Politik

Wieder daheim in Bayern arbeiten - das kann sich auch positiv auf die Lebensqualität auswirken. (Foto: Getty)

03.05.2013

Zurück nach Bayern

Der Freistaat will abgewanderte Spitzenkräfte zurückholen - die Opposition unterstützt das, fordert aber weitere Maßnahmen

München schlägt London: Wegen eines Jobs kehrt die promovierte Biowissenschaftlerin Ulrike Schöpf, Spezialistin für Schilddrüsenkarzinome, vielleicht bald aus England zurück nach Bayern. Vergangene Woche führte die 36-jährige Niederbayerin, die seit zweieinhalb Jahren am Londoner Imperial College forscht, gleich mehrere Bewerbungsgespräche in München, mit zwei Arbeitgebern verhandelt sie ganz konkret über einen Arbeitsvertrag. Anlass für den Bewerbungsmarathon war die erste Konferenz der Initiative „Return to Bavaria“, zu der das bayerische Wirtschaftsministerium insgesamt hundert junge Exil-Bayern eingeladen hatte, drei Tage in München potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen.
Schon länger denkt Ulrike Schöpf darüber nach, zurückzukehren. Doch bis zum Herbst vergangenen Jahres wusste sie nicht, wie sie an einen guten Job kommen sollte. Ihr fehlte das Netzwerk, von Jobs in Bayern erfuhr sie schlicht nicht. Da stieß sie auf „Return to Bavaria“. „Ein Erfolg“, sagt Schöpf jetzt über die Konferenz. Das findet auch der Mediziner Jan-Mels Brandt, der seit zwölf Jahren in Kanada lebt und an der Konferenz teilgenommen hat, weil er sich wünscht, dass sein Kind in Bayern groß wird. Der 38-jährige Oberpfälzer steht gleich mit mehreren Arbeitgebern in Kontakt.
Auch die Unternehmen sind von der Konferenz begeistert. BMW zum Beispiel hat intensive Gespräche mit 40 Bewerbern geführt. Ein Sprecher erklärt, es sei sehr gut möglich, dass einige in einer Anstellung münden – allerdings frühestens in sechs Monaten. Philipp Benkler, Geschäftsführer des Start-up Testbird, steht mit drei Bewerbern in Kontakt. Er gewann jedoch den Eindruck, dass die hoch qualifizierten Exil-Bayern vor allem für eine Stelle in einem großen Unternehmen zurückkehren würden und wünscht sich, dass „Return to Bavaria“ einen Schwerpunkt auf Start-ups legt. „Wir brauchen dringend gute Bewerber.“ Fast jedes dritte Unternehmen klagt laut jüngstem Arbeitsmarktreport des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) über Schwierigkeiten bei der Besetzung freier Stellen.
Bayern sucht seit Langem nach Lösungen für das Problem Fachkräftemangel. Im vergangenen Jahr entdeckte das Wirtschaftsministerium das Potenzial abgewanderter Spitzenkräfte – und schuf „Return to Bavaria“. Seit Herbst berät die Initiative in der Geschäftsstelle am Münchner Marienplatz rückkehrwillige Hochqualifizierte, unterstützt von der German Scholars Organisation, die seit fast zehn Jahren deutsche Fachkräfte und Akademiker aus dem Ausland zurück in die Heimat holt.

Sieben Hauptzielländer


Vorläufiger Höhepunkt: die Bewerbungskonferenz. Allein in den 34 OECD-Ländern leben rund drei Millionen Deutsche, eine halbe Million von ihnen stammt aus Bayern, und viele wollen zurückkehren. Beim bayerischen Wirtschaftsministerium bewarben sich 300 Exil-Bayern um die hundert Plätze auf der „Return-to-Bavaria“-Konferenz. Angesichts dessen will Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) in den sieben Hauptzielländern der bayerischen Auswanderer – die Schweiz, die USA, Österreich, Großbritannien, Kanada, Norwegen und Australien – regelmäßig „Bayerische Abende“ anbieten, mit denen abgewanderte deutsche und bayerische Spitzenkräfte bei der Rückkehr in den Freistaat unterstützt werden sollen. Außerdem sollen zeitgleich mit dem Münchner Oktoberfest halbtägige Symposien stattfinden.
Stefan Hardege, Arbeitsmarktexperte des DIHK, begrüßt Programme wie „Return to Bavaria“. Fragt man ihn, ob abgewanderte Spitzenkräfte eine Lösung für das Fachkräfteproblem seien, antwortet er jedoch vorsichtig: „Ich denke, vor allem für Betriebe mit Auslandsgeschäften könnten sich erfahrene Rückkehrer als echter Schatz erweisen.“
Die bayerische Opposition unterstützt Return to Bavaria, fordert aber gleichzeitig weitere Maßnahmen im Kampf gegen den Fachkräftemangel. „Das Gesamtproblem wird durch den Mosaikstein „Return to Bavaria“ sicherlich nicht gelöst“, sagt zum Beispiel Alexander Muthmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler. Seine Vorschläge, um den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu beheben: „Wir müssen im Freistaat Bildung zugänglicher machen, die Berufstätigkeit von Frauen durch familienfreundliche Beschäftigung und Betreuungsangebote erhöhen, Menschen mit Migrationshintergrund besser integrieren und die Chancen von älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessern.“
Klaus Ernst, bayerischer Spitzenkandidat der Linken, fürchtet, dass der bayerische Arbeitsmarkt nicht attraktiv genug ist, um Rückkehrer aus dem Ausland zu halten. „Die Unternehmen müssen lernen, dass sie gute Fachkräfte nur zu guten Löhnen und Arbeitsbedingungen bekommen. Bayern gerät im Vergleich mit den Staaten, in die bayerische Fachkräfte abgewandert sind, immer mehr ins Hintertreffen.“ (Veronica Frenzel)

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