Unser Bayern

(Foto: SSKA)

23.12.2016

Hilfe zur Selbsthilfe

Bayerns Sparkassen im Wandel der Zeit: Vor 200 Jahren beförderte eine königliche Empfehlung die Geldanlage für jedermann

Europa ist im Umbruch. Zugleich führen die Auswirkungen des Klimawandels zu Missernten und wirtschaftlicher Not: Wir schreiben das Jahr 1816. Zum Schutz vor künftiger Armut wird in Bayern erstmals von Seiten des Staates die Gründung von Sparkassen empfohlen. Die Sparkassenidee ist im digitalen Zeitalter so aktuell wie vor 200 Jahren: Es geht darum, Menschen bei der persönlichen finanziellen Vorsorge zu unterstützen.

Die Vordenker

Frankreich 1611. In einem Buch über Wirtschafts- und Verwaltungsfragen empfiehlt der Finanzbeamte Hugues Delestre die Schaffung einer Sparmöglichkeit für Diener und Lohnarbeiter. Diese könnten sich so aus eigener Kraft gegen die finanziellen Auswirkungen von Krankheit, Alter und Tod absichern. Mit Robinson Crusoe wird der englische Schriftsteller Daniel Defoe weltberühmt. In seinen weniger bekannten sozialkritischen Schriften fordert Defoe 1697 die Errichtung eines Sparinstitutes für jede britische Grafschaft. Delestre und Defoe sind ihrer Zeit weit voraus. Tatsächlich entstehen die ersten Sparkassen in Großbritannien 1810 und in Frank­reich 1818.

Leihhäuser und Waisenkassen

Auf der Suche nach der ältesten deutschen Sparkasse stellt sich die Frage, ob die Leihhäuser und Waisenkassen des 18. Jahrhunderts nach heutigem Verständnis schon richtige Sparkassen oder eher deren Vorläufer sind. Je nach Region wird dies verständlicherweise vollkommen unterschiedlich gesehen. 1738 wird in Hanau (Hessen) eine „Lehn-Banco“ (Leihbank) gestiftet. Einlagen von „Bemittelten“ dienen zur Ausgabe von Darlehen. Eine ähnliche Aufgabenstellung hat ab 1774 die „Castell‘sche Land-Kreditkassa“ in Cas­tell (Unterfranken). Das Einlagengeschäft dient auch hier der Mittelbeschaffung für die regionale Kreditversorgung. Die Förderung der Sparsamkeit wird zunächst nicht als vorrangiges Ziel gesehen. Andere Institute sehen dagegen ihren Schwerpunkt in der Schaffung von sicheren Anlagemöglichkeiten für schutzbedürftige Bevölkerungsteile. 1746 entsteht beispielsweise eine Waisenkasse in Roth (Württemberg) und 1749 in Salem (Baden). Diese Einrichtungen sollen der missbräuchlichen Verwendung von Waisengeldern vorbeugen. Die Vormünder werden verpflichtet, das Vermögen ihrer Mündel dort anzulegen.

Modernisierung mit Nebenwirkungen

Die Neugliederung Europas durch Napoleon Bonaparte bringt für das Kurfürstentum Baiern ab 1803 den Zuwachs zahlreicher weltlicher und geistlicher Herrschaften in Altbaiern, Franken und Schwaben. Mit der Auflösung der Klöster und der Beseitigung der Leibeigenschaft endet jedoch auch die Fürsorge von Kirche und Adel für ihre Untertanen. So dienten die Klöster der ländlichen Bevölkerung nicht nur als Arbeitgeber. Sie stellten vielmehr auch Kredite zu sozial verträglichen Konditionen zur Verfügung. Der neue zentral organisierte Staat hatte dieses regional gewachsene Netz aus Abhängigkeit und Sicherheit (zunächst) ersatzlos beseitigt.

Die Klimakatastrophe

1815 bricht in Indonesien der Vulkan Tambora aus. Seit mehr als 20 000 Jahren gab es auf der Erde keine derart gewaltige Eruption. Die ausgeworfene Asche bewirkt in der Atmosphäre eine weltweite Klimaveränderung. 1816 ist in Europa das „Jahr ohne Sommer“ (siehe: Unser Bayern Nr. 4, April 2015). Von April bis September gehen Regen-, Graupel- und Schneeschauer nieder. Überschwemmungen, Missernten und Tierkrankheiten führen zur größten Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Der Vulkanexplosion folgt eine Preisexplosion für Getreide. Die fehlenden finanziellen Rücklagen in der Bevölkerung lassen das tägliche Brot zum unbezahlbaren Luxusgut werden.

Der Staat reagiert

Die „Allgemeine Verordnung das Armenwesen betreffend“ vom 23. November 1816 zeugt von den Bemühungen des bayerischen Königs, das Armutsrisiko durch Hilfe zur Selbsthilfe zu mildern. In diesem Zusammenhang wird den Gemeinden erstmals offiziell die „Bildung von Sparkassen“ empfohlen. Auch weniger bemittelten Teilen der Bevölkerung soll nun eine Gelegenheit zur zinsbringenden Anlage ihrer kleinen Ersparnisse gegeben werden, zum Beispiel als Vorsorge für den Fall von Arbeitslosigkeit oder zur Überbrückung von künftigen Missernten.

Bayerns erste Sparkasse in Nürnberg

Schon vor der allerhöchsten Empfehlung von 1816 wird in bayerischen Gemeinden über die Möglichkeit von Sparkassengründungen nachgedacht. In Nürnberg verfasst 1810 Magistratsrat Johann Christoph Friedrich Schmid einen Entwurf für eine „Spahr- und Versorgungs-Cassa“. Durch regelmäßiges Sparen könnten sich junge Leute einen Grundstock für eine Existenzgründung schaffen. Das von der Sparkasse angesammelte Geld sollte wiederum gegen Hypothek an Bauern und Gewerbetreibende ausgeliehen werden. Bei der Regierung in Ansbach und im Innenministerium in München hält man Schmid jedoch für einen unbedeutenden Wichtigtuer. Vermutlich 1813 versucht der Nürnberger Stadtgerichtsassessor Rudolf Sigismund von Holzschuher einen erneuten Anlauf zum Thema Sparkasse. Da arme Leute mangels sicherer Anlagemöglichkeit zu unüberlegten Ausgaben neigten, hätte eine Sparkasse auch einen erzieherischen Wert: „Der lustige Bruder verschwendet solches, welches er unterließe, woferne es in sicherer Verwahrung liegete.“ Auch dieses Konzept wird zusammen mit einer ganzen Reihe ähnlicher Vorschläge einfach ad acta gelegt. In der Zeit der Napoleonischen Kriege genießt das Thema offensichtlich noch nicht die allerhöchste Priorität. Mehr Erfolg hat der Nürnberger Kaufmann und Magistratsrat Johannes Scharrer, der später als Pionier der Nürnberg-Fürther Eisenbahn Bekanntheit erlangt. 1820 appelliert Scharrer an den Lokalpatriotismus: In Stuttgart und Wien gäbe es schon Sparkassen – und was man dort könne, das müsse doch in Nürnberg ebenso gut möglich sein. Der einfach und verständlich formulierte Statutenentwurf aus der Feder des erfahrenen Geschäftsmanns überzeugt schließlich die städtischen Gremien. Am 5. Mai 1821 erteilt in Ansbach die Regierung des Rezatkreises dem Nürnberger Magistrat die Genehmigung zur Errichtung der ersten bayerischen Sparkasse.

Private Trägerschaft in Augsburg

Nur kurze Zeit später ist in Augsburg Johann Lorenz von Schaezler mit seinem Plan einer von Privatbankiers getragenen Sparkasse erfolgreich. Obwohl in Nürnberg von Anfang an der Magistrat für die Sparkasse verantwortlich ist, entscheidet man sich in Augsburg für die Trägerschaft durch einen Verein. Mitglieder dieses Vereins sind der Bankier Johann Lorenz von Schaezler, die Bankfirmen Carli & Comp. und J. G. Süßkind, sowie das Bankhaus Wohnlich & Froelich. Als zweitälteste bayerische Sparkassengründung hat die „Augsburgische Ersparniß-Kasse mit Verzinsung“ ihren ersten Geschäftstag am 2. Februar 1822. Heute ist die Stadtsparkasse Augsburg „nur“ die drittälteste Sparkasse Bayerns, denn die Coburger waren mit Ihrem Sparkassenprojekt um wenige Wochen schneller als die Augsburger. Zu Bayern gehört Coburg jedoch erst seit 1920.

Wohin mit dem Geld?

Besonders hilfreich wird für die jungen Sparkassen die Möglichkeit, die Einlagen direkt beim Staat anzulegen. Den Anstoß hierzu gibt Schaezler mit einem Schreiben vom 13. Dezember 1822 an das Königliche Finanzministerium. Der Brief aus Augsburg hat seine Wirkung offenbar nicht verfehlt. Eine Verordnung vom 26. Februar 1823 verpflichtet die Staatsschuldentilgungskasse, von den Sparkassen Beträge ab 100 Gulden verzinslich anzunehmen. Zugleich werden zusammen mit der Verordnung auch die Statuten der Sparkassen Nürnberg und Augsburg bekannt gemacht, „damit sie anderen Gemeinden … bei der Errichtung gleicher Anstalten als Leitfaden dienen können.“ Somit steht einer erfolgreichen Entwicklung der Sparkassen in ganz Bayern nichts mehr im Wege. Ende 1823 bestehen schon Sparkassen in ... (Stefan Fendt)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Dezemberausgabe von UNSER BAYERN (BSZ Nr. 51/52 vom 23. Dezemberg 2016)

Abbildung:
Erstes Sparkassenbuch der Augsburger Sparkasse. Da in Nürnberg zunächst nur „Sparkassenscheine“ ausgestellt werden, handelt es sich hier wohl um das älteste bayerische Sparkassenbuch. (Foto: SSKA)

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