Unser Bayern

Die Lage wurde als ernst eingestuft – das Militär marschierte auf. Kürassiere und Studenten trafen auch am Karlstor aufeinander, wie diese zeitgenössische Illustration zeigt. Einige Professoren schlugen sich zwar auf die Seite der Studenten und hielten wie Friedrich von Thiersch öffentliche Reden, die Münchner Bürgerschaft beobachtete die Tumulte dagegen zwar neugierig, aber beteiligte sich nicht. (Foto: Münchner Stadtmuseum)

17.12.2010

Des Königs Zorn über die entweihte Heilige Nacht

Ein aus Würzburg übernommener studentischer Brauch artete 1830 in München zum Weihnachtskrawall aus

Die Christmette ist in Bayern seit jeher sehr beliebt. Ebenfalls seit jeher Zeiten fand die Mette mitten in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember statt und wohl zu keiner anderen Mitternachtsstunde waren früher die Straßen der Stadt so bevölkert und unruhig. Das änderte sich im Jahr 1800, als die Franzosen in München hausten. Es herrschte eine Art Ausnahmezustand, und die Besatzung fürchtete offensichtlich nächtliche Ausschreitungen. Man feierte die Mette deshalb um 5 Uhr in der Früh des 25. Dezember. Die kurpfalzbayerische Regierung war über die Verlegung der Christmette in die Morgenstunden offenbar nicht unglücklich und schrieb diese im kommenden Jahr auch für die Zukunft fest, „zur Verhütung der mannigfaltigen, den guten Sitten und der öffentlichen Ruhe und Sicherheit zuwiderlaufenden Missbräuche, welche das Herumschwärmen in der heiligen Christnacht, unter dem Vorwande, den Gottesdienst zu besuchen, nach sich zieht". Die Kirche selbst schreibt keine bestimmte Zeit für die Christmette vor. Mette bedeutet lediglich „Frühmesse" oder „Morgenlob". Ein Vierteljahrhundert lang wurde die Christmette nun um fünf Uhr in der Früh gefeiert. Dann verlegte sie König Ludwig I. im ersten Jahr seiner Regierung, also 1825, auf eigenen Wunsch wieder auf die Mitternachtsstunde. Die Bevölkerung war begeistert: „Dass ich den Weyhnachts-Mitternachts-Gottesdienst halten lasse, bewirkte auf dem Lande mehr Freude als eine nachgelassene Steuer", notierte der König bereits einen Tag vor Weihnachten. Offensichtlich verlief die Christmette des Jahres 1825 friedlich. Doch allmählich scheinen sich wieder Missbräuche eingeschlichen zu haben. Besonders moniert wurde, „dass während des mitternächtlichen Gottesdienstes allerlei Unfuge" festgestellt wurden, „besonders durch das Umherschwärmen junger Leute, und das Geläuf, ja eine wahre Jagd von einer Kirche zur andern" sowie das „Zechen in den Kaffee- und Wirthshäusern bis zur Zeit der Mette". Besonders unruhig war es im Jahr 1830, als es – von Würzburger Studenten angezettelt – in München fast zu einer Revolution gekommen wäre. Nichts ahnend hatte der berühmte Bibliothekar und Sprachforscher Johann Andreas Schmeller vor dem Schlafengehen noch einen Blick aus dem Fenster geworfen und dann jene Stunde in tiefem Frieden verschlafen, in der die zum Teil blutigen Unruhen beginnen sollten. Er notierte später: „Einige Studenten hatten, wie dieses in Würzburg in dieser Nacht etwas Gewöhnliches seyn soll, mit sogenannten Rätschen die Straße durchzogen. Gendarmen, denen dieß eine policeywidrige Entweihung der heiligen Nacht geschienen, hatten zweyen der Rätscher die Policeykarte abgefordert, was gegen Studenten statt körperlicher Arretierung gilt. Die Studenten hatten die Karte verweigert und waren nun mit Gewalt auf die Wache am Carlsthor gebracht worden. Die übrigen Rätscher ließen nun eiligst in den naheliegenden Kneipen das Burschen ’raus! erschallen. Hunderte strömten herbey, die gefangenen Brüder mit Gewalt zu befreyen. Die Wachmannschaft verlangte und erhielt Verstärkung von der Hauptwache, selbst Cuirassiere fand man nothwendig. Es wurde durch diese militärische Demonstration nur das Übel ärger. Neugierige Nichtstudenten vermehrten den Haufen. Es kam der neue Policeydirector Menz, wie auch der Rector magnificus Allioli auf den Platz. Beide hielten begütigende Anreden, aber erst, als die Gefangenen wirklich entlassen wurden, und Genugthung für die vermeintliche Beeinträchtigung studentischer Rechte zugesichert war, legte sich der Tumult." Soweit Schmeller, der erst am nächsten Morgen in der Kirche vom Kunstsammler Sulpiz Boisserée von den Ereignissen erfahren hatte. (Boisserée verkaufte seine Tafelgemäldesammlung an König Ludwig I., sie war größtenteils dann in der Alten Pinakothek ausgestellt; Boisserée war auch zwei Jahre lang Bayerns Generalkonservator.) Boisserée selbst vermerkte dagegen in seinem Tagebuch nur lapidar: „In der Christnacht Studenten-Auflauf". Doch verdanken wir seinem Diarium die Kenntnis über die Ereignisse der folgenden Tage. Danach gab es auch in der Nacht zum 26. Dezember „wieder einen Auflauf von Studenten und Handwerks-Purschen, aber ohne Bedeutung", während es in der darauf folgenden Nacht zu „Auflaufen bei der Hauptwache" kam, bei denen sogar „Verwundungen vorgekommen" sind. Im Nachhinein war man zwar sicher, dass es sich damals um unpolitische „Randale" gehandelt habe, um ein unreifes Gemisch aus Ulk und Aufsässigkeit. Damals jedoch war man verunsichert. In diesen Tagen gärte es in ganz Europa, vor allem in Paris, und die dortigen politischen Unruhen versetzten die Münchner Polizei wohl in erhöhte Alarmbereitschaft. In einer Ministerratssitzung sprach sich der König dafür aus, dass man unter den gegenwärtigen Umständen die Vorfälle nicht als „Verirrung der Studenten" abtun dürfe, da sie gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten und forderte eine rasche gerichtliche Untersuchung der „tumultuarischen Exzesse".  (Cornelia Oelwein) Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Dezember-Ausgabe von Unser Bayern.

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