Unser Bayern

23.05.2014

Deklaratorischer Charakter

Bernhard Setzwein erklärt, was es mit der bayerischen Volksbefragung light auf sich hat


Ich sag Ihnen, es ist nicht einfach! Wenn man, so wie ich, jederzeit und überall aufgrund seiner Sprachfärbung als Bayer erkannt wird, da hat man, um es salopp auszudrücken, ständig die Arschkarte in der Hand. In einer Tour wird man aufgefordert, zu erklären und zu rechtfertigen, was „wir" uns in unserer Alpenfestung da wieder ausgedacht hätten und als bayerischen Sonderweg einschlügen. Laufen passiert es, dass ich in Sippenhaft genommen werde. So erst neulich, als mich ein Schweizer zur Rede stellte, was „wir" in Bayern mit dieser „Volksbefragung light" im Sinne hätten. Er spielte an auf eine Meldung, die vor wenigen Wochen die Runde machte, dass nämlich die Bayerische Staatsregierung plane, Volksbefragungen im Freistaat einzuführen. Mein Schweizer Gesprächspartner war darüber sichtlich aufgebracht. Ich dachte mir erst, das ist wegen der Urheberrechtsfrage – vonwegen „und wer hat’s erfunden?". Aber nein, der Mann war über etwas anderes sauer. Es war nämlich bei diesen Meldungen immer dabei gestanden, auf die Idee, dem bayerischen Volk Plebiszite zu ermöglichen, sei unser Ministerpräsident erst gekommen, nachdem er die Schweiz besucht habe. In der Schweiz aber, erklärte mir nun der Eidgenosse in feierlichem Tone, sei es selbstverständlich so, dass das, was das Volk in einer solchen Abstimmung mehrheitlich festlege, dann auch Gesetz werden müsse. Doch was musste er von unserem Ministerpräsidenten hören? Volksbefragungen in Bayern würden lediglich einen „deklaratorischen Charakter" haben? Schon war ich wieder dabei, etwas erklären zu müssen, was ich selber nicht verstehe. Ich gab mir trotzdem Mühe. Unser Ministerpräsident, legte ich tastend los, sei halt nun mal der Meinung, zwar müsse man schon das Volk um seine Meinung fragen. Ob allerdings das, was das Volk dann sagt, auch tatsächlich eine rechtlich bindende Wirkung haben könne, darüber müsse man noch nachdenken. Man könne es ja auch mehr so als lediglich eine Empfehlung betrachten. Der man nachkommen kann … aber nicht unbedingt muss. „Gaats no?", meinte daraufhin der Schweizer. Außerdem fügte er an, ob unser Ministerpräsident womöglich „e Flick ab ha … e Riss in de Schüssl". Weil ich mir nicht sicher bin, ob diese Einlassungen nicht vielleicht justiziabel sind, übersetze ich sie lieber nicht aus dem Schwyzerdütschen. Ich warf mich natürlich sofort ins Zeug, um einmal mehr die bayerische Haltung zu verteidigen. Und weil mir auf die Schnelle grad nichts besseres einfiel, baute ich mich zu respektabler Größe auf und sagte mit Pathos: „Weißt du, mein Schweizer Freund, was ihr in eurer komischen Eidgenossenschaft viel zu leicht vergesst, unser Horst aber nicht, ist folgendes: Die Demokratie ist ein viel zu kostbares Gut, als dass man es so einfach in die Hände des Volkes geben kann." Daraufhin sah er mich völlig entgeistert an. Unser Gespräch war beendet. Sie kennen vielleicht diesen schönen Text Heinrich von Kleists: „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden". Genau so ging’s mir. Ich hatte diese Verteidigungsrede ad hoc aus dem Ärmel geschüttelt, da erkannte ich schon, dass da ein Gedanken in die Welt gesetzt ward, den wir alle zusammen weiter verfertigen und vollenden sollten. Was wäre eigentlich dabei, den „deklaratorischen Charakter" bayerischer Volksbefragungen auch auf die nächste Landtagswahl auszudehnen? Das Volk stimmt ab, das Wahlergebnis wäre so eine Art Empfehlung und wenn sie der herrschenden Mehrheitspartei nicht passt, diese Empfehlung, wird sie ignoriert. Das heißt, so ganz einfach natürlich nicht. Das hat unser Ministerpräsident ja schon in Bezug auf die geplanten Volksbefragungen gesagt: Man werde, hat er gesagt, sehr gute Argumente brauchen, um sich über das hinwegzusetzen, was das Volk entschieden habe. Bei einer zukünftigen Wahl, bei der, sagen wir, die CSU eigentlich bloß mehr 30 Prozent bekäme, könnte man die Schwarzen trotzdem mit absoluter Mehrheit allein weiter regieren lassen. Das gute Argument in diesem Falle wäre einfach dies: Wir haben es schon immer so gemacht. Basta! (Bernhard Setzwein)

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