Unser Bayern

28.05.2010

Frisch gezapftes Bier aus dem Holzfass

Zur Geschichte des wiedereröffneten Münchner TraditionsgasthausesVilla Flora

Nach rund sieben Wochen Umbauarbeiten hat in München-Sendling das Traditionsgasthaus Villa Flora wieder geöffnet. Die Geschichte der Villa Flora reicht zurück bis 1870, als der klassizistische Bau im toskanischen Villenstil entstand und als Posthalterei betrieben wurde. Noch vor 1900 war die Villa ein gutgehendes Restaurant der Familie Hagenmeier und bis in die 1930er Jahre ein beliebter Treffpunkt der Münchner Sozialdemokratie. Während die Sozialdemokraten dort politisierten, zogen der Biergarten und die Kegelbahnen die Gäste vor allem aus der Schwanthaler Höhe und Sendling an. Gleichzeitig suchten die Münchner die Villa als Oase der Ruhe und Beschaulichkeit auf. Als Lokal der Sozialdemokraten bei den Nazis verschrien, wurden die Eigentümer der Villa nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten enteignet und das Gebäude zu einer Hochburg der braunen Gewaltherrschaft. Wie durch ein Wunder überstand die Villa Flora den Krieg aber völlig unbeschadet. Nach dem Krieg fiel die Villa in städtische Hand und die vielen Bemühungen, die enteigneten Wirtsleute Hagenmeier wieder zu rechtmäßigen Eigentümern zu machen, schlugen fehl. Die Villa begann jetzt vor sich hinzudämmern, denn niemand wusste etwas mit ihr anzufangen. So wurde das ehemalige Wirtshaus zum Außenlager des städtischen Bauhofs. Es wurden türkische Stehtoiletten eingebaut. Allmählich verkam das Bauwerk und der Boden wurde mit schwermetallhaltigen Holzschutzmitteln verunreinigt. Ab den 1970er Jahren stand das Gebäude leer und verfiel zunehmend. Als man sich wieder für das Gebäude interessierte, kamen mehrere Nutzungswünsche ins Gespräch. Die Grünen wollten ein Kulturhaus, die Sozialdemokraten ein Gasthaus und die Immobilienfirmen einen lukrativen Bürostandort. Die Stadt stellte das Anwesen schließlich unter Denkmalschutz und schrieb es 1992 bei den regionalen Brauereien aus. Das Hofbräuhaus Traunstein war der einzige Interessent. Alle Münchner Brauereien glänzten mit Desinteresse. Es erfolgte eine zweite Ausschreibung – dasselbe Ergebnis. Im März 1993 reichte der Bräu zu Traunstein den Vorbescheid ein, der ein Jahr später positiv entschieden wurde. Daraufhin konnte der Erbbaurechtsvertrag unterschrieben werden, ein Vertragswerk mit 74 Seiten. Der Notar weigerte sich sogar, den Vertrag vorzulesen. Im Oktober 1994 wurde der Bauantrag gestellt, ein Jahr später wurde er genehmigt. Die Villa wurde aufwändig renoviert und um den neuen Teil, der Schwemme oder auch Atrium genannt, erweitert. Originelle und gute bayerische Küche 30 Säcke Taubenmist wurden entsorgt. 500 Kubikmeter verseuchtes Erdreich weggekarrt. Gerümpel ohne Ende und Batterien von Flachmännern wurden dem Recycling zugeführt. Dass der kontaminierte Boden im Eigentum der Stadt vom Hofbräuhaus Traunstein entsorgt werden musste, war für die Brauerei jedoch nicht nachvollziehbar. Umweltschutz, Naturschutz und Denkmalschutz wurden hier nach Ansicht des Traunsteiner Hofbräuhauses zu einem Cocktail gemixt, „der etwas anders schmeckt als eine Maß Bier“. Im Sommer 1997 öffnete die Villa erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ihre Türen und zwar als Erlebnisgastronomie. Nach einem Wirtewechsel im Jahr 2000 übernahmen heuer die Wirtsleut‘ Dagmar Strobl, Peter Wunderlich und Michael Hägele die Villa Flora. Ihr Konzept: Zurück zu den Wurzeln, das heißt originelle und gute bayerische Küche. So findet der Gast bei den Hauptspeisen auf der Speisekarte Klassiker wie Schweinshaxe, Schnitzel, Schweinsbraten und Bratwürstl oder bei den Brotzeiten den Obatzden, Radi und Weißwürscht. Es soll für jeden etwas dabei sein, so Hägele, denn schließlich will man ja ein richtiges Gasthaus sein. Neben Flaschenbier wird in der Villa jetzt auch wieder Bier aus dem Holzfass frisch gezapft. (Friedrich H. Hettler) Villa Flora, Hansastraße 44.

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