Unser Bayern

Der König der Tiere: In einem Fries mit dem kurbayerischen Wappen lässt er sich den Kopf von einem Putto tätscheln (1666/1667, Residenz München). (Foto: BSV)

19.06.2015

Gut gebrüllt

Im Wappen, an Fassaden, auf Plätzen und als Nippes: Löwen allerorten in Bayern – nun auch in einer Ausstellung

Wenn man durch Bayern fährt, wird man allerorten von Löwen „angesprungen“: herab von Hausfassaden, von Bildern und sogar von Wetterfahnen, vor allem aber von Denkmälern aus Erz und Stein. Seit Julius Caesar den Germanen Löwen auf den Hals gehetzt haben soll und diese – in Unkenntnis der Gefährlichkeit der, wie sie meinten, „großen Hunde“ – die Tiere einfach erschlugen, sind rund zwei Jahrtausende vergangen. Inzwischen haben die Germanen und besonders die Bajuwaren den König der Tiere längst kennen und fürchten gelernt, haben ihn  liebgewonnen – und ins Wappen aufgenommen. Doch nicht allein die Bayern führen den Löwen im Wappen. Er ist das beliebteste Tier der Heraldik überhaupt. Man entdeckt ihn in den modernen Staatswappen von Finnland, Estland, Norwegen und Dänemark, Belgien, Luxemburg und die Niederlande, Tunesien, Togo, Senegal und Gambia, Tadschikistan und Sri Lanka – um nur einige zu nennen. In all den unterschiedlichen Kulturräumen verkörpert der Löwe Macht, Tapferkeit und kriegerische Tugenden. Und die Herrscher sahen sich gerne auf einer Stufe mit dem edlen Leu, sei es mit Beinamen wie Heinrich der Löwe und Richard Löwenherz oder als Herkules, den Löwenbezwinger. Es ist die Frage, ob der Löwe zum einen als Symbol der Tapferkeit, Stärke und Macht, zum anderen als Wappentier eine solche Karriere gemacht hätte, wenn man schon früher die heutigen Erkenntnisse der zoologischen Forschung gehabt hätte, nämlich dass der männliche Löwe mit seiner imposanten Mähne eigentlich ein fauler und ziemlich feiger Pascha ist. Nur die weiblichen Löwen jagen und schaffen das Futter für die Großfamilien heran, verteidigen das Rudel und ziehen den Nachwuchs auf. Lediglich wenn es um die Verteidigung seines Harems gegen einen anderen männlichen Löwen geht, legt sich der „Herrscher des Tierreichs“  ins Zeug, brüllt fürchterlich und versucht – auch im Kampf auf Leben und Tod – den Konkurrenten zu vertreiben. All dies wusste man viele hundert Jahre lang nicht. Man war beeindruckt vom imposanten Aussehen, dem furchterregenden Gebrüll und sicher auch von der „Zweikampfstärke“ eines Löwen gegen den Nebenbuhler. Vor Begeisterung dichtete man ihm gleich noch eine ganze Reihe von positiven Eigenschaften an, etwa Standfestigkeit, Treue und Selbstbewusstsein. Die alten Ägypter, Griechen, Assyrer, Römer und viele andere Völker und Kulturen kannten Löwen; in der Bibel ist der Löwe über hundertmal erwähnt; er gehört zu den zwölf Sternzeichen, er ist der Begleiter von Heiligen und Kriegsgöttern und eine ganze Reihe von Fabeln rankt sich um ihn.
In Bayern ist der Löwe – ebenso wie die weiß-blauen Rauten – seit 800 Jahren aus dem bayerischen Wappen nicht mehr wegzudenken. Wappen waren ursprünglich persönliche Abzeichen, die im Schlachtgetümmel den bei geschlossener Rüstung unkenntlichen Ritter als Freund oder Feind zu identifizieren halfen. Bald wurden diese persönlichen Zeichen jedoch zu Kennzeichen von Familien, von Institutionen und schließlich von ganzen Territorien, wobei das Wappen eines „Landes“ eigentlich das Abzeichen der regierenden Dynastie war. So verband man etwa Löwe und Rauten mit der Familie der Wittelsbacher, aber auch mit (Alt-)Bayern und der Pfalz. Woher kommt der bayerische Löwe? Zunächst führten die Wittelsbacher einen Adler im Schild, der als Wappentier fast ebenso beliebt ist, wie der Löwe. Erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts kamen die Rauten, ein angeheiratetes Erbe der Grafen von Bogen, und der Löwe ins Wappen. Der Löwe im bayerischen Wappen ist gewissermaßen Bayerns berühmtester Zugereister. Er hielt seinen Einzug, nachdem die Wittelsbacher fern von Altbayern mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt worden waren. Das geschah im Jahr 1214. Woher aber der Pfälzer Löwe kommt, ist in der Forschung bis heute umstritten. Vermutlich war er ein welfisches Erbe, das der bayerische Herzogssohn Otto neben der Pfalzgrafschaft bei Rhein von seinem Schwiegervater, dem welfischen Pfalzgrafen Heinrich übernommen hatte. Auf jeden Fall führten die Wittelsbacher den Leu seit dem 13. Jahrhundert im Wappen und über das Familienwappen der Dynastie wurde er schließlich zum Symbol des Landes Bayern.
Seit dem 14. Jahrhundert war es üblich, Rauten und Löwe auf einem Schild zu vereinen. Am weitesten verbreitet war die Form des viergeteilten Schildes mit je zwei Rauten- und zwei Löwenfeldern, wobei die Reihenfolge der Bilder bei den Altbayern wie bei den Pfälzern ohne erkennbares System wechselte. Erst seit dem 17. Jahrhundert bürgerte sich ein, dass die Altbayern an erster Stelle die Rauten, die Pfälzer an erster Stelle die Löwen in die Vierung setzten. Danach hat das Wappen zahlreiche Veränderungen erfahren bis zum heutigen Staatswappen, das vom Münchner Graphiker Eduard Ege entworfen wurde – von dem übrigens auch das Bundesbahn-Signet DB stammt – und seit 1950 gilt. Es zeigt neben dem pfalz-bayerischen Löwen und dem fränkischen Rechen, den blauen Panther von Niederbayern, drei Staufer-Löwen für Schwaben und die weiß-blauen Rauten als Herzschild.
Auf den Denkmälern im Land ist jedoch meist das königliche Wappen zu sehen, das von 1835 bis 1918 Gültigkeit besaß. Dieses Wappen zeigt neben dem Mittelschild mit den bayerischen Rauten in vier Feldern: den pfalz-bayerischen Löwen, den fränkischen Rechen, das rot-weiß-rot unterlegte Symbol der in Schwaben gelegenen Markgrafschaft Burgau für den schwäbischen Teil Bayerns und schließlich den Veldenzer Löwen als besonderen Hinweis auf die Abstammung des regierenden Herrscherhauses aus der Familie der Pfalzgrafen von Zweibrücken-Veldenz. Viel wurde auch in den zweigeteilten Schweif des bayerischen Löwen hineingedeutet: Soll er die Pfalz und Bayern symbolisieren? Oder andere Teilungen? Vermutlich sind all diese Überlegungen viel zu hoch angesetzt. Wahrscheinlich ist der Grund im Stilistischen zu suchen. Dafür spricht zum Beispiel, dass verschiedene Schwanz-Formen nebeneinander vorkommen, zum Teil sogar auf ein und demselben Wappenschild. Durch die Jahrhunderte hat sich auch die Schweif-Form viele Veränderungen gefallen lassen müssen. Und so lange keine plausible Erklärung über seine Entstehung gefunden werden kann, sollte man die Frage eher in den Bereich der Kunstgeschichte verbannen. Seit der Hochgotik kommen verschiedentlich Löwen mit wild gestalteten, zum Teil sogar geknoteten und geteilten Schwänzen vor. Der zweigeteilte Schweif ist – wie der Löwe selbst – keine bayerische Eigenart, auch wenn die Schwanzform hierzulande sogar juristische Folgen nach sich zog, in Sachen Brauerei-Löwe contra Fußball-Löwe... (Cornelia Oelwein) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juni-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 25 vom 19. Juni 2015) Abbildungen:
Der König der Tiere – aber dem starken Heros aus dem Götter-Olymp muss er sich beugen: Herkules mit dem nemeischen Löwen, eine niederländische Arbeit (um 1620) in der Münchner Residenz. (Foto: BSV) Den Burglöwen in Braunschweig (im Freien steht heute eine Kopie) ließ Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen, um 1166 errichten. (Foto: dpa)

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