Unser Bayern

Ein Juwel moderner Hochschularchitektur ist das Ensemble der Nürnberger Akademie der Bildenden Künste; seit 1988 steht der Sep-Ruf-Bau unter Denkmalschutz. (Foto: Gerstl)

25.05.2012

Künstlerisches Studium

Die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg: Eine Gründung der barocken Reichsstadt


ubiläen sind Anlass, das Selbstverständnis einer Institution darzustellen. 1933 feierte die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg ihr 100-jähriges Jubiläum – und keine 30 Jahre später, nämlich 1962, schon ihr 300-jähriges Bestehen. Dieses Jahr der Kunst feiert unter anderem „350 Jahre Kunstakademie". Die Tradition der Akademie spiegelt eine sich kontinuierlich wandelnde Eigenauffassung wieder – eine unverzichtbare Eigenschaft von Kunsthochschulen. Die Kunstakademie in Nürnberg rekurriert auf zwei Traditionen: Zum einen die akademische Praxis des gelehrten Austauschs im privaten Zirkel, zum anderen die reichsstädtische Wirtschaftsförderung, die die zeitgemäße, repräsentative Gestaltung Nürnbergs im Sinne hatte und die berufsorientierte Ausbildung junger Menschen in einer Zeichenschule befürwortete und förderte. Bereits 1660 fand sich in Nürnberg ein Kreis von Kunstliebhabern und Künstlern zusammen, der gemeinsam nach druckgrafischen wie plastischen Vorlagen und nach dem lebenden Modell zeichnete und über Kunst diskutierte. In der Wohnung Jacob von Sandrarts am vornehmen Nürnberger Neuen Bau, dem heutigen Maxplatz, traf man sich. Jacob von Sandrart, der Neffe des berühmten Malers, Kupferstechers, Kunsthistorikers und Übersetzers Joachim von Sandrart, lebte seit 1656 als Kupferstecher und Verleger in Nürnberg. 1660 zog sein Schwager, Georg Christoph Eimmart, aus Regensburg nach. Der junge Mathematiker und Astronom versuchte im Kupferstechen als Brotberuf sein Auskommen zu finden und bedurfte – trotz der Herkunft aus einer Künstlerfamilie – dringend einer künstlerischen Fortbildung. Elias von Goedeler, später als markgräflicher Hofbaumeister nach Bayreuth berufen, gesellte sich ebenso zu diesem Kreis wie Joachim von Nützel, Nürnberger Patrizier und Dilettant im ursprünglich positiv gemeinten Sinn eines Kunstliebhabers. Die gelegentlichen Treffen waren unverbindlich, hatten weder eine feste Struktur, noch einen Studienplan oder gar eine Satzung. Man traf sich privat, wie es in vielen Künstlerhäusern dieser Zeit in ganz Europa üblich war, um „Academien", also Schulungen, zu veranstalten. Deshalb werden die dabei entstandenen Aktzeichnungen auch als „Academien" bezeichnet. In loser Folge verabredete man sich ohne festen Terminplan: ein Jahr häufiger, dann wieder gar nicht mehr, bis schließlich Jahre später die Zusammenkünfte wiederbelebt wurden. Als Joachim von Sandrart 1674 in Nürnberg seinen Alterswohnsitz nahm, freuten sich die ortsansässigen Künstler, eine solche Berühmtheit in ihrem Kreis begrüßen zu dürfen und hofften, von seinen reichen Erfahrungen zu profitieren. Ein Vereinsheim fand sich zuerst im aufgelassenen Barfüsserkloster, dann im ehemaligen Katharinenkloster in der Nähe zum anatomischen Theater; die Anatomie war für die Künstler ohnehin ein spannendes Thema. Als privater Zusammenschluss war die Nürnberger Akademie jedoch nicht vergleichbar mit den staatlich organisierten Akademien in Florenz, Rom, Paris und – seit 1696 – Berlin. Die Nürnberger Räte akzeptierten die zwanglosen akademischen Treffen der Kupferstecher und Kunstliebhaber, war in ihnen doch keine Konkurrenz zu den vom Rugamt streng kontrollierten Maler-Handwerkern der Reichstadt begründet. Das änderte sich mit der Rückkehr Johann Daniel Preißlers aus Italien. Der 1666 in Nürnberg geborene Maler protestierte im Jahr 1700 dagegen, als Virtuose, der seine Meisterschaft auf Reisen erworben habe, mit den städtischen Handwerksmalern gleichgesetzt zu werden und wollte sich nicht deren Normen und den Zwängen einer Handwerksordnung unterwerfen. Der Rat bemühte sich, den sozialen Konflikt – und um einen solchen handelte es sich – durch einen Kompromiss zu entschärfen. Preissler und einigen anderen Abtrünnigen sollte es ermöglicht werden, sich durch die jährliche Zahlung von drei Gulden in die Handwerkslade freizukaufen. Damit wollten sich die Handwerker nicht zufrieden geben; sie verlangten ein Meisterstück von den in ihren Augen Aufsässigen. Der Streit schwelte und eskalierte: Preißler hätte viel zu viele Lehrjungen aufgenommen, wetterten die Malerhandwerker. Da sann der als Ratsbaumeister involvierte Gottlieb Volckamer auf einen Ausweg und stieß auf die Akademie. Sie sollte als Schule institutionalisiert und Preißler als ihr Direktor engagiert werden. Die Ausbildung von Lehrjungen an der Akademie würde die Qualität der Werkstatt-Lehre ergänzen. Politische, repräsentative und ökonomische Überlegungen standen an der Wiege der Institution. 