Unser Bayern

In der Fischordnung „wie die auff der Thonaw, Ihn, Yser, Salzach und sonsten allenthalben in unsern Fürstenthumben gehalten werden“ sind zehn Fischarten und ein Krebs abgebildet – und zwar in der Originalgröße des „Brütlmaßes“. Viele Fische und Krebse, die dieses Maß unterschritten, durften nicht in den Verkauf gebracht werden. (Foto: Archiv)

23.09.2016

Diktat der Sparsamkeit

Von Schalcksnarren, zu großen Feiern und unlauterer Völlerei: 1616 erschien die erste Ausgabe des „Codex Maximilianus“

Im späten Mittelalter wurde begonnen, die sich in den einzelnen Territorien des Reiches seit dem hohen Mittelalter herausbildenden Landrechte in Gesetzbüchern zu kodifizieren. Die Landrechte und Landesordnungen basierten auf den einstigen Stammesrechten wie dem Lex bavariorum oder dem Sachsenspiegel, die im Lauf der Zeit durch Privilegien und Gesetze der Landesfürsten sowie durch die Spruchpraxis der Landgerichte weiterentwickelt worden waren. Die Landesordnungen enthielten das, was man heute unter Straf-, Polizei- und öffentlichem Recht versteht. Die Landrechte, wie etwa das erste (ober-) bayerische Landrecht von 1346, enthielten meist privatrechtliche Normen, doch auch dessen Reform von 1518 war noch kein vollständiges Privatrechtssystem nach heutigen Vorstellungen. Die Landesordnung als Kodifizierung des Straf-, Polizei- und öffentlichen Rechts erfolgte mit der Landshuter Landesordnung Herzog Ludwigs von 1474 mit Revisionen im Jahre 1516 und 1553.

Am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit

Erst eine Neuausgabe des bayerischen Landrechts, datiert vom Michaelitag (29. September) 1616, näherte sich mehr oder weniger einer umfassenden Regelung des geltenden bürgerlichen Rechts. Als die Verfasser der ersten Fassung des Codex Maximilianus gelten der Hofkanzler Johann Gailkircher, der Jesuit Simon Wagnereck und der Münchner Stadtschreiber Georg Locher. Bis zum Jahre 1751, als Wiguläus Kreittmayrs Codex Juris erschien, galt für fast 150 Jahre dieses Gesetzeswerk, das den Übergang von der mittelalterlichen Lehenswirtschaft zum neuzeitlichen Staat des Absolutismus und der Aufklärung kennzeichnet. Es bildete zudem die Grundlage für Kreittmayrs epochemachendes Werk, das mit Modifikationen bis zum Jahr 1900 seine Gültigkeit besaß. Insgesamt kam es zum Beginn des 17. Jahrhunderts zu einer „beschwerlichen langwierigen Teuerung“. Damit wird das in allen Teilen des Gesetzeswerkes spürbare „Sparkonzept“ der Landordnung verständlich.

Nahezu alle Lebensbereiche der Untertanen

Die Rechtsvorschriften des Gesetzeswerkes von 1616 umfassten neben den umfangreichen Landes- und Polizeiordnungen auch weitere Einzelmandate, die nahezu sämtliche Lebensbereiche der Untertanen berührten. Unter dem Schlagwort „katholische Konfessionalisierung“ reglementiert das Gesetzeswerk die Aufrechterhaltung der „wahren“ katholischen Religion. Hier spürt man deutlich auch die Feder des geistlichen Co-Autors Simon Wagnereck. Ziel der Gesetzgebung war nichts weniger als die lückenlose Verhaltenskontrolle von Untertanen durch staatliche Beamte. Der voluminöse Band mit weit über 800 Seiten erschien beim Münchner Drucker Nikolaus Heinrich und jede „Ordnung“ ist mit einem prächtigen Titelkupfer versehen. Er umfasst neben der Prozess- und Gerichtsordnung auch das „Landtrecht“. Dieses beinhaltet die privatrechlichen Regelungen beim Besitzwechsel einzelner Anwesen sowie das Erbrecht.

Was beim Fluchen und Beleidigen droht

Im Landrecht enthalten sind außerdem allgemeine Vorschriften zum Steuer- und Handwerksrecht sowie die Beschäftigung von Dienstboten. Ausführliche Vorschriften zur deren Entlohnung waren schließlich eigens in der „Landts- und Policey-Ordnung“ niedergelegt. Das Landrecht nennt des Weiteren die Bußen beim ehrverletzenden Gebrauch von Scheltworten und die Konsequenzen bei Raufhändeln und dem „Waffen zucken“. Die „Landsfreyheitt“ war erstmals 1516 unter den Herzögen Wilhelm und Ludwig fixiert und unter Herzog Albrecht 1553 „in eine bessere Ordnung“ gebracht worden war. Darin wird die gesamte Behördenstruktur des Herzogtums geregelt mitsamt den Befugnissen der Beamten, vom Viztum über die Pfleger und Richter bis hinunter zu den Zöllnern und Mautnern. Außerdem fixiert die „Landsfreiheit“ die Befugnisse und Rechte des Adels und der Kirche im Bereich der niederen Gerichtsbarkeit.

