Unser Bayern

Notenblatt zur Bayernhymne von Max Kunz. Die Archivalie ist hier vergrößert in einer Ausstellung zu sehen, die im vergangenen Jahr Schwandorf dem Komponisten gewidmet hatte; Kunz war dort im „Blasturm“ 1812 geboren worden. (Foto: dpa)

17.05.2016

Langes Casting

Vor 50 Jahren wurde das Lied „Für Bayern“ erstmals als Staatshymne bezeichnet

Am 26. Dezember 1805, nach dem Sieg Napoleons über Österreich und Russland, schlossen das Kaiserreich Frankreich und das Kaisertum Österreich den „Frieden von Pressburg“. Auf Grundlage dieses Vertrages wurde das Kurfürstentum Bayern – zur Belohnung für seine Unterstützung Napoleons – am 1. Januar 1806 zum Königreich erhoben. Der Wittelsbacher Maximilian I. Joseph stieg zum ersten König von Bayern auf. Zur Stärkung der bayerischen Identität sollte auch eine eigene Nationalhymne beitragen. Zwar entstanden in der Folgezeit immer wieder patriotische Lieder, die zu feierlichen Anlässen gesungen wurden und bei der Bevölkerung Popularität genossen. Seit 1806 vergingen aber sage und schreibe 160 Jahre, ehe Bayern eine offizielle Hymne mit einem eigenständigen Text und einer eigenständigen Melodie erhielt. Am 29. Juli 1966 erklärte der damalige bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel das Lied Für Bayern, welches bereits seit dem Jahr 1860 existierte, zur Hymne des Freistaates. Bis zu dieser Entscheidung war es jedoch ein weiter und steiniger Weg.

Lieder zur Krönung

Erste Ansätze zur Schaffung einer bayerischen Hymne gab es schon unmittelbar nach der Gründung des Königsreiches. Initiator war der gebürtige Würzburger Georg Joseph Vogler (1749 bis 1814), ein Weltenbummler und musikalischer Hans Dampf in allen Gassen. Er wirkte als Komponist, Dirigent und Organist in Mannheim, Paris, Stockholm und Darmstadt. Zwischenzeitlich ließ er sich in Rom zum Priester weihen; von Papst Pius VI. erhielt er mehrere Auszeichnungen und Ehrenämter. Anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten im Jahr 1806 komponierte Vogler zwei Werke. Zum einen eine Hymne für das Königreich Bayern, die den Worten begann: „Heil unserm König! Ewiger, umstrahle ihn mit Macht, den Menschlichen, den edlen, der für seine Völker wacht!“; zum anderen ein Patriotisches Volkslied für Bayern, dessen Text lautet: „Weiß glänzen die Felder, wenn schirmend der Winter ins Schneetuch sie hüllt; weiß schlummern die Wälder, wenn stürmend der zürnende Boreas brüllt, doch weiß ist auf grünender Laube des Frühlinges Blüte gestreut, blau färbt sich die herrliche Traube in herbstlicher goldener Zeit.“ Keine dieser beiden Kompositionen erhielt aber den Status einer offiziellen Hymne.

In England bedient

20 Jahre später erfolgte ein neuer, allerdings wenig origineller Versuch. In einem Liederbuch erschien eine „Nationalhymne des Königreichs Bayern“ mit dem Titel Heil unserm König, Heil! Der anonyme Verfasser dieses Stückes hielt es aber nicht für nötig, eine passende Melodie zu komponieren. Stattdessen unterlegte er den Text mit der englischen Königshymne God save the King. Die Hymne Heil unserm König, Heil! wurde lange Zeit bei Staatsakten des bayerischen Königs aufgeführt. Sie war gleichwohl nur als Notlösung gedacht. Daher gab König Maximilian II. den Auftrag, einen Wettbewerb für eine neue Hymne auszurichten. In einer zeitgenössischen Quelle lesen wir hierzu: „Im Vorjahre der Feier zum 700-jährigen Jubiläum der Stadt München (1858) wurde von allerhöchster Stelle gewünscht, daß die entlehnte aber als bayerische Nationalhymne gesungene Komposition ‚Heil unserm König, Heil ...‘ durch eine eigene, von einem vaterländischen Dichter gedichtete und von einem vaterländischen Musiker komponierte Hymne ersetzt werde.“

Drei für die Endauswahl

Am 26. September 1858 waren auf dem Festbankett zum Münchner Stadtjubiläum der König, seine Gemahlin und der gesamte Hofstaat anwesend. Bei diesem Anlass wurden drei Lieder dargeboten, die es in die Endauswahl für eine bayerische Hymne geschafft hatten. Darunter befand sich auch Bayern, mein Heimatland, welches der Hofkapellmeister Franz Lachner, immerhin eine musikalische Koryphäe, zu einem Text von Friedrich Beck komponierte. Aber keines der vorgetragenen Stücke fand beim König Gefallen. Die Suche nach der perfekten Hymne wurde deshalb auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt – und man sang weiterhin Heil unserm König, Heil! Etwa zur selben Zeit entstand nahezu unbemerkt ein Lied mit dem Titel Für Bayern. Dieses sollte später einmal die offizielle bayerische Hymne werden. Es erklang erstmals am 15. Dezember 1860 beim 20. Stiftungsfest der Bürger-Sänger-Zunft München, eines noch heute existierenden Musikvereins mit Chor und Orchester. Textautor war der Münchener Lehrer und Dichter Michael Öchsner (1816 bis 1893), gleichzeitig Herausgeber der Zeitschrift des Bayerischen Lehrervereins. Die Melodie hatte Konrad Kunz (1812 bis 1875) verfasst. Der aus dem oberpfälzischen Schwandorf stammende Kunz wirkte als Chordirigent am Münchener Hoftheater und leitete zugleich die Bürger-Sänger-Zunft. Am 8. Mai 1861 kam es zu einer erneuten Aufführung des Liedes Für Bayern in einem Konzert der Bürger-Sänger-Zunft. Hierüber schrieb der renommierte Komponist Max Zenger eine euphorische Zeitungskritik in den Münchner Neuesten Nachrichten, wodurch er das Lied einem breiten Publikum bekannt machte. Schon bald sang man es in Schulen sowie in Musik- und Schützenvereinen. Das Lied Für Bayern bestand in seiner ursprünglichen Fassung aus drei Strophen. Sie lauteten:

„Gott mit dir, du Land der Bayern, Deutsche Erde, Vaterland! Über deinen weiten Gauen Ruhe seine Segenshand. Er behüte deine Fluren, Schirme deiner Städte Bau und erhalte dir die Farben Seines Himmels Weiß und Blau!“

„Gott mit uns, dem Bayernvolke, Daß wir unsrer Väter wert Fest in Eintracht und in Frieden Bauen unsers Glückes Herd. Daß mit Deutschlands Bruderstämmen Einig uns der Gegner schau Und den alten Ruhm bewähre Unser Banner Weiß und Blau!“

„Gott mit ihm, dem Bayer-König, Segen über sein Geschlecht, Denn mit seinem Volk im Frieden Wahrt er dessen heilig Recht: Gott mit ihm, dem Landesvater, Gott mit uns in jedem Gau! Gott mit dir, du Land der Bayern, Deutsche Heimat Weiß und Blau.“

Schließlich wurde das Lied Für Bayern zu einem regelrechten Politikum. Kunz und seine Bürger-Sänger-Zunft nutzten nämlich ihre Auftritte, um Einfluss auf die bayerische Gesellschaft zu nehmen. Ihr Ziel lautete: Sicherung der bayerischen Verfassung, die seit dem 26. Mai 1818 Gültigkeit besaß und den Bürgern umfangreiche Freiheitsrecht garantierte. Daher richteten sie in München eine Verfassungsfeier aus, die am 26. Mai 1862 stattfand. Zu den Teilnehmern gehörten die königliche Familie – nicht aber Maximilian II. –, des Weiteren die königlichen Minister und die Honoratioren der Stadt München. Zu diesem Anlass erklang erstmals bei einer offiziellen Versammlung das Lied Für Bayern. Seitdem entwickelte sich dieses Stück zur heimlichen bayerischen Hymne und wurde immer wieder bei bedeutenden Ereignissen aufgeführt. Während der Text von Michael Öchsner meist unangetastet bliebt, ersetzte man die Melodie von Konrad Kunz oftmals durch eine andere Musik. Es handelte sich dabei um die Hymne Gott erhalte Franz, den Kaiser, die der berühmte österreichische Komponist Joseph Haydn im Jahr 1896/97 für die Habsburgermonarchie geschrieben hatte. Es ist auch dieselbe Melodie, zu der bis heute die deutsche Nationalhymne Das Lied der Deutschen“ (Text von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben) gesungen wird.

Vorbote des politischen Umbruchs

Besonderer Beliebtheit erfreute sich das Lied Für Bayern in anti-monarchischen Kreisen. Symptomatisch hierfür waren die Ereignisse des 26. Mai 1918: Der Erste Weltkrieg befand sich in seinen letzten Zügen, das Königreich Bayern stand kurz vor seinem Ende. Aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der bayerischen Verfassung hielt die Liberale Partei in München eine Verfassungsfeier ab. Auf dieser Veranstaltung sang man nicht mehr die Hymne Heil unserm König, Heil!, sondern das Lied Für Bayern. Das Stück wurde somit zum Vorboten eines politischen Umbruchs. Nach der Absetzung des letzten Wittelsbacher-Königs Ludwig III. am 7. November 1918 und der Ausrufung des Freistaates begann die demokratische Regierung, die Bezüge zur Monarchie zu tilgen. Diese Bestrebungen betrafen auch das Lied Für Bayern: Dessen dritte Strophe, in welcher der König gepriesen wird, durfte nun nicht mehr in Büchern erscheinen. Der neu gegründete Freistaat Bayern erhielt Verfassung und Wappen – aber keine eigene Hymne. Somit blieb dem Lied Für Bayern erneut der Status einer offiziellen Hymne verwehrt. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 wurde das Lied zwar nicht verboten, jedoch nicht mehr in den staatlichen Schul- und Gesangsbüchern abgedruckt.

Kultiger Sendeschluss

Neue Popularität gewann Für Bayern nach dem Zweiten Weltkrieg. Am 25. Januar 1949 übergab die US-amerikanische Militärregierung in Bayern ihren Münchener Rundfunksender an die neu geschaffene öffentlich-rechtliche Anstalt des Bayerischen Rundfunks. Von nun an wurde täglich zum Sendeschluss Für Bayern mit dem Text von Michael Öchsner und der Melodie von Konrad Kunz gespielt. Damit erreichte dieses Stück einen breiten Hörerkreis. Fast zeitgleich erfolgte eine Initiative der separatistischen Bayernpartei. Diese trat für ein unabhängiges Bayern ein und lehnte daher den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland ab. Im Jahr 1949 beauftragte die Partei den Dichter Joseph Maria Lutz (1893 bis 1972) aus Pfaffenhofen an der Ilm, eine neue Textfassung des Liedes Für Bayern zu schreiben. Darin sollte jeglicher Bezug zu Deutschland gestrichen werden. Beispielsweise ersetzte Lutz in der ersten Strophe „Deutsche Erde“ durch „Heimaterde“ und in der zweiten Strophe „mit Deutschlands Bruderstämmen“ durch „vom Alpenrand zum Main jeder Stamm“. In einer gänzlich neu verfassten dritten Strophe wurde das Volk zum Schutz der Bürgerrechte aufgerufen. Diese Version konnte sich zunächst nicht durchsetzen. Am 27. November 1952 beschloss der Bayerische Landtag einstimmig, dass die ersten beiden Strophen des Liedes Für Bayern in allen Schulen des Freistaates gelehrt werden mussten, und zwar in der originalen Textfassung von Michael Öchsner. Hingegen war Öchsners dritte Strophe wegen des Bezugs zur Monarchie politisch nicht mehr opportun. Am 3. März 1953 beauftragte der Ministerrat, bestehend aus CSU und SPD, den parteilosen Kultusminister August Rucker mit der Umsetzung dieses Landtagsbeschlusses. 1964 schlug dann die große Stunde der bayerischen Hymne. Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) gab die Anordnung, dass bei sämtlichen offiziellen Veranstaltungen im Freistaat Bayern, bei denen die deutsche Nationalhymne erklingt, auch Für Bayern gespielt werden solle... (Daniel Carlo Pangerl)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der April-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 17 vom 29. April 2016)

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