Politik

Jetzt sollen per Gesetz mehr Frauen in die Aufsichtsgremien – die Grünen sprechen von einem „Quötchen“. (Foto: dpa)

11.07.2014

Wo die Quote drückt

Die 30-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte betrifft rund 20 Unternehmen im Freistaat – fast alle sind davon noch weit entfernt

Seit Jahren wird über sie gestritten: eine gesetzliche Frauenquote. Und jeder Vorstoß vom großen Geheul der Bosse begleitet. Auch die schwarz-gelbe Bundesregierung glaubte bis zuletzt an eine freiwillige Selbstverpflichtung. „Der Versuch ist gescheitert“, betont Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Sie arbeitet mit Justizminister Heiko Maas (SPD) an einem Gesetz, das bei Neubesetzungen in den Aufsichtsräten ab 2016 eine Quote von 30 Prozent für börsennotierte und mitbestimmte Aktiengesellschaften vorsieht. Erfüllt ein Unternehmen die Quote nicht, soll der Stuhl leer bleiben.
Im Familienministerium rechnet man mit rund 100 betroffenen Unternehmen. Allein 20 davon haben ihren Sitz in Bayern. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) wettert: „Jedes Unternehmen und jede Branche sind anders. Starre Zielvorgaben für eine Frauenquote sind der falsche Weg.“ Zudem betont er, dass sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen zuletzt deutlich erhöht hätte – auch ohne Quote.
Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren auch in die Aufsichtsräte immer mehr Frauen entsandt oder gewählt. Allerdings: Echte Gleichberechtigung findet sich dort längst nicht. In den 20 bayerischen Aufsichtsräten, die die 30-Prozent-Quote  umsetzen müssten, sitzen 287 Männer und nur 56 Frauen. Macht eine Quote von 19,5 Prozent. Allianz und MAN bleiben  außen vor – sie sind Europäische Aktiengesellschaften (SE), hier greift das Europarecht.
Lediglich drei der im Freistaat von der Quote betroffenen Konzerne erfüllen sie bereits: Telefonica (42 Prozent),  Munich Re (40 Prozent) und Adidas (33 Prozent).  BMW, Siemens (beide 25 Prozent) und das Röhn Klinikum (20 Prozent) sind am nächsten dran. Osram (18 Prozent), Bauer, Infineon, Grammer, Linde, Krones, Leonie und MTU (alle 17 Prozent) haben noch jede Menge Aufholbedarf. BayWa, Wacker (beide 12,5 Prozent), Audi (10 Prozent), Kuka, Nürnberger Beteiligung, König & Bauer (alle 8 Prozent) könnte das Gesetz in eine echte Bredouille bringen.

Wirtschaft: Quote ist nicht zielführend

Fast alle Unternehmen – egal ob mit großem oder kleinen Frauenanteil –  halten eine Geschlechterquote von 30 Prozent für nicht „zielführend“. Einige wollten sich erst gar nicht dazu äußern. „Eine feste Quote würde die Unternehmen bei der Auswahl geeigneter Kandidaten einschränken“ heißt es etwa beim Chemiekonzern Wacker. Die oder der Beste/-r müsse den Job bekommen – das ist das Hauptargument der Konzerne. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass Frauen heute im Schnitt besser ausgebildet sind als Männer. Kurios: Beim Druckmaschinenhersteller König & Bauer befürchtet man mit einer Zwangsvorgabe gar eine „Benachteiligung der Männer“.
Das Gesetzesvorhaben soll nun erst einmal mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Ländern abgestimmt werden. Auch von der IHK für München und Oberbayern kommt eine kategorische Absage. In Branchen wie der Metall- oder Automobilindustrie mit wenigen weiblichen Mitarbeitern wäre eine Quote  nicht zu leisten, sagt Referatsleiterin Elfriede Kerschl. Der DGB dagegen befürwortet Geschlechterquoten. Verena Di Pasquale, Vize-Vorsitzende DGB Bayern aber betont: „Bei Verstößen müssen wirkungsvolle Sanktionen greifen.“
Auch im bayerischen Sozialministerium wird das Gesetz begrüßt: „Seit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft im Jahr 2001 hat sich die Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen nicht hinreichend erhöht“, es sei  daher „folgerichtig“, so ein Sprecher. Auch die Fraktionen im Landtag sind für eine Quote – bis auf die Freien Wähler. Deren frauenpolitische Sprecherin Eva Gottstein fordert stattdessen Maßnahmen unter anderem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Für SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher schließt das eine das  andere nicht aus. Er fordert: „Wir müssen die verkrusteten Strukturen, in denen oftmals Männer ihre Posten nur an Männer weiterreichen, endlich gesetzlich durchbrechen.“ Und auch die CSU-Frauenpolitikerin Ute Eiling-Hüttig sagt ganz klar: „Ich favorisiere eine Frauenquote.“ Frauen in Spitzenpositionen seien kein Selbstläufer.
Gar nicht zufrieden mit Schwesigs Vorhaben sind die Landtags-Grünen. Bei einer Quote von 30 Prozent könne „ernsthaft doch nur von einem Quötchen gesprochen werden“, kritisiert die frauenpolitische Sprecherin Verena Osgyan. „Und die Unternehmen lachen sich ins Fäustchen.“ Statt der „Light-Quote“ fordert sie eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte und Regelungen zu den Führungspositionen. Rinderspacher hält das Gesetz für einen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sieht auch er noch großen Handlungsbedarf. Bei den Aufsichtsräten von Beteiligungsunternehmen des Freistaats beträgt der Frauenanteil gerade einmal 13,5 Prozent. Er fordert auch für sie eine Quote. Im  Söder-Ministerium, zuständig für Staatsbetriebe und -beteiligungen, eiert man bei dieser Frage herum: Gemäß eines Landtagsbeschluss wolle man erst mal über die Praxis bei der Besetzung dem Landtag berichten. (Angelika Kahl)

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