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Erinnerung an die Namen bekannter Hotels, zum Beispiel an das Hotel Alois Lang in Oberammergau. Es war einst eine renommierte Nobelherberge aus der berühmten Passionsspiel-Dynastie Lang. Seit 1998 dient das Haus als Seniorenwohnheim Ammertal. (Foto: Jan Kopp)

21.07.2017

Papperl zum Protzen

Kofferaufkleber waren einmal wichtig für die Logistik in Hotels. Bald wurden sie begehrte Souvenirs

Wenn statt einzelner bunter Zettel ein Bilderbogen die Wände des Koffers überzieht, aus dreieckigen, ovalen, viereckigen Bilderreihen, wenn noch die Kreidezeichen der Zollrevision, die Flecken von Seewasser, die Beulen von schlimmen Transporten ein beredetes Bild geben, dann ist er geadelt, dann erst prangt er in voller Schönheit.“ So lautet die die Homage an einen weit gereisten Koffer. Sie stammt von einem namentlich nicht bekannten Reiseschriftsteller aus dem Jahr 1914. Die Schauspielerin Marlene Dietrich, die weit herumkam, reiste