Reisekosten von Beamten

Rund ein Drittel der Gesetzestexte im Bayerischen Landrecht von 1616, fast 300 Seiten, werden von der „Landts- und Policey-Ordnung“ eingenommen. Darin wird zum Bespiel die Besoldung der Beamten geregelt, worunter auch die Reisekosten fallen, wenn etwa beim Ortstermin, das „Beschaugeld“ erhoben wurde. Pfleger, Richter oder Kastner konnten mit zwei Pferden unterwegs sein, Gerichtsschreiber und Amtmann nur mit einem. Bei auswärtiger Übernachtung fiel zudem ein „Schlafftrunck“ an. Insgesamt waren die Beamten aber angewiesen, noch am selben Tag an den Dienstort zurückzukehren, damit eine „überflüssige Zehrung“ vermieden würde. Das ganze Gesetzeswerk war überhaupt auf rigorose Sparsamkeit ausgelegt.
Wie bei den Behördenleitern war die Entlohnung der untergebenen Gerichtsschreiber, Fronboten und Schergen genauestens geregelt und differenziert je nach Art eines zuzustellenden Briefes bzw. eines Bescheides vom Heiratsbrief auf Pergament bis zum einfachen Quittungsbrief „auff Papir“.
Das Prozedere von Gerichtsverfahren waren hier ebenso festgelegt, wie eine Anwalts- und Notariatsordnung. Ein weiteres Buch der Lands- und Polizeiordnung könnte man heute als „Handelsrecht“ bezeichnen, denn es regelte den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten, vom Getreide und Vieh bis hin zu Schmalz, Wolle und Leder. Das dritte Buch befasst sich ausführlich mit dem Thema „Von Maß und Ordnung des Schenkens und der Wirtschaft“. Berührt waren darin alle Aspekte der Gastronomie, vom Ausschank der Getränke über den Umgang mit Betrunkenen bis zum Verkauf von warmer Speisen. Eine eigene Bier- und Branntweinordnung regelte außerdem die Herstellung dieser Produkte und deren Vertrieb. Hauptzweck der Vorschriften war wiederum die „Abstellung theurer Zehrung“. Die Landesordnung legte die Kosten fest, die ein Wirt für die Unterbringung und Versorgung der Pferde von Reisenden verlangen durfte. Genaue Vorschriften gab es außerdem für die Abhaltung von Familienfeierlichkeiten von der Taufe über die Hochzeit bis zur „Todtenbesingnuß“. Hier galt ebenfalls der staatliche Sparkurs und es war genau geregelt, wer zu welchem Termin wie viele Leute einladen durfte und wie viel Geld für den einzelnen Gast ausgegeben werden konnte.

Wieviel eine Hochzeit kosten darf

So verbot die Polizeiordnung bei Hochzeiten den Brauch, am Hochzeitstag den Gästen bereits vor dem Kirchgang schon „Suppen und Trunck“ zu reichen. Ein Schluck Branntwein war aber ausdrücklich genehmigt. Sogenannte Vorhochzeiten und Nachhochzeiten, waren aber verboten. Bei der Brautausstattung war „gebührend Bescheidenheit“ gefordert , „Überfluss und Verschwendung“ bei den Brautkränzen war zu meiden. Sogar die Art und die Menge des Getränks waren nun vorgeschrieben, die bei einer Hochzeit ausgeschenkt werden durfte. Kein „ungeladenes Bauersvolk“ sollte ... (Alfred Wolfsteiner)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Septemberausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 38 vom 23. September 2016)

Abbildung:
Verschiedene Prozess- und Gerichtsordnungen, das allgemeine Landrecht, die Landfreiheiten des Adels und der Stände, eine Polizei-, Forst- und Jagdordnung sowie die hochgerichtliche Malefitzprozessordung enthält das bayerische Landrecht von 1616 auf seinen insgesamt 828 Seiten. Jede der acht enthaltenen Ordnungen ist mit dem gleichen barocken Titelkupfer ausgestattet: Das herzogliche Wappen, von mehreren Putten gehalten und von Bordüren umgeben. Bereits zwei Jahre vor der Publikation, im Jahre 1614 hatte sich der Münchner Drucker Nikolaus Heinrich das Werk durch ein kaiserliches Privileg schützen lassen. (Foto: Archiv)

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