1704 wurde Johann Daniel Preißler bestallt und eine Schulordnung abgesegnet. Ab 1707 erhielt er ein jährliches städtisches Salär als Akademiedirektor. 1716 errichtete Preißler zusätzlich eine Zeichenschule, für deren Leitung er jährlich weitere 50 Gulden von der Stadt empfing. Fortan gab es zwei Kunstschulen in Nürnberg: Die Akademie, die sich als Künstlerkreis über das gemeinsame Zeichnen nach dem lebenden Modell definierte, und die Zeichenschule, die Kindern die Anfangsgründe des Zeichnens vermittelte. Seine pädagogischen Bemühungen dokumentierte Preißler in dem mehrbändigen Lehrwerk Durch Theorie erfundene Practic, das bis ins 19. Jahrhundert in Schulen benutzt wurde. Preißlers Nachkommen führten die Zeichenschule bis 1843 fort. Den Preißlern ist die Gründungsgeschichte der Nürnberger Akademie in Gestalt einer prächtigen Chronik im Folio-Format zu danken. Sie beschworen eine Tradition, die die Institution seit damals fortschreibt: 1662 sei in Nürnberg die Akademie als erste Kunstakademie im deutschsprachigen Raum gegründet worden. Das exakte Datum ist verdächtig und wirkt konstruiert: Denn 100 Jahre zuvor war in Florenz die erste offizielle europäische Kunstakademie eingerichtet worden: Auf Betreiben Giorgio Vasaris und auf Veranlassung der Medici, zur Vermehrung des Ruhms der florentinischen Republik. Aus Italien brachte Johann Justin Preißler eine große Sammlung von Abgüssen antiker Gemmen mit. Für diese interessierte sich in Nürnberg die verwitwete Susanna Maria Graf, eine berühmte Schneiderin von Porträtgemmen. 1738 heirateten beide. Künstlerisch trat auch die Enkelin hervor: Christina Zwinger leitete von 1819 bis zu ihrem Tod die Zeichenschule. Ab 1771 stand der Porträtmaler Johann Eberhard Ihle der Nürnberger Akademie vor. Zu seiner Zeit spiegelte sich der wirtschaftliche Niedergang der Stadt im Geschick der Akademie wieder. Talentierte Künstler suchten ihr Auskommen andernorts. Kritiker behaupteten 1788 gar, die Akademie sei quasi nicht mehr existent, sie kenne ihre eigenen Mitglieder nicht. 1806 kam die Reichsstadt Nürnberg an Bayern. Das Königreich Bayern übernahm 1808 die Besoldung der Direktoren der Akademie und der Zeichenschule und bestätigte damit beide Einrichtungen. Zur zentralen Anstalt für die Kunstpflege in Bayern erklärte König Max I. Joseph noch im selben Jahr die in München etablierte Kunstakademie. Der Nachfolger Ludwig I. hielt mit seinen Plänen für die Nürnberger Einrichtung nicht hinter dem Berg: „Die Münchner Akademie bildet hinreichlich, mehr als hinreichlich Maler fürs Königreich. Außer der Kupferstecherkunst halte ich es für weit vorzüglicher, wenn in Nürnberg gar nicht getrachtet werde, eigentliche Künstler zu bilden, sondern daß Kunst in die Gewerbe komme." Ein Erlass des Ministeriums des Inneren vom 4. Juni 1833 wurde deutlicher: Die Kunstschule, als solche war die Akademie 1821 eingestuft worden, sollte in der geplanten Kreisgewerbeschule aufgehen und ihr bisheriger Direktor dort Zeichnen unterrichten, um so „die Kunst in die Gewerbe zu übertragen". Die Akademie, die in der Nürnberger Burg mitsamt ihren inzwischen durch Zuwendungen gewachsenen Sammlungen ein vorübergehendes Zuhause gefunden hatte, sollte weichen. Gegen diese königliche Weisung mobilisierte der damalige Direktor Albrecht Reindel verletztes reichsstädtisches Selbstverständnis. Die beabsichtigte Schließung der Akademie interpretierte man als Degradierung gegenüber München. Der Magistrat führte die jahrhundertealte Tradition der Akademie und der Kunst in Nürnberg ins Feld. Durch den geschickten Schachzug der Verlegung der Kunstgewerbeschule in ein eigenes