Politik

Atommüll im Bayerischen Wald? Thurmansbangs Bürgermeister Martin Behringer kündigt schon mal Widerstand an. (Foto: DAPD)

11.11.2011

Wer suchet, will nicht immer finden

Atomendlager in Bayern? Bundesumweltminister Röttgen lädt die Länder zum Atom-Gipfel

Martin Behringer (FW) ist nervös. Der Bürgermeister von Thurmansbang im Bayerischen Wald befürchtet, dass hoch verstrahlter Müll aus Atomkraftwerken in seiner Region landen könnte. Mit dem Verein Bürgerinitiative gegen ein geplantes Endlager im Saldenburger Granit hat er bereits Geld für den Widerstand gespart. „Ein Endlager bei uns wäre der absolute Totschlag für die Region“, sagt er. „Wer möchte schon auf einem Atomendlager Urlaub machen?“
Am heutigen Freitag trifft Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Berlin Vertreter aller Bundesländer, um über einen Neustart der Endlagersuche zu verhandeln. Fast 30 Jahre lang hatte sich die Politik in der Endlagerfrage auf Gorleben konzentriert. Jetzt aber sollen dringend Alternativstandorte her, auch weil es von Kernkraftgegnern erhebliche Zweifel an der Sicherheit des Salzstocks in Niedersachsen gibt. Selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betont, dass auch in Bayern nach einem Endlager gesucht werden müsse. In Frage kommen Salz, Ton oder Granit als so genannte Wirtsgesteine. Zwei Regionen hat das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) deshalb im Freistaat im Blick: den Bayerischen Wald mit seinen Granit-Vorkommen und die Tonvorkommen im Donau-Grenzgebiet zwischen Bayern und Baden-Württemberg.

41 Prozent der Bayern haben nichts gegen ein atomares Endlager


Ein Atommüll-Endlager in Bayern? Immerhin 41 Prozent der Menschen im Freistaat würden das akzeptieren, so das erstaunliche Ergebnis einer aktuellen Emnid-Umfrage im Auftrag des Focus. Fakt ist aber auch, dass Bayern gemeinsam mit Baden-Württemberg am meisten hochradioaktiven Müll produziert. Fünf der 17 deutschen Atomkraftwerke stehen im Freistaat. Seehofer schickt seinen neuen Umweltminister zum Atom-Gipfel nach Berlin. „Bei der Endlagersuche geht es um Geologie, nicht um Ideologie“, sagt Marcel Huber (CSU) der Staatszeitung. Und betont, dass sich Bayern einer ergebnisoffenen Endlagersuche nicht verschließe.
Ergebnisoffen – das ist das Zauberwort der Debatte. Denn welche Suche macht auch Sinn, wenn man gar nichts finden will. Finden will man in Berlin allerdings erst einmal die geeigneten Kriterien für die Suche nach dem „besten“ Standort. Und bereits Hubers Vorgänger Markus Söder (CSU) hatte immer wieder betont, der liege nicht in Bayern. „Auf Grundlage der geologischen Gegebenheiten in Deutschland ist es unwahrscheinlich, dass in Bayern ein geeigneter Endlagerstandort gefunden wird“, sagt auch Huber mit Blick auf eine Untersuchung des bayerischen Landesamts für Umwelt. „Und unsere Granit- und Tonschichten sind zu zerklüftet oder zu dünn.“
Also sucht man ergebnisoffen ein Ergebnis, das man ohnehin schon kennt? „Seehofer spielt hier den guten Onkel, geht aber davon aus, dass sowieso nichts kommt“, sagt Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler in Bayern. „Der Atom-Gipfel wird nichts als heiße Luft produzieren“, prophezeit er. Und nennt das „einen politischen Skandal“. Schließlich werde hier Zeit verschwendet, um ein viel dringlicheres Problem zu lösen: die sichere Zwischenlagerung des Atommülls, der „oberirdisch in Castor-Behältern herumliegt“.

Was Geologen sagen


Bei SPD, Grüne und FDP allerdings ist man sich einig, dass die Endlagerfrage ebenso dringend angegangen werden muss – auch mit einer Suche innerhalb der bayerischen Grenzen. „Wir dürfen das Problem nicht auf die kommenden Generationen verschieben“, sagt Tobias Thalhammer, umweltpolitischer Sprecher der FDP. Allerdings glaubt auch er nicht an einen geeigneten Standort in Bayern. „Die bayerische Staatsregierung soll sich raushalten und Fachmänner, also Geologen, ranlassen“, fordert SPD-Mann Ludwig Wörner.
Denn die Spezialisten sind sich keineswegs so einig wie Söder und Huber über die Nicht-Eignung der bayerischen Standorte als Endlager. Volkmar Bräuer leitet beim BGR die Abteilung für Unterirdischen Speicher- und Wirtschaftsraum und erklärt: Bis man alle nötigen Informationen habe, seien sämtliche Regionen „auf dem gleichen Level“. Denn ein Problem sei auch: Die bisherigen Studien, die es zu den Ton- beziehungsweise Granitregionen gibt, basierten allein auf Archiv- und Literaturmaterial.
Ursprünglich wollte Röttgen bis zum Jahreswechsel ein Gesetz vorlegen, das das Verfahren zur Standort-suche festlegt – das kommt jetzt erst 2012. Bis 2014 sollen vier mögliche Standorte ausgewählt werden. Auf zwei Regionen will man sich bis 2021 festlegen, die dann eingehend untersucht werden. Bürgermeister Behringer hat also noch Zeit, um für seinen Widerstand weiterzusparen. Und Gorleben ist ja auch noch nicht aus dem Rennen. Umweltminister Huber: „Sollte sich die Eignung des Standorts Gorleben bestätigen, besteht für die Fortsetzung eines Endlagersuchverfahrens keine Notwendigkeit mehr.“
(Angelika Kahl)

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