Wie sieht die Zukunft Europas aus? Ganz im Zeichen dieser Frage stand vergangene Woche ein zweitägiger Kongress in Passau und der Tagungsort hatte Symbolcharakter: Muss die Drei-Flüsse-Stadt doch aktuell das Flüchtlingsproblem bewältigen. Die Antworten auf der Tagung, die unter der Schirmherrschaft von Vizekanzler Siegmar Gabriel stand, lauteten von der Forderung nach mehr Europa-Begeisterung bis hin zum Vorschlag eines „Neustarts“. Auch die Wirtschaft war hochkarätig vertreten, so kam Airbus-Chef Thomas Enders standesgemäß mit dem Hubschrauber eingeflogen.
„Hat Europa eine Zukunft? Ist unser Kontinent eine echte Wertegemeinschaft oder nur Wirtschaftsraum?“, mit diesen Worten begrüßte am vergangenen Donnerstag Fritz Audebert von der Icunet AG und Initiator des „NewHorizons“-Kongresses die Gäste, darunter Politprominenz wie Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Für den war es ein Heimspiel, wohnt er doch in Passau. In der „Redoute“ konstatierte dann Schauspieler Miguel Herz-Kestranek in seinem Impulsreferat angesichts diverser Zentrifugalkräfte: „Das Projekt Europa scheint in Gefahr.“ Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum alleine genüge nicht, was fehle sei Leidenschaft und Begeisterung, die Menschen müssten mit „Herz und Seele“ dabei sein, gebe es doch ein Bedürfnis nach emotionalen Beziehungen.
Debatte nicht den Anti-Europäern überlassen
Wie wird Europa von außen gesehen und was kann die Wirtschaft als Lösung anbieten, diese Themen beherrschten die erste Diskussionsrunde des Kongresses am Freitag. Mit dabei der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP), er forderte, man dürfe den Anti-Europäern nicht die Debatte überlassen. Der Euro sei als Einheitswährung ein großes Integrationsinstrument und werde in Asien sehr positiv gesehen. Aber es werde auch nach dem Standpunkt Europas zu globalen Themen gefragt, kritisiert werde, dass Europa zu sehr mit sich selbst beschäftigt sei. Für Alexander Welzl vom Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut Economica ist Europa in erster Linie ein Friedensprojekt, das aber permanente Arbeit erfordere. Innovative Unternehmen müssten auch Risiken eingehen, hier könne die europäische Politik von der Ökonomie lernen: Etwa sich auf offene Grenzen einzulassen. Als ein positives Beispiel der Wirtschaft wurde in der Debatte die Existenz der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) genannt, die als „Hidden Champions“ in ihrem Bereich Marktführer sind. Dafür stand in der Diskussionsrunde Kourosh Pourkian von der Firma Baader. Das Lübecker Unternehmen ist Weltmarktführer bei Fischentgrätungsmaschinen und beschäftigt 1100 Mitarbeiter an 70 Standorten. Pourkian: „Jede Faser des Fisches wird verwertet.“ Wirtschaftsforscher Welzl kritisierte, dass europäische Banken – anders als derzeit in China – die Patente dieser KMUs nicht als Sicherheit für Kredite ansehen würden.
Turbulente Diskussion
Am Nachmittag prägte die Spannung zwischen ethischen Anforderungen an die Wirtschaft und deren Selbstverständnis eine turbulente Diskussion. Geladen hatte dazu der evangelische Landesbischof und Vorsitzende des Rates der EKD Heinrich Bedford-Strohm in die evangelische Stadtpfarrkirche St. Matthäus. Für den Evangelen ist Europa vor allem ein Friedensprojekt, das allerdings bedroht ist: „Deswegen mache ich mir heute Sorgen“. Von den Unternehmen forderte er Verantwortung ein, zum Beispiel was den CO2-Austoß betrifft. Kein Blatt nahm in dieser Hinsicht allerdings Thomas Enders, Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns Airbus vor den Mund: „Die erste Aufgabe ist es, das Unternehmen voran zu bringen. Ich engagiere mich nicht an solchen Diskussionen, wie man die Welt verbessern kann.“ In Sachen Europa forderte er, Englisch als einzige Amtssprache in der Union durchzusetzen. Die derzeitige Politik des Bundesregierung in Sachen Kriegsflüchtlinge aus Syrien kritisierte Enders als „Salto Mortale“ über Nacht ohne Abstimmung mit den europäischen Nachbarn. CSU-Generalsekretär Scheuer sah in seinem Diskussionsbeitrag „massive Tendenzen“ eines „auseinanderfallenden Europa“. Die Wahlerfolge antieuropäischer Parteien sei eine besorgniserregende Entwicklung. Außenpolitisch mangele es der Union an einer gemeinsamen Haltung wie zum Beispiel in der Syrienfrage. Für Elke Lücke, Leiterin Personalentwicklung beim Autobauer Porsche, beruht der Erfolg der Marke in der Besinnung auf die eigenen Wurzeln. Porsche sei sowohl ein traditionelles wie auch sehr innovatives Unternehmen.
Die letzte Diskussionsrunde des Kongresses war der Kultur gewidmet. Hier warf der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner die Idee eines „Neustarts“ in Europa in die Runde. Damit könnten Konstruktionsfehler der bisherigen Union beseitigt werden.
(Rudolf Stumberger)
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