Gebäude, das ehemalige Landauersche Zwölf-Brüder-Haus, gelang es, ihre Selbstständigkeit zu bewahren. Mit der Bedeutungszuweisung als Schule zur Ausbildung von Kunsthandwerkern bzw. als Vorbereitungsseminar auf das Studium der freien Kunst an der Münchner Akademie, fand man sich dafür pro forma ab. Erst als nach dem Tod Albrecht Reindels im Jahr 1853 August Kreling, der spätere Schwiegersohn Wilhelm von Kaulbachs, des Direktors der Münchner Akademie, von jenem Kaulbach auf den Nürnberger Vorstandsposten empfohlen wurde, gewannen die Bemühungen um das Kunsthandwerk Gestalt. Kreling entwickelte einen neuen Lehrplan, der drei Schulabteilungen vorsah: eine, in der das Zeichnen im Mittelpunkt stand, eine zweite, die Malerei und Bildhauerei überschrieben war, und eine dritte zum „Verfertigen wirklicher Kunst- und Gewerbegegenstände", die Kreling „nach Gelegenheit" selbst übernehmen wollte. Die Schülerzahlen verdoppelten sich auf rund 90, das ehemalige Landauersche Altersstift platzte aus allen Nähten. Kreling sorgte für Abhilfe. Neue Schulräume gewann er dadurch, dass er sich 1863 der von seinem Vorgänger aufgebauten Vorbildsammlung entledigte und seine Wohnung im Schulgebäude gegen Mietentschädigung aufgab. Er baute sich eine mondäne Villa am Vestnertorgraben. 1866 pokerte August Kreiling hoch: Er habe einen Ruf nach Berlin erhalten, ließ er das zuständige bayerische Staatsministerium wissen. Bei Höherdotierung, besserer Ausstattung seines Nürnberger Instituts mit Mitarbeitern und angemessener Berücksichtigung bei staatlichen Aufträgen in Bayern sei er jedoch gewillt, in Nürnberg zu bleiben, räumte er großmütig ein. Und er erreichte, was er wollte: Kreling wurde als Direktor eingestuft und damit im Rang einem Professor an der Münchner Akademie der Bildenden Künste gleichgestellt, erhielt den persönlichen Adelstitel und Ordensauszeichnungen sowie drei neue Lehrerstellen für seine Nürnberger Schule. Kritisch vermerkte man in München jedoch die geforderte Position eines Sekretärs und die geplanten Meisterklassen: Beides lasse den Eindruck entstehen, man eifere wieder einem Akademieideal nach. Unerbittlich klingt eine vernichtende Rezension des Münchner Malers und Kunstkritikers Friedrich Pecht über den Beitrag der Nürnberger Schüler zur Jubiläumsausstellung des Münchner Kunst- und Gewerbevereins im Jahr 1876. Nichts Neues brächte sie zuwege, nur „die uralten Paradepferde, … die Bildhauerarbeiten, bei denen man Krelings Hand überall sieht, kurz jenen ganzen auf Brillieren bei Ausstellungen berechneten Klapperapparat … Wenn man aber weiß, dass so ein unglücklicher Schüler ein halbes Semester auf das Austüfteln eines einzigen Ornaments oder Kopfes verwendet, höchstens zwei oder drei Akte in der gleichen Zeit zeichnen kann, wobei natürlich bei seiner täglichen Korrektur in sechs Wochen der Lehrer den ganzen Akt oder Kopf zuletzt eigentlich gezeichnet hat, wenn man überdies hört, wie die Schule zirka vier Monate jährlich Ferien macht, so ist man genötigt, die anfänglich günstige Meinung sehr herabzustimmen." Mit der Berufung des Architekten Adolf Gnauth aus Stuttgart zum Direktor hoffte man auf eine Wende im Nürnberger Lehrbetrieb. Gnauth definierte das Ziel der Schule dahingehend, für die verschiedenen Zweige der Kunstindustrie die erforderliche künstlerische Ausbildung zu vermitteln, insbesondere Musterzeichner, Modelleure, Lehrer für den kunstgewerblichen Unterricht und den Zeichenunterricht in Volksschulen, Realschulen usw. auszubilden. Jetzt wurde eine eigene Abteilung für Zeichenlehrer eingerichtet und die Abendkurse gezielt auf die Bedürfnisse von Lehrlingen im Druckgewerbe abgestimmt. Gnauths konsequente Aktualisierung des Lehrplans spiegelte sich in steigenden Schülerzahlen: 1885 waren 130 eingeschrieben, zu Beginn der 1890er Jahre besuchten über 200 ordentliche Schüler, Hospitanten und Abendschüler die Kunstgewerbeschule. Ihr Unterricht vermochte im Landauerkloster nicht mehr bewerkstelligt zu werden. 1894 bis 1897 erhielt die Kunstgewerbeschule daher einen imposanten Neubau an der Wöhrder Wiese. (Doris Gerstl) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Mai-Ausgabe von Unser Bayern.

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