Unser Bayern

Die Spitzen des Stadtturms überragen sämtliche Gebäude seiner Umgebung. (Foto: Peter Schwarz)

27.05.2016

Anmaßend schön

700 Jahre Straubinger Stadtturm: Nicht der Landesherr, sondern die Bürger haben ihn errichtet

Die „größte Zierde von Straubing“ nannte Franz Sebastian Meidinger 1782 in einer der frühesten Stadtgeschichten Straubings den Turm, der im Herzen dieser altbayerischen Stadt aufragt. Seine mächtige Gestalt beeindruckt Einheimische wie Fremde durch die Jahrhunderte. Der Schriftsteller Hanns Haller stellte zum Beispiel 1954 die Frage: „Wer weiß einen schöneren Bürgerturm irgendwo? Die Schönheit dieses Turmes ist sein Maß, sein Ausmaß und seine Schlichtheit.“ 2016 feiert der Straubinger Stadtturm seinen 700. Geburtstag.

Erster Aktenvermerk 1316

Über seine Anfänge gibt eine Notiz in einem alten Chorbuch des Klosters Windberg Auskunft (heute in der Bayerischen Staatsbibliothek); zwischen 1379 und 1393 nützte ein Mönch freie Stellen in der Handschrift, um bedeutsame Ereignisse der Umgebung, insbesondere der etwa 20 Kilometer entfernten Stadt Straubing, festzuhalten: „Item anno domini Mo. ccco. xvi Turris ista est constructa in altitudinem trium interceptalium; pars vero superstes est fere estructa” – Im Jahre des Herrn 1316 wurde dieser Turm hier erbaut bis zur Höhe von 3 Geschoßen; der übrige Teil aber ist fast fertig gestellt. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde weitergebaut. Im hölzernen Stadtmodell des Straubinger Drechslermeisters Jakob Sandtner aus dem Jahr 1568 präsentiert sich der quadratische Turm schon fast in der heute vertrauten Form: achtgeschossig, mit auskragendem Schlussstockwerk, auf dem vier Ecktürmchen und die Glockenlaterne mit ihrer Mittelspitze sitzen, große Anbauten im Osten und Westen; lediglich der Wächterumgang hat noch keine Bedachung. Das gotische Bauwerk hatte zwar öfters Renovierungen nötig – Mitte des 17. Jahrhunderts zum Beispiel drohte es auseinander zu brechen; mit mächtigen eisernen Schlaudern und einem steinernen Stützpfeiler wurde ihm geholfen. Letztlich gilt aber die an seiner Südseite angebrachte Inschrift: „Haec turris firmiter erecta“ – Dieser Turm ist fest errichtet.

Mitten auf dem Markt

Er bildet die Mitte der 1218 vom Wittelsbacherherzog Ludwig den Kelheimer gegründeten „neuen“ Stadt Straubing, steht im Zentrum des großen Straßenmarktes, auf dem sich die wichtigen Fernstraßen von Wien nach Frankfurt, von den Alpen nach Böhmen kreuzten. Aber nicht der herzogliche Stadtherr, sondern die Bürger haben ihn errichtet, als für eine mittelalterliche Stadt lebensnotwendigen Wachturm vor Feuer und Feind. Seine besonders eindrucksvolle, repräsentative Gestalt erklärt sich aus den mittelalterlichen Machtverhältnissen in Straubing: Der Wittelsbacher Herzog war Landes- und Stadtherr, aber ihm gehörte nicht der Grund und Boden, auf dem „seine“ Stadt Straubing stand. Denn dieser war Besitz des Augsburger Domkapitels. Zwischen diesen beiden „Herren“, also Stadtherr und Grundherr, strebte die Bürgerschaft nach immer mehr Mitsprache, Selbstverwaltung und Freiheit. Sie setzte mit ihrem Wachturm also auch ein demonstratives Zeichen bürgerlichen Selbstbewusstseins. Dies zeigt sich nicht nur in der imponierenden Höhe von 68 Metern, sondern auch in der Gestaltung des Turmportals, das wildes Laubwerk, groteske Masken und naturalistische Weintrauben zieren. Letztere sind vielleicht Hinweis auf die Ratstrinkstube im ersten Stock des Ostanbaus, wo sich die Ratsherren nach den Beratungen im gegenüber liegenden Rathaus bei Wein, Hühner- und Kalbfleisch erholten.

Anbauten für wichtige Einrichtungen

Der Turm stand ursprünglich wohl frei. Relativ bald folgte zunächst der östliche, dann der westliche Nebenbau. Die Anbauten beherbergten wichtige städtische Einrichtungen, unter anderem die Ratstrinkstube, den Brotladen, die Stadtwaage und die Stadtwache, einen Theatersaal, ferner auch Wohnungen und – bis heute – im Erdgeschoß Ladengeschäfte.
Dass der Turm auch als eine Art Stadtchronik diente, beweisen eingelassene Steintafeln mit Daten von mittelalterlichen Ritterturnieren („hastiludia“)  und Landtagen („comitia“). Sie hatten als Vorläufer schon lange verschwundene Inschriften, die an den Wänden des Durchgangs bedeutsame Stadtereignisse festhielten. 1960 lebte die Nutzung des Turms als „Geschichtsbuch“ noch einmal auf: Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Freiwilligen Feuerwehr Straubing brachte man eine Erinnerungstafel an die Gründer der Feuerwehr an. Weitere Ausschmückungen wie ein spätgotisches Steinrelief  mit der Darstellung Jesus am Ölberg erhielt der Turm bei der großen Sanierung 1903. Damals kehrte auch die barocke „Stadtturmmadonna“ wieder an ihren angestammten Platz am Giebel des Ostanbaus zurück. Das überlebensgroße, vergoldete „unserer Lieben Frauen Bildtnuss“ war 1675 auf Anregung des Vorstehers des Kapuzinerklosters von dem bekannten Bildhauer Simon Leutner geschaffen und aufgestellt worden. Seitdem beteten die Straubinger Bürger an den Samstagabenden und an den „Frauenfesten“ unter der Madonna öffentlich das Marienlob. Anfang des 19. Jahrhunderts musste die Skulptur .. (Dorit-Maria Krenn) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Mai-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 21 vom 27. Mai 2016)

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