Unser Bayern

Das Holz muss zu Tal gebracht und abtransportiert werden: Die Muckklause im Unkental ist eine Staumauer, die das nötige Wasser fürs Triften zurückhielt. Das Bauwerk, 1792 errichtet, steht unter Denkmalschutz. (Foto: Bayerische Saalforste)

04.05.2018

Ohne Holz kein Salz

Warum Bayern auf österreichischem Gebiet Wälder gehören: Die Saalforste schreiben ein kurioses Stück Rechtsgeschichte

Bayern und Österreich teilen ein großes Stück gemeinsamer Geschichte. Auch wenn diese Gemeinsamkeit manchmal durch Zwistigkeiten gestört war, man erinnere sich nur an die Sendlinger Mordweihnacht von 1705 und den Tiroler Volksaufstand von 1809, so überwiegen doch die Gemeinsamkeiten. Einzelne Territorien der jeweiligen Länder wechselten im Lauf der Jahrhunderte den Besitzer: So musste Bayern gegen seinen Willen das Innviertel um Braunau und Schärding beim Frieden von Teschen 1779 an Österreich abgeben. Im anderen Fall gehörte das weltliche Territorium der Erzbischöfe von Salzburg zwischen 1810 und 1816 zu Bayern. Nach der kleindeutschen Lösung bei der Reichsgründung von 1871 marschierten Deutschland und Österreich politisch endgültig in unterschiedliche Richtungen, obwohl man im Krieg von 1866 noch gemeinsam gegen Preußen gekämpft hatte.
Aber eine enge Verbindung ist bis heute rechtsgültig: Der Freistaat Bayern hat im Salzburger Pinzgau, nicht weit von der deutsch-österreichischen Grenze entfernt, beträchtliches Grundeigentum, die sogenannten Saalforste. Dieser erstreckt sich oft unzusammenhängend über die sechs österreichischen Gemeinden Unken, Lofer, St. Martin bei Lofer, Weißbach, Saalfelden und Leogang. Etwa 60 Prozent der rund 18 600 Hektar großen Saalforste bestehen aus Waldflächen, der Rest sind alpine Rasen, Heide und Krummholzgebüsche. Größere Flächen werden noch als Almweiden oder Bergmähwiesen genutzt. Ein eigener Forstbetrieb in St. Martin bei Lofer ist für die Betreuung der fünf Reviere mit ihren 70 Walddistrikten zuständig. Dieser Forstbetrieb ist seit der Forstreform in Bayern im Jahr 2005 einer von 41 Forstbetrieben der Bayerischen Staatsforsten AöR.

Brennholz für die Saline

Dieses bayerische eigentum auf österreichischem Territorium hat eine ebenso lange wie wechselhafte Geschichte. Die Saalforste dienten ursprünglich der Versorgung der Saline von Bad Reichenhall mit Brennholz. „Ohne Holz kein Salz und ohne Salz kein Leben“, so lässt sich die Verbindung zwischen Holznutzung und Salzgewinnung zusammenfassen. Erst 1911 erfolgte die Umstellung der Reichenhaller Saline von Holz auf Kohle.
Vermutlich schon vor 2000 Jahren erfolgte die Salzgewinnung im Ostalpenraum durch das Versieden der Sole in den Salinen. Salzburger Güterverzeichnisse aus der Zeit zwischen 790 und 800 geben frühe schriftliche Hinweise auf Salinenwaldungen im Pinzgau und die Holztrift auf der Saalach nach Reichenhall. Herzog Theodo schenkte einst 19 Salzsieden in Reichenhall an das Stift Salzburg beziehungsweise dem Kloster Nonnberg in Salzburg. Die übrigen Anteilsbesitzer des Reichenhaller Sudwesens waren meist Klöster oder Privatleute. Zu ihren Pfannen bekamen sie die nötigen Waldgebiete als Energiequelle. Diese Anteile wurden von den bayerischen Herzögen im Lauf der Zeit zurückgekauft.
Die ungehinderte Nutzung der Wälder im Tal der Saalach endete 1228, als Herzog Ludwig die beiden Grafschaften im Pinzgau „aufsendete“ und der Salzburger Erzbischof Eberhard II. damit belehnt wurde. Bayern musste am Ende des 13. Jahrhunderts die Holzgewinnung im Pinzgau nach Salzburg versteuern. Offensichtlich erfolgte die Übertragung der Gerichtsrechte des Pinzgaus an Salzburg im Tausch gegen den Rückzug Salzburgs aus dem der Gerichtshoheit Bayerns unterstehenden Leukental um den Jochberg und Kitzbühl.

Als Salzburg „Ausland“ wurde

Der Anstieg der Bevölkerung im hohen Mittelalter führte mit dem größeren Salzbedarf (Salz war wichtig zur Vorratshaltung beziehungsweise Konservierung) zu verstärktem Holzeinschlag. Die Besitzer der Reichenhaller Saline verfügten zum Betrieb der Saline über größere Waldflächen im nahen Pinzgau, die aber mit der Ablösung Salzburgs von Bayern im Jahre 1328 plötzlich im „Ausland“ lagen. Nun kam es zu Schwierigkeiten mit Salzburger Bauern, die Wälder in Weiden umzuwandeln versuchten, die eigentlich für die Salinen „reserviert“ waren. Der Salzburger Erzbischof als Landesherr versuchte durch entsprechende Verordnungen Übergriffe auf die Waldwirtschaft abzustellen. Ein erster bekannter Vertrag zwischen Bayern und Salzburg datiert aus dem Jahre 1412. Damit waren im Abstand mehrerer Jahrzehnte regelmäßige „Waldverlackungen“ vorgesehen, bei denen die Grenzen überprüft und mögliche Missstände abgestellt werden sollten.
Als die Reichenhaller Saline um 1500 in den Besitz der bayerischen Herzöge kam, gingen auch die privaten Wälder der Reichenhaller Saline in Staatsbesitz über. Wälder um Kitzbühel, die ursprünglich auch als Saalforste für eine salinarische Nutzung dienten, gingen nach dem Landshuter Erbfolgekrieg von 1504 mit dem Verlust Kitzbühels an Tirol verloren, ebenso wie nach 1805 die Saalforsten im österreichischen Glemmtal (Saalbach-Hinterglemm).
Im Bewusstsein der Abhängigkeit von Salzerzeugung und geordneter Forstwirtschaft wurde 1509 in den Saalforsten eine Waldmeisterstelle eingerichtet, eines der ersten Forstämter in Mitteleuropa. 1525 kamen Bayern und Salzburg in Mühldorf überein, die Waldwirtschaft im Pinzgau durch ein eigenes „Landgebot“ zu regeln. Die Vereinbarung der Führung eines eigenen „Waldbuches“ formulierte nochmals die genauen Grenzen und ermöglichte zudem ab 1529 die genaue Kontrolle der nachhaltigen Bewirtschaftung der Waldflächen. Der Holzbezug der Bauern wurde nun geregelt, der Neubau von Kasern und Stadeln verboten. Ungenehmigte Bauten der vorangegangenen 40 Jahre hatten innerhalb von vier Wochen zu verschwinden. Im Gegenzug musste der „Salzmayr“ von Reichenhall jährlich dem „Urbarprobst“ im salzburgischen Zell die Menge gefällten Holzes melden und entsprechende Abgaben entrichten. Im Falle eines Strafverfahrens konnte sich Bayern direkt an den Salzburger Fürstbischof wenden.

Nebenverdienst verloren

Trotz dieser Regelungen kam es immer wieder zum Streit zwischen Bayern und Österreich um die Saalforste, die schließlich im Salinen-Hauptvertrag von 1781 beigelegt werden sollten. Die politische Entwicklung verhinderte aber das Wirksamwerden dieses Vertrages. Wegen seiner hohen Verschuldung musste die Fürstpropstei Berchtesgaden 1795 alle Rechte und Ansprüche im Dürrnberg sowie alle im Jahr 1793 vermessenen Salinenwälder an Bayern abtreten. Damit waren Bayern und Salzburg am Dürrnberg unmittelbare Nachbarn geworden. Als Österreich Salzburg mit Berchtesgaden im Jahr 1805 annektierte, stellte es umgehend jede Nutzung auf den dabei beschlagnahmten Salinenwaldungen ein. Dies war besonders für die Bevölkerung des Saalachtales tragisch ... (Alfred Wolfsteiner)

Abbildungen:
Das Forstbetriebsgebäude (bis 2005 „Forstamt“) im österreichischen St. Martin bei Lofer, die Zentrale der Bayerischen Saalforste. Bis 1990 gab es auch Forstämter in Unken und Leogang. (Foto: Bayerische Saalforste)
Die Wappen von Bayerns König Ludwig I. und des österreichischen Kaisers Franz Josef mit dem Doppeladler (rechts). (Foto: Bayerische Saalforste)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Ausgabe Mai/Juni von UNSER BAYERN, die der BSZ Nr. 18. vom 4. Mai 2018 beiliegt.
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