starthilfe fürs Heimatland, die im Höchstfall 500 Euro beträgt. Bayern hat für dieses Programm im Jahr 2015 insgesamt 3,9 Millionen Euro gezahlt. Diese Summe, sagt Kreuzer, solle zwar nicht erhöht, dafür aber die Bearbeitung von Anträgen erleichtert und beschleunigt werden.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. DerKritischeLeser am 25.09.2016
    Niemand in der britischen Öffentlichkeit benutzt solche (bewusst!) emotionalisierten Begriffe wie "Geflüchtete" oder, noch aufreizender, "Schutzsuchende" wie die Medien und manche Volksvertreter hierzulande. Presse wie Politik in GB sprechen neutral von "Migrants". Ab und an ein Blick in The Times, die älteste und immer noch beste Zeitung der Welt, würde deutschen Journalisten nicht schaden.
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.