Politik

Nichts Genaues weiß man nicht: Soldat vor der Graf Aswin-Kaserne in Niederbayern. (Foto: dapd)

02.12.2011

Zittern vorm finalen Zapfenstreich

Bundeswehrreform: Bayerns Regierung verspricht umfangreiche Kompensationen für die betroffenen Kommunen, bleibt aber vage

Thomas Kreuzer müht sich redlich, in seiner ersten Regierungserklärung als frisch gebackener Chef der Staatskanzlei Zuversicht zu verbreiten. Es geht um die Folgen der Bundeswehrreform in Bayern, die manche Stadt durch den bevorstehenden Abzug Hunderter Soldaten vor zum Teil existenzielle Probleme stellt. Der CSU-Minister Kreuzer verspricht den betroffenen Kommunen, die Staatsregierung werde ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. „Wir werden keinen Standort mit den Folgen des Truppenabzugs alleine lassen“, sagt er. Man werde den Strukturwandel „aktiv und offensiv unterstützen“.
Konkrete Projekte hat Kreuzer noch keine im Angebot, sieht man einmal von dem „Bavarian International Campus Aerospace and Security“ (BICAS) ab, der auf dem Gelände des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS in Ottobrunn bei München entstehen soll. Direkt mit der Bundeswehrreform hat das Projekt zwar nichts zu tun, aber Kreuzer sieht darin zumindest die Chance, die für Bayerns Wirtschaft so wichtige Wehrtechnik im Land zu halten und durch neue Aspekte weiter abzusichern. Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) will das Vorhaben in den kommenden fünf Jahren mit rund 20 Millionen Euro unterstützen.

"Leuchtturmprojekt, das über Bayern hinausstrahlt"


BICAS ist ein Gemeinschaftsprojekt von EADS unter anderem mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Technischen Universität München und der Universität der Bundeswehr. Der Campus soll die gesamte Spanne von der Grundlagenforschung über die anwendungsnahe Entwicklung bis zur Umsetzung bündeln und den Wissenschaftsraum München zu einem attraktiven Ausbildungsstandort in der Luft- und Raumfahrt entwickeln. Neue internationale Studiengänge für bis zu 200 Studierende im Jahr sollen entstehen, eine Graduiertenschule für 120 Doktoranden aufgebaut werden. Der FDP-Abgeordnete Tobias Thalhammer schwärmt von einem „Leuchtturmprojekt, dessen Leuchtkraft über die Grenzen Bayerns hinaus strahlen wird“.
Für die vom Truppenabbau betroffenen Kommunen überall im Land ist das ein schwacher Trost. Viele sind vom Umfang der Kürzungen ebenso überrascht worden wie offenbar die Staatsregierung. Wenige Tage vor der Entscheidung von Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) rechnete Kreuzers Vorgänger Marcel Huber noch mit dem Abbau von 12  000 Dienststellen in Bayern, am Ende waren es 20 000. Jetzt reist Kreuzer durchs Land, um sich vor Ort ein Bild zu machen und Hilfsmaßnahmen zu erörtern. Im Landtag sprach er allgemein von Projekten im Rahmen der Regional- oder der Städtebauförderung, aber auch von Behördenverlagerungen und der Qualifizierung von Beschäftigten. Im Nachtragsetat 2012 will die Regierung bayernweit 14 Millionen Euro für von der Reform betroffene Kommunen einstellen.

SPD kritisiert: "Ankündigungen sind dünn wie Hechtsuppe"


Die Hauptverantwortung für Hilfsmaßnahmen liege aber beim Bund, betont der Minister. Von diesem fordert er ein „mehrjähriges Konversionsprogramm“. Vor allem müsse die zuletzt gekürzte Städtebauförderung zumindest auf ihr altes Niveau angehoben werden. Außerdem müsse den Kommunen rasch ein Zeitplan übermittelt werden, wie sie schnellstmöglich und kostengünstig Zugriff auf die frei werdenden Liegenschaften der Bundeswehr haben könnten. Den Kommunen empfiehlt Kreuzer, Struktur- und Entwicklungskonzepte über die Verwendungsmöglichkeiten der Gelände erarbeiten zu lassen. Der Freistaat werde diese Gutachten mit bis zu 80 Prozent der Kosten fördern. „Wir werden alles tun, damit die neu entstehenden Konversionsflächen zu Zukunftsflächen in den Kommunen werden“, verspricht Kreuzer.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher nennt die Ankündigungen Kreuzers „dünn wie Hechtsuppe“. Der schwarz-gelbe Kahlschlag bei der Bundeswehr treffe den ländlichen Raum mit voller Wucht, doch außer allgemeinen Absichtserklärungen habe die Staatsregierung nichts zu bieten.
Eine Einschätzung, die CSU-Wehrexperte Johannes Hintersberger überhaupt nicht teilen mag. Ein „umfassendes Maßnahmenpaket“ hat er bei Kreuzer entdeckt. Nach Einschätzung von Bernhard Pohl (Freie Wähler) hat die Bundeswehrreform Teile Bayerns „wie ein Tornado getroffen“. Sie schade dem Land, der Truppe und der bayerischen Wirtschaft. Es gelte nun, für jeden Standort eine passgenaue Lösung zu finden. „Wir müssen aus den Verlierern von heute die Sieger von morgen machen“, so Pohl. Ludwig Hartmann (Grüne) warnt davor, den abziehenden Soldaten nachzutrauern. „Wir sollten uns freuen, in einer Zeit zu leben, in der man Truppen abbauen kann“, betont er. Für die Kommunen sei deren Abzug eine Chance, die es nun mit staatlicher Hilfe zu nutzen gelte. Schon frühere Konversionen hätten sich für viele Städte als Segen erwiesen. (Jürgen Umlauft)

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