Politik

Schuldentilgungsplan: Bayerns Finanzminister Markus Söder soll nachbessern. (Foto: dapd)

16.03.2012

Zahlenjongleure im Stress

Die CSU will Schulden tilgen, findet Söders Plan jedoch zu vage - jetzt hat auch die SPD das Thema entdeckt

Es hat etwas gedauert. Doch nach der Schockstarre über den Schuldentilgungscoup von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat nun auch die SPD ein Grundlagenpapier für die finanzpolitische Zukunft des Freistaats vorgelegt. Elf Seiten umfasst die Beschlussvorlage für den kleinen Parteitag am 24. März in Bamberg. Die SPD fordert darin ebenfalls eine Schuldentilgung, ein konkretes Ziel wie Seehofers Schuldenfreiheit bis 2030 findet sich aber nicht. Man wolle ja schließlich seriös bleiben, betont Pronold. Als ob sich konkret und seriös ausschließen würden.
Drei Schwerpunkte hat die SPD definiert. Sie will die Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung, Forschung, Infrastruktur und Energiewende hochhalten, die Handlungsfähigkeit von Städten und Gemeinden stärken und Schulden abbauen. Gelingen soll das vor allem durch höhere Staatseinnahmen. Das Wort „Steuererhöhung“ meidet Pronold, er spricht lieber von der Rücknahme der jüngsten Steuergeschenke von Schwarz-Gelb. Allein das brächte Bayern jedes Jahr etwa 500 Millionen Euro, sagt er. Zudem will die SPD konsequenter Steuern eintreiben, unnötige Subventionen streichen und die Verwaltung straffen.

SPD: "Luftummern und Tricksereien"


 Nach Einschätzung des SPD-Finanzexperten Volkmar Halbleib ist das vergangene Woche von Finanzminister Markus Söder (CSU) vorgelegte Tilgungskonzept dagegen eine „Kombination von Absichtserklärungen, Luftnummern und Tricksereien“. Auch in der Regierungskoalition traut man dem Werk noch nicht so recht.
Der Koalitionsausschuss hat den Plan zum „Feinschliff“ an Söder zurückgegeben, die FDP stört sich vor allem an der starren Vorgabe, ab 2015 jährlich ein Prozent der freistaatlichen Steuereinnahmen in die Schuldentilgung zu stecken. Mehr „atmen“ müsse der Tilgungsplan je nach Konjunkturlage, fordert FDP-Haushälter Karsten Klein, und beim Abbau der Kreditzinslast sehen die Liberalen noch „Luft nach oben“.
Die FDP will der CSU das Tilgungsthema nicht so einfach überlassen. Immerhin waren sie es, die im letzten Herbst den Schuldenabbau auf die Tagesordnung gebracht und dafür von der CSU bestenfalls mitleidige Blicke geerntet hatten.
Halbleib hält Söders Tilgungsplan für die Gesamtschulden Bayerns in Höhe von gut 32 Milliarden Euro für unseriös. Zunächst sei es illusorisch, dass die Landesbank die aus ihrer Rettung resultierende Schuldenlast von zehn Milliarden Euro selbst abtragen könne. Zweitens würden die Altschulden getilgt, indem die Pensionsrücklage für die Beamten nicht wie gesetzlich gefordert aufgefüllt werde. Bis 2018 würden dadurch in der Vorsorgekasse fast drei Milliarden Euro fehlen – alles zukünftige Schulden, so Halbleib.
FDP-Mann Klein macht da eine andere Rechnung auf. Wenn die Schuldentilgung 2030 abgeschlossen sei, habe man jährlich eine Milliarde Euro frei, um die Beamtenpensionen zu zahlen. Aus dem Vorsorgetopf wären bestenfalls 600 Millionen zu erwarten.

Kommunale Schulden rücken in den Fokus


Und dann ist da noch der Länderfinanzausgleich. Hier will die Staatsregierung spätestens ab 2019 eine Milliarde weniger einzahlen und das Geld für die Tilgung nutzen. SPD-Mann Halbleib findet die Pläne jedoch „hochspekulativ“.
 Für Halbleib ist die Schuldentilgung des Freistaats ohnehin nur eine Seite der Medaille. Sein Blick richtet sich auch auf die kommunalen Schulden, die in Bayern fast ein Drittel der öffentlichen Gesamtschuldenlast ausmachen – so viel wie in keinem anderen Bundesland. Würden die nur auf das Niveau Baden-Württembergs abgesenkt, müssten Städte und Gemeinden 5,3 Milliarden Euro tilgen. Nicht ohne Grund rückt deshalb der kommunale Finanzausgleich in Bayern mehr und mehr ins Zentrum der finanzpolitischen Debatte. Der ist zwar heuer mit 7,2 Milliarden Euro so hoch wie nie zuvor, doch sehen sich vor allem kleine und strukturschwache Gemeinden benachteiligt.
Für Joachim Hanisch (Freie Wähler) ist es nicht nachzuvollziehen, dass die Staatsregierung für einen gerechteren Länderfinanzausgleich kämpfe, die Hauptschwäche des eigenen Ausgleichs aber ignoriere: Finanzstarke Kommunen würden noch mehr gefördert, während den schwächeren „kaum die Luft zum Atmen bleibt“.
Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) verlangt deshalb die Umverteilung der staatlichen Zuwendungen zugunsten kleinerer finanzschwächerer Kommunen. Das gegenwärtige System sorge nicht für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land. 500 der 2056 bayerischen Gemeinden seien nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte auf Dauer zu konsolidieren. Nötig seien Änderungen an den Hebesätzen für die Grund- und die Gewerbesteuer, zudem müsse die Privilegierung der Großstädte bei der Berechnung der Ausgleichsmittel abgemildert und die besondere Lage schrumpfender Gemeinden stärker berücksichtigt werden. Söders inzwischen kassierte „Lex München“, die einseitig die Landeshauptstadt bestraft hätte, lehnt er als Blaupause ab.

Erwin Huber hat eine Idee


Wie es gehen könnte, hat der frühere Finanz- und Wirtschaftsminister Erwin Huber (CSU) auf vier Seiten zusammengefasst. Bereits für die nächsten Ausgleichsverhandlungen 2013 will Huber, derzeit Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, finanzschwachen Kommunen unter 10 000 Einwohnern jene 300 Millionen Euro reservieren, die durch die Steuermehreinnahmen Bayerns eigentlich allen Kommunen zustünden. Die Hälfte davon soll direkt in die nach der Bedürftigkeit berechneten Schlüsselzuweisungen gehen, wobei Huber genauso wie Brandl die „Einwohnerveredelung“ in den größeren Städten als „eine der größten Ungerechtigkeiten des Finanzausgleichs“ anprangert.
Zudem sollten für kleinere Gemeinden die Investitionskostenpauschale um 50 und der Straßenunterhaltszuschuss um 70 Millionen Euro erhöht werden. Um 30 Millionen will Huber den Sonderposten für Kommunen anheben, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind. Denn die, sagt der Ex-Minister, kämen mit dem heutigen System „nicht mehr aus einer Spirale von Schulden, Belastungen, Investitionsschwäche und Perspektivlosigkeit heraus“.
(Jürgen Umlauft)

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