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Wenig wissenschaftlich ist der Text auf dem Flugblatt von 1683 (Stecher: Johann Georg Bodenehr, verlegt in Augsburg bei Johann Georg Schönigk). "Ihr Betrachter und Beobachter der täglich-neuen Weltbegebenheiten" ist es überschrieben. Es warnt angesichts der „abermahl in der Lufft augesteckten Göttlichen Zorn-Fackel“ und gemahnt anlässlich von Kometenerscheinungen zu Buße und Besserung. (Foto: Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums)

18.09.2015

Im Bann der Gestirne

Bayern gegen Ende des Mittelalters: Astrologen wirkten für den Adel als Politikberater

Himmelsphänomene aller Art haben die Menschen schon immer in ihren Bann gezogen. Während die einen nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen strebten, um diese Beobachtungen zu enträtseln, meinten andere, in der Esoterik den Schlüssel zur Erklärung gefunden zu haben. Und so kam es, dass sich ab dem 16. Jahrhundert aus der ursprünglich einheitlichen Sternenkunde zwei ganz unterschiedliche Disziplinen entwickelten: Astronomie und Astrologie. Der gegenwärtige Standpunkt der Wissenschaft lautet: Die Astronomie (wörtlich: „Beobachtung der Sterne“) ist eine exakte Naturwissenschaft. Sie versucht, das Universum als Ganzes, seine Entstehung und seinen Aufbau zu verstehen. Die Astrologie (wörtlich: „Sterndeutung“) hingegen möchte irdische Vorgänge mittels der Deutung von Planetenkonstellationen erklären. Astrologen glauben nämlich daran, dass es einen direkten kosmischen Einfluss der Himmelskörper auf das Schicksal jedes einzelnen Menschen gibt. Im Gegensatz zur Astronomie wird sie meist als unwissenschaftlich angesehen: denn es gibt keine stichhaltigen Beweise für den Erfolg astrologischer Vorhersagen. Dies schließt freilich nicht aus, dass auch heute noch viele Menschen eine Wirksamkeit der Astrologie für möglich halten. Horoskope sind nach wie vor fester und viel gelesener Bestandteil zahlreicher Zeitungen und Magazine.

Horoskop und Politik

Reisen wir auf dem Zeitstrahl der Geschichte einige Jahrhunderte rückwärts, so bietet sich uns eine völlig andere Situation. Im Mittelalter, grob zwischen etwa 500 und 1500, aber auch noch in der beginnenden Neuzeit waren Astronomie und Astrologie keineswegs streng voneinander getrennt. Vielmehr ergänzten sich diese beiden Disziplinen gegenseitig: Die Astronomie ermittelte mit Hilfe von Berechnungen die Planetenpositionen; und diese wurden dann in Horoskopen astrologisch interpretiert. Zu jener Zeit gab es auch eine enge Beziehung zwischen Sterndeutung und Politik. Zahlreiche Herrscher, die damals Horoskope in Auftrag gaben, betrachteten die Astrologie als eine Art naturwissenschaftliche Methode der Politikberatung. Folglich dienten astrologische Prognosen oftmals als Grundlage für politische Entscheidungen. Wer waren die Astrologen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit? Die überraschende Antwort: Die meisten von ihnen waren keine Schwindler und Quacksalber, sondern seriöse und angesehene Naturwissenschaftler. Einige wurden von persönlicher Begeisterung für diese Materie geleitet. Für andere wiederum bot der Beruf als Astrologe eine Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen. Aus Bayern gibt es hierfür prominente Beispiele: Der im unterfränkischen Königsberg geborene Johannes Müller (1436 bis 1476), besser bekannt unter seinem lateinischen Namen Regiomontanus („Der Königsberger“), wirkte als Astrologe für die österreichische Dynastie der Habsburger. Regiomontanus gilt als bedeutendster abendländischer Astronom und Mathematiker des 15. Jahrhunderts.

Astrologie-Lehrstuhl im Vatikan

Der noch berühmtere Johannes Kepler (1571 bis 1630), der in Regensburg starb und dort begraben wurde, erstellte während des Dreißigjährigen Krieges Horoskope für den Feldherrn Wallenstein.

Im Lauf des Mittelalters wurde es eine regelrechte Mode, dass sich Kaiser, Könige, Herzöge und andere Adelige von Astrologen beraten ließen. Hierzu gehörten beispielsweise der Stauferkaiser Friedrich II. (1194 bis 1250) und der Habsburgerkaiser Friedrich III. (1415 bis 1493). Auch hohe Geistliche vertrauten auf die Macht der Gestirne. Dieses Phänomen traf sogar auf mehrere Päpste zu: Paul II. (1417 bis 1471) bekannte bei seiner Amtseinführung, dass er an den Wahrheitsgehalt von Horoskopen glaube. Sein Nachfolger Sixtus IV. (1414 bis 1484) engagierte Sterndeuter, damit sie astrologisch günstige Termine für Staatsempfänge ermittelten. Und Leo X. (1475 bis 1521) gründete im Jahr 1520 an der päpstlichen Universität im Vatikan einen eigenen Lehrstuhl für Astrologie. Die Begeisterung für die Astrologie trug auch in Bayern reiche Blüten: Vor allem zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert gab es dort zahlreiche weltliche und geistliche Adelige, die in den Bann der Sterne geraten waren. Der Bamberger Fürstbischof Georg III. (1522 gestorben) aus dem fränkisch-schwäbischen Geschlecht der Schenk von Limpurg, ließ für sich ein Geburtshoroskop erstellen. Es sollte ihm Aufschluss über seinen zukünftigen Lebensweg geben. Urheber dieses Dokumentes war eine überaus schillernde und rätselhafte Persönlichkeit: der Wanderarzt, Wahrsager und Wunderheiler Johann Georg Faust aus Knittlingen bei Karlsruhe. Er soll angeblich über magische Kräfte verfügt haben und in Kontakt mit höheren Mächten gestanden sein. Ebendieser Faust war das Vorbild für den sagenumwobenen Doktor Faustus, dem Johann Wolfgang von Goethe ein literarisches Denkmal setzte.

Mehrere Fälle von astrologiebegeisterten Adeligen kennen wir aus der Dynastie der Wittelsbacher. Von Herzog Ludwig IX. von Niederbayern (1417 bis 1479) ist überliefert, dass er oftmals Astrologen sowie Experten für „magische Medizin“ konsultierte. Ernst (1554 bis 1612), der als Fürstbischof von Freising wirkte, hatte nachweislich ein Faible für Astrologie und Alchemie. Eine besondere Rolle spielte die Sternenkunde im Leben zweier Wittelsbacher Herrscher: Ottheinrich (1502 bis 1559) und Ludwig X. (1495 bis 1545).

Komet und Apokalypse

Der aus Amberg stammende Ottheinrich war seit 1522 Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg, eines Herzogtums mit der Residenzstadt Neuburg an der Donau. Ein ausschweifender Lebensstil und ein verantwortungsloser Umgang mit den Staatsfinanzen führten dazu, dass er stolze 200 Kilogramm Körpergewicht auf die Waage brachte und einen immer größeren Schuldenberg auftürmte. Schließlich musste Ottheinrich seine Besitzungen seinen Gläubigern überlassen und aus Pfalz-Neuburg fliehen. Im Jahr 1546 wurde er von seinem Onkel in Heidelberg aufgenommen; später lebte er zeitweise im Karmeliterkloster in Weinheim. Dort im Exil kam Ottheinrichs Leidenschaft für alle Arten von Geheimwissenschaften voll zur Entfaltung.

Sein vermeintliches Erweckungserlebnis fand am 3. Juli 1547 statt: Am Abendhimmel erblickte er eine glühende rote Kugel, die ihn zugleich faszinierte und beunruhigte. Könnte dieser Komet vielleicht die nahende Apokalypse ankündigen?, fragte sich der bange Herrscher. Jedenfalls stürzte sich Ottheinrich fortan Hals über Kopf in eine esoterische Parallelwelt und geriet völlig in den Strudel des Okkultismus. Er ließ sich ein eigenes alchemistisches Labor einrichten, mit dem er Gold und den legendären Stein der Weisen, der ewiges Leben versprach, herstellen wollte. Ottheinrich musste seine ehrgeizigen Ziele bald aufgeben – bis heute ist es keinem Menschen gelungen, diese Substanzen künstlich zu erzeugen... (Daniel Carlo Pangerl) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der September-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 38 vom 18. September 2015)

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