Unser Bayern

Sie sorgen für den Alkohol: Bierhefepilze unter dem Mikroskop. (Foto: dpa)

26.02.2016

Der Pilz macht's

Lange war die Hefe der mysteriöse Treibstoff im Bier, heute spielt sie eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Sorten

Ausgerechnet sie wurde 1516 nicht erwähnt: Die Hefe. Wo doch ohne sie unser Getränk Bier so gar nicht zu dem werden würde, was wir darunter verstehen: Ein leicht alkoholisches Getränk (mit Schaum!). Und ohne Hefe hätte Bier keinen Alkohol. Dieses Getränk dürfte nach heutiger Gesetzesauffassung nicht mal Bier heißen. Es würde auch völlig anders schmecken. Um genau diesen Alkohol zu produzieren, braucht die Hefe bestimmte Zucker, die uns, im Falle von Bier, stärkehaltige Wurzeln, Früchte oder Samen liefern. Bei Bier muss es per Definition Stärke sein, welche durch Enzyme zu Zuckern abgebaut wird.– und wie sie zum Beispiel  im Malz vorliegt. Wenn hingegen die Zucker schon in der Frucht vorliegen, dann spricht man nach der alkoholischen Gärung vom Wein. Dies bedeutet in letzter Konsequenz, dass ein Reiswein gar kein Wein, sondern eigentlich ein Reisbier ist, da ja der Ursprung Stärke ist. Was geschieht überhaupt bei dieser alkoholischen Gärung? Dazu muss man sich das Prinzip vor Augen führen, mit dem die Natur in seiner Gesamtheit vorgeht. Sie versucht zu überleben – und in Priorität, sich zu vermehren. Dazu muss sie durch verschiedene Strategien Energie in chemische Substanzen als Reservestoff umwandeln (Pflanzen zum Beispiel tun das, indem sie Sonnenenergie mittels Photosynthese zu Zucker transformieren). Diese Reservestoffe werden dann wieder abgebaut (bei Pflanzen zu Beginn der Keimung), wenn die rechte Zeit (bei Pflanzen oft im Frühjahr) für sie, für die Vermehrung, gekommen ist. Manchmal können die Organismen diese Energie selber in lagerbare Substanzen wie Stärke und Zucker aufbauen: Man findet sie in Samen, in unserem Fall in den Gerstenkörnern, aus denen später Malz wird; oder die Hefe in Form von Glycogen. Die Pflanze Gerste bündelt also die Sonnenenergie als Stärke in seinen Samen. Der Mälzer lässt nun diesen Samen keimen, damit die passenden Enzyme des Samens aktiviert werden, um diese Stärke zu Zuckern abzubauen – Zucker, die der Samen zum Aufbau einer neuen Pflanze benötigen würde. Nun stoppt der Mälzer diesen Prozess in der Darre und übergibt dem Brauer das Malz. Dieses zerkleinert der Brauer zum gegebenen Zeitpunkt und vermengt es mit viel Wasser bei bestimmten Temperaturen, um die Enzyme wirken zu lassen. Aus diesem Extraktionsprozess, den die Brauer Maischen nennen entsteht die süße Würze, welche nun später abgekühlt mit der Hefe vermengt wird. Diese Hefe durchbricht die von der Natur vorgesehenen Kette, indem sie nun die Zucker verbraucht und durch den Abbau zu Alkohol (ganz besonders unter Sauerstoffausschluss) ihrerseits Energie gewinnt, die sie für die Vermehrung und noch weit mehr für den Aufbau eines Mediums nutzt, welches auch für sie selber ab einem gewissen Grad toxische Stoffe (in unserem Fall der Alkohol) enthält, aber in dem so gut wie kein anderes Lebewesen überleben kann. Die Reaktionsformel:

C6H12O6+2 ADP + 2 Pi –> 2 C2H5OH + 2 CO2 + 2 ATP + 2 H2O

Glucose, 2 Adenosindiphosphat und 2 Phosphat reagieren zu 2 Ethanol, 2 Kohlenstoffdioxid, 2 Adenosintriphosphat und 2 Wasser Das bedeutet, dass die Hefe somit in diesem Medium (wir nennen es nun Bier) zwar sich nicht mehr vermehren kann, aber so lange überleben könnte, bis durch irgendeinen Prozess wieder fermentierbare Zucker vorliegt – und der Prozess beginnt von vorne. Eine andere Möglichkeit ist, dass Sauerstoff eingeleitet wird und der Alkohol so zur Energiegewinnung abgebaut werden würde. Evolutionär gesehen, hat die Hefe damit einen Vorteil: Sie vergiftet alle Nahrungskonkurrenten mit Ethanol und könnte diesen anschließend selbst wieder verarbeiten. Das Gemeine ist nur, dass wir Menschen diesen Prozess gezielt steuern, ihn unterbrechen und dieses Bier konsumieren. Die Zellen des Einzellers Hefe kann man nur unter dem Mikroskop erkennen. Sie sind rund bis oval und haben einen Durchmesser von fünf bis zehn Mikrometern. Bei der untergärigen Hefe liegen sie als einzelne Zellen vor, bei den obergärigen hingegen bilden sich Zellverbände. Der Eukaryot Saccharomyces cerevisiae (obergärige Hefe) ist ein Modellorganismus in der molekularbiologischen und zellbiologischen Forschung. Aufgrund jahrtausendealter Erfahrung und der einfachen Kulturbedingungen sowie der Verwandtschaft zu anderen eukaryoten Zellen in der Pflanzen- und Tierwelt wird er gerne als Beispielorganismus verwendet. Es war der erste eukaryotische Organismus, dessen Nukleinsäure-Basensequenz im Genom vollständig ermittelt wurde. Es dürften etwa 670 000 Hefespezies existieren – von denen wir gerade mal 1500 kennen und 20 industriell nutzen. Ein noch ungeheures Potenzial, das es zu entdecken und zu nutzbar zu machen gilt – nicht nur für das Bier, aber gerade auch da... (Martin Zarnkow)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Februar-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 8 vom 26. Februar 2016)

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