Politik

Bayerns Landesbank muss Altlasten bekämpfen. (Foto: dpa)

30.04.2010

Werben um die schiache Braut

Landesbankmisere: Was wusste Stoiber?

In den Büros der Mitglieder des Landesbank-Untersuchungsausschusses stapeln sich die Aktenberge. Stück für Stück laufen die aus den Ministerien und der Staatskanzlei angeforderten Dokumente ein. Verträge, Vermerke, Schriftverkehre sind darunter, und natürlich die Sitzungsprotokolle aus dem Landesbank-Verwaltungsrat. Nach einer ersten Sichtung hat Ausschuss-Vize Harald Güller (SPD) noch nicht viel Neues in den Schriftstücken entdeckt. Wobei er ohnehin spannender findet, was dort nicht drinsteht. Zum Beispiel sieht Güller die Vermutung bestätigt, dass es die von der Staatsregierung entsandten Kontrolleure mit ihrer Aufsichtspflicht nicht so ernst genommen haben. Nachfragen zum Kauf der Kärntner Hypo Group Alpe Adria (HGAA) habe es seitens der Minister und Staatssekretäre so gut wie keine gegeben – wenn die Herren denn überhaupt zugegen gewesen seien. Auf eine Anfrage der SPD-Fraktion musste die Staatsregierung einräumen, dass der seinerzeitige Innenminister Günther Beckstein von 2005 bis 2007 nur an neun von 31 Verwaltungsratssitzungen teilgenommen hatte, der damalige Wirtschaftsminister Erwin Huber und Innenstaatssekretär Georg Schmid nur an jeder zweiten Sitzung. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nannte das notorische Fehlen der Minister ein „bisher ungeahntes Ausmaß an mangelndem Pflichtbewusstsein“. Beckstein und Huber verteidigten sich damit, dass sie zumeist gleichwertig von ihren Staatssekretären oder Spitzenbeamten vertreten worden seien. Für die Arbeit des Untersuchungsausschusses leiten sich daraus laut Güller Konsequenzen ab. „Wenn ordentliche Mitglieder des Verwaltungsrates bei den uns interessierenden Sitzungen nicht anwesend waren, dann müssen wir ihre Stellvertreter anhören“, sagte Güller. Er will deshalb die Zeugenliste zumindest um den damaligen Wirtschaftsstaatsekretär Hans Spitzner ergänzen, der Huber in der für den HGAA-Kauf fraglichen Zeit vier Mal im Verwaltungsrat vertreten hatte. In der Priorität der Zeugen nach vorne gerutscht ist derweil Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber. Zwei Aktenvermerke aus der Staatskanzlei lassen nämlich vermuten, dass Stoiber im Sommer 2007 durchaus im Bilde gewesen sein muss, welch „schiache“ Braut sich die BayernLB da in Österreich zu angeln gedachte. „Stoiber hätte die Notbremse ziehen können“, schloss SPD-Ausschussmitglied Inge Aures aus den Akten. Für die interessiert sich nun auch die Staatsanwaltschaft. Nach Medienberichten ließen sich die Ermittler am Montag in der Staatskanzlei und in Stoibers Münchner Büro Unterlagen zur weiteren Prüfung aushändigen. Der Betroffene erklärte dazu, er könne sich nicht an Hinweise erinnern, dass die BayernLB mit dem Kauf der HGAA besondere Risiken eingehe. Für neue Betriebsamkeit sorgt auch ein jetzt bekannt gewordenes Schreiben der von der Landesbank zur Überprüfung der Vorgänge beauftragten Kanzlei Hengeler Mueller. Demnach drohen die Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Vorstände und Verwaltungsratsmitglieder in Sachen HGAA demnächst zu verjähren. Während aus dem Finanzministerium Entwarnung kommt, will die Landesbank-Kommission des Landtags lieber nichts anbrennen lassen. Deren Vorsitzender Ernst Weidenbusch (CSU) hält im Zweifelsfall „verjährungsunterbrechende Maßnahmen“ für geboten. Vor dem Hintergrund der Sünden aus der Vergangenheit hat der neue Vorstandschef der BayernLB, Gerd Häusler, sein Amt angetreten. Schon seinen ersten öffentlichen Auftritt nutzte der international versierte Bankenfachmann, um sich von seinen Vorgängern zu distanzieren. Künftige Expansionsbestrebungen der Bank müssten ausschließlich den Kunden dienen und nicht der „Selbstverwirklichungsphilosophie von Vorständen“, betonte er. Von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat Häusler zwei Arbeitsaufträge bekommen: Er soll die Rentabilität der Bank so weit steigern, dass sich der Freistaat als Eigentümer zurückziehen kann, „sobald dies wirtschaftlich und fiskalisch vertretbar ist“. Und Häusler soll so viel wie möglich von den 10 Milliarden Euro zurückzahlen, die der Freistaat Ende 2008 zu ihrer Rettung in die Bank gepumpt hat. Häusler will schon heuer mit Zahlungen beginnen, „die wir unseren Gläubigern schulden“, in drei bis vier Jahren hofft er, dass die BayernLB interessant für Investoren ist. Am Eifer des neuen Verwaltungsrates hat Häusler nichts auszusetzen. Das Gremium zeichne sich durch „großen Wissensdurst“ aus. Vor drei Jahren scheint das noch anders gewesen zu sein. (Jürgen Umlauft)

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