Unser Bayern

Versiegelung, Verdichtung des Bodens bis an den Stamm durch parkende Autos, Salz im Winter: Bäume haben mit vielfältigen Stressfaktoren in den Städten zu kämpfen. (Foto: SZPhoto)

17.11.2017

Grüne Lunge in Gefahr

Über Bäume in Städten seit der Barockzeit und aktuelle Forschungen zur Pflanzung neuer Arten

Die meisten von ihnen stammen aus warmen und trockenen Gegenden. Manche kann man am Gardasee antreffen, andere kommen aus dem Fernen Osten oder aus Nordamerika, wieder andere aus holländischen Gewächshäusern. Stadtgrün 2021 heißt das Projekt der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim, in dem ausgewählte Baumarten einem mehrjährigen Test unterzogen werden. Das Team um Susanne Böll, Klaus Körber und Philipp Schönfeld ist auf der Suche nach „zukunftsträchtigen“ Bäumen für Bayerns Städte und will herausfinden, welche Baumarten mit den gegenwärtigen und zukünftigen Klimabedingungen bestmöglich zurechtkommen. Alle Versuchsbaumarten werden jeweils in achtfacher Wiederholung und unter standardisierten Pflanzbedingungen an drei verschiedenen, klimatisch sehr unterschiedlichen Standorten in Bayern geprüft. Ausgesucht wurden Kempten, Würzburg und Hof/Münchberg. Während in Kempten im Allgäu gemäßigtes Voralpenklima mit hohen Niederschlägen über 1200 mm pro Jahr herrscht, ist es in Würzburg im Sommer so warm und trocken, dass bekanntermaßen dort der Wein gut gedeiht. Weniger warm ist es in Hof bzw. Münchberg. Dort gibt es wegen des kontinentalen Klimas häufig ausgeprägte Frostperioden im Winter, die Region wird scherzhaft auch Bayerisch-Sibirien genannt. Im Rahmen des Projektes werden die gepflanzten Bäume zweimal jährlich „auf Herz und Nieren“ untersucht, sprich auf Frost- und Trockenschäden, Vitalität der Baumkrone, Schädlingsbefall und vieles mehr. Der Anlass für das Projekt: Die Bäume, die man heute in unseren Städten antreffen kann, haben es schwer. Sie sind besonders Bodenverdichtungen und Verschmutzungen ausgesetzt. Eingezwängt zwischen Bürgersteig und Straße steht ihnen meist nur wenig Platz für ihr Wurzelwerk zur Verfügung, nicht selten ist ihre Baumscheibe ganz versiegelt und Autos parken darauf. Im Winter leiden sie unter Streusalz – im Sommer müssen sie oft lange Hitze- und Dürreperioden überstehen. Viele von ihnen vegetieren mehr schlecht als recht dahin. Dazu kommt der Klimawandel: Mit noch höheren Temperaturen zu allen Jahreszeiten, mit noch häufigeren längeren Phasen anhaltender Trockenheit, mit immer wieder auftretenden Starkregenereignissen, mit mehr und mehr Stürmen und zusätzlich – wie zum Beispiel im Frühjahr 2017 – mit sehr kalten Wintern.
Da braucht man sich nicht zu wundern, dass die Bäume für Krankheiten anfällig werden. Für eingeschleppte Schadinsekten wie Miniermotten und asiatische Laubholzbockkäfer, für Pilze, die wie bei den Eschen die Triebe absterben lassen, und andere Krankheitserreger wie zum Beispiel Pseudomonasbakterien, die akut die Rosskastanien bedrohen. Es ist höchste Zeit, sich nach alternativen Baumarten für unsere Städte umzusehen. Denn die Bäume sind wichtig. Man weiß, dass allein der Anblick von Grün den Menschen gut tut und Stress vermindert. Und auch der Stadtluft mit ihren hohen Feinstaubwerten und dem hohen Anteil an Stickoxiden tut das Grün gut. Die Bäume spenden Schatten und senken die Temperatur, nehmen Schadstoffe und Kohlendioxid auf und sorgen für Sauerstoff. Sie dämpfen Lärm, ihre Wurzeln speichern große Mengen Niederschläge, wenn es stark regnet, und mindern deshalb Hochwasserspitzen. Pilze, Moose, Flechten wachsen auf der Rinde, und Bäume bieten Insekten, Vögeln und Kleinsäugern Nahrung und Nistgelegenheit. Wer freut sich nicht, wenn er die Vögel auf und in den Bäumen zwitschern hört? Von der ökologischen Bedeutung, die Bäume haben, hatte man wenig Ahnung, als in der Barockzeit vor mehr als 300 Jahren die ersten Baumalleen gepflanzt wurden. Damals ließ der Adel die symmetrisch angelegten Zuführungen zu den Schlössern ein- oder mehrreihig mit Bäumen bestücken. So wurden die Sichtachsen betont, und nebenbei spendeten die Bäume Schatten. Mit in Reihe gepflanzten Gehölzen überdachte man auch die in den Schlossgärten zuweilen angelegten Mailbahnen. Das waren breite Wege, die gerne für Promenaden genutzt wurden und auf denen das Mailspiel gepflegt wurde. Häufig pflanzte man die sehr schnittverträglichen Linden. Sie standen seit Urzeiten in den Dörfern und Städten, unter ihren dichten Baumkronen tagten die Gerichte, fanden Versammlungen statt oder wurde das Tanzbein geschwungen. Vom Hof des Kurfürsten Max Emanuel (1662 bis 1726) in Schleißheim zum Beispiel weiß man, dass allein im Jahr 1689 unter der Anleitung eines Heckenmeisters 1625 Linden in der Lindenschule vermehrt und in den repräsentativen Teil des Schlossgartens ausgepflanzt wurden. Es kamen auch andere Baumarten zur Pflanzung, die sich ebenso leicht wie Linden in Form bringen ließen, wie Ulmen und Hainbuchen, Obstbäume  und Rosskastanien, die sich seit dem 16. Jahrhundert vom Balkan aus in Mitteleuropa verbreitet hatten. Ein schönes Beispiel dafür ist die im Park von Schloss Seehof bei Bamberg gelegene Kastanienallee. Baumalleen zierten bald auch die Verbindungswege von den Schlössern zu den Sommerresidenzen. „Vor allen Toren sind gegenwärtig Alleen gezogen“, schrieb Lorenz Westenrieder 1782 über München und meinte damit die von Bäumen gesäumten Straßen zwischen der Residenz und den vor der Stadt gelegenen Schlössern in Nymphenburg, Schleißheim und Dachau. Man pflanzte Linden, Obstbäume und immer häufiger auch Maulbeerbäume. Deren Blätter benötigte man in großen Mengen für die Seidenraupenzucht – damals bemühte man sich in Bayern, die einheimische Seidenproduktion zu etablieren. Zunehmend kamen aber als Alleebäume vor allem die schnell wachsenden Pyramidenpappeln (Populus nigra ‘Italica’) in Mode. „Eine sehr anmuthige Baumallee von abwechselnden Pappel- und Birnbäumen bis nach dem Dorf Schwabing“ gab es, wie Westenrieder ausführte, „vor dem Schwabinger Thor.“ Es böte sich „hier ein schöner Spaziergang über geruchvolle Felder.“ Auch in Bamberg gab es eine bemerkenswerte Pappelallee, die wie ein Strahl aus der Stadt führte. Generalkommissar Stephan von Stengel hatte sie Ende des 18. Jahrhunderts im Vogelgässchen nach französischen Vorbildern anlegen lassen, vom heutigen Schönleinsplatz ausgehend vorbei an prächtigen Villen in Richtung Theresienhain. Als die Städte Ende des 18. Jahrhunderts entfestigt und dafür die Mauerringe und Wassergräben der ehemaligen Festungsanlagen entfernt wurden, setzte sich die Pflanzung von Bäumen fort. In Augsburg und in Würzburg entstanden aus den früheren Wallanlagen ausgedehnte, mit Gehölzen bestandene Grünflächen. In München schuf man eine breit angelegte Ringpromenade, die über weite Strecken dreireihig mit Pappeln oder mit Pappeln und Eschen im Wechsel bepflanzt wurde. „Unter deren freundlich nickenden Zweigen [sollte] sich jetzt mancher Geschäftsmann und manche Familie mit ihren Kindern bei einem Spaziergange von der dicken Luft in der Stadt und von den häuslichen Sorgen [erholen]“, schrieb Anton Baumgartner 1807. Weitere Alleen kamen hinzu, als ab 1808 der Gartenkünstler und Schöpfer des Englischen Gartens, Friedrich Ludwig von Sckell (1750 bis 1823) zum Generalplaner für die Stadterweiterung Münchens aufstieg. Alleen gehörten, so Sckell, „mit unter jene wohltätigen Anstalten, welche die Bewohner zur Bewegung und zum gesellschaftlichen Umgange einladen.“ Er gestaltete sie mit verschiedenen Gehölzen. So ließ er an der Sonnenstraße eine fünfreihige Promenade anlegen mit getrennten Fuß-, Fahr- bzw. Reitwegen. Die Hauptfahrstraße wurde mit Pappeln bepflanzt, damit „die Chaussee besser austrocknen könne“, die übrigen Baumreihen sollten aus Kastanien, Eschen, Ulmen oder Ahorn bestehen. Daneben ließ Sckell in den neu geschaffenen Stadtquartieren auch Freiplätze und Gärten einrichten, darunter nahe des Karlstors einen botanischen Garten, und sorgte damit für den weiteren Einzug von Grün in die Stadt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es durch die Ansiedlung von industriellen Produktionsstätten zum erhöhten Wohnraumbedarf in den Städten. Die nachfolgende dichte Bebauung wies den Bäumen auf Straßen und Plätzen zunehmende Bedeutung zu. Gepflanzt wurden vor allem Ahorne, Ulmen, Platanen und Rosskastanien. So manchem Pappelbaum jedoch ging es an den Kragen. „Gestern hat man mit dem Fällen der langen Pappeln, die dem Spaziergänger weder Schatten noch dem Auge einen schönen Anblick gewährten, begonnen“, konnte man 28. Februar 1850 im Bamberger Tagblatt lesen. Kurze Zeit später waren von der Stengel‘schen Pappelallee in Bamberg keine Spuren mehr zu finden und stattdessen Kastanienbäume gepflanzt. Mit der Zeit verschwanden auch die Obstbäume aus den Städten, ebenso die Maulbeerbäume, die bis etwa 1850 massenhaft angepflanzt worden waren. 1882 schrieb der Münchner Stadtgärtner Max Kolb (1829 bis 1915), dass die Zahl der auf den öffentlichen Plätzen und Alleen Münchens stehenden Bäume nahezu 5400 betrage. Man hätte beispielsweise im Jahr 1877 am „neuen Schlachthause“ nicht weniger als 52 Ahorn, 540 Ulmen und 80 Kastanien neu gepflanzt, überhaupt gediehen... (Petra Raschke)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Ausgabe November/Dezember von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 46 vom 17. November 2017 beiliegt.

Abbildungen:
Alleen waren einst beliebtes Gestaltungsmittel der Landschaftsplaner – einige der historischen Anlagen haben überlebt, wenn auch oft reduziert. Die Allee im Herbstlaub findet man nahe Manching. (Foto: dpa) Die Münchner Leopoldstraße ohne ihre markanten Pyramidenpappeln wäre unvorstellbar. (Foto: SZPhoto) Aus dem Projekt "Stadtgrün 2021": Die Hopfen-Buche stammt aus Südosteuropa. Die Winterhärte, die Gesundheit und ihre allgemeine Anspruchslosigkeit lassen sie als besonders aussichtsreichen Zukunftsbaum erscheinen. (Foto: Stadtgrün 2021)
 

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