Politik

Angela Merkel und Horst Seehofer im Juni bei der Klausur der Unions-Spitzen. Ob die CSU die Bundeskanzlerin zum Parteitag in München einlädt, ist immer noch nicht entschieden. (Foto: dpa)

25.10.2016

Wer, wie, was? Die Union sucht neue Zukunft

Die CSU könnte mit der Tradition brechen und den Kanzler der Schwesterpartei CDU nicht zum Parteitag nach München einladen. Ein knappes Jahr vor der Bundestagswahl ist das aber weder das einzige noch das größte Problem der Union

Kommt sie, oder kommt sie nicht? Weniger als zwei Wochen vor dem großen CSU-Parteitag in München weiß selbst Parteichef Horst Seehofer noch nicht, ob Kanzlerin Angela Merkel eingeladen wird. "Auch dieser Punkt ist nicht endgültig entschieden", mehr sagt er nicht, zumindest öffentlich, wie an diesem Montag in der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Seehofer?". Nach Wochen des Polterns und Streits über Obergrenze und Grenzkontrollen gibt sich Seehofer bei der Aufzeichnung in München stattdessen betont themenorientiert und im Einklang mit der CDU-Chefin im fernen Berlin.

"Wir sind übereinstimmend der Meinung, die Positionen, die wir am Ende gemeinsam vertreten, müssen ehrliche Positionen sein. Wir müssen inhaltlich keine Inszenierung aufführen, es muss belastbar sein für die Mitglieder und die Bevölkerung", betont Seehofer. Dies sei, so seine Botschaft, kein Zeichen für einen noch andauernden Streit, sondern für eine noch laufende Aufarbeitung. Doch weder in der CSU noch in der CDU wird mit einem Merkel-Besuch beim Parteitag in München gerechnet. "Das würde eine Katastrophe", sagt ein Mitglied des CSU-Vorstandes.

"Wenn wir gemeinsam auf Parteitagen auftreten, wollen wir die Union nach vorne bringen, der Öffentlichkeit sagen, wie wir weiter regieren wollen und keine Kontroverse austragen", betont Seehofer. Die Bundesregierung habe ihre Zuwanderungspolitik in der Praxis ja längst geändert, nicht nur - aber auch - wegen des Drucks der bayerischen Schwesterpartei. Die Flüchtlingszahlen seien gesunken. Und das letzte Jahr, das habe auch Merkel gesagt, dürfe sich nicht wiederholen. Die Suche nach Lösungen für die Zukunft, etwa im festgefahrenen Streit um eine Obergrenze, müsse aber hinter verschlossenen Türen geschehen.

Seehofer zur Obergrenze: "Ich habe nicht vor, meine Position aufzugeben"

Wie die aussehen könnte, liefert Seehofer aber gleich mit: Für ihn sei auch denkbar und akzeptabel, diesen Punkt nicht einvernehmlich mit der CDU zu klären. In der Vergangenheit hätte die CSU dies bereits mehrfach so gehandhabt, wenn die CDU anderer Meinung gewesen sei, etwa bei der Mütterrente. Auch Merkel hat schon bekundet, dass sie mit dem Dissens leben kann.

Noch sei aber nicht aller Tage Abend, sagt Seehofer. "Wir sind im Gespräch, haben sehr viele Vier-Augen-Gespräche geführt, auch diese Woche, werden uns Ende dieser Woche in Berlin wieder treffen." Aber, und das macht Seehofer auch deutlich: "Ich habe nicht vor, meine Position aufzugeben. Ich kann nicht zwölf Monate für eine Begrenzung eintreten, um dann im 13. Monat einzulenken." Denn für die CSU gehe es bei der Bundestagswahl um die Existenz.

Es sei nun mal seine Aufgabe als Parteichef, die gespaltene Ansicht in der CSU zu Merkel zusammenzuführen. Zudem sei es an ihm, die CSU bestmöglich für die harte Bundestagswahl 2017 vorzubereiten. "Ich wäre bereit, mein Amt als Parteivorsitzender nächstes Jahr zur Verfügung zu stellen, um unsere personelle Basis zu verbreitern und in Berlin ein Stück weit mehr Durchschlagskraft zu bekommen." Allerdings hat Seehofer schon mehrfach Äußerungen wieder einkassiert.

In der CSU gehen die Meinungen zu einer erneuten Kanzlerkandidatur der CDU-Chefin weit auseinander. Zuletzt hatten sich am Wochenende einige namhafte CSUler, darunter Parteivize Manfred Weber, für eine vierte Kanzlerschaft Merkels ausgesprochen. Seehofer wollte sich an der Debatte aber ebenso wenig beteiligen, wie an der offenen Suche nach einem neuen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten.

Kanzlerkandidatur: Merkels Zögern sorgt zunehmend für Verunsicherung

Wie Seehofer spielt auch Merkel selbst die Bedeutung, ob sie beim CSU-Parteitag am 4. und 5. November in München auftritt oder nicht, herunter. Es sei auch kein Weltuntergang, wenn sie nicht dabei sei, sagte sie nach Teilnehmerangaben in einer Vorstandssitzung ihrer Christdemokraten am Montag in Berlin. Aus dem Vorstand verlautete ferner, dass es ihr ganz recht sein könnte, den Christsozialen nicht auf offener Bühne zu begegnen.

Denn erstens habe sie die Demütigung aus dem Vorjahr nicht vergessen, als Seehofer sie auf eben einer solchen CSU-Parteitagsbühne maßregelte, als wäre sie ein ungezogenes Schulmädchen. Und zweitens wäre ihre Kommunikation mit den Delegierten in der jetzigen Phase auch deshalb schwer, weil sie noch nicht bekanntgegeben hat, ob sie wieder Kanzlerkandidatin der Union werden will. Nicht Fisch, nicht Fleisch - damit könnten weder sie noch Seehofer die Reihen der CSU hinter sich schließen.

Merkels Zögern mit dem Ja - beziehungsweise Nein - zu einer vierten Kanzlerkandidatur sorgt zunehmend für Verunsicherung in der Union, auch wenn CDU-Generalsekretär Peter Tauber das "nicht spürt". Vielleicht nicht spüren will. Viele Mitglieder fragen sich, was so schwer daran ist, nach elf Jahren in dem Amt kurz vor Beginn des Wahljahres eine Entscheidung zu treffen. CDU-Spitzen deuten Merkels Abwarten als Suche nach dem richtigen Zeitpunkt, wann sie den Bürgern glaubhaft darlegen kann, dass sie die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen habe. Dafür muss sich aber vor allem die Stimmung im Land verbessern - denn verschärft hat Merkel ihren Kurs schon lange.

Als Tendenz, dass sie sich beim CDU-Parteitag Anfang Dezember in Essen wieder für den Vorsitz bewirbt, kann gewertet werden, dass der Vorstand ihres Heimat-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern die 62-Jährige wieder für das Amt nominiert hat. Merkel habe an der Vorstandssitzung am vergangenen Freitag selbst teilgenommen, heißt es. Sie würde ihre eigenen Leute verstören, wenn sie sich nominieren ließe und dann nicht "springt". Und wenn sie als CDU-Chefin wieder antritt, will sie auch Kanzlerkandidatin werden - zumindest darauf hat sie sich schon festgelegt: Die beiden Ämter müssen aus ihrer Sicht in Personalunion ausgeübt werden. (Marco Hadem und Kristina Dunz, dpa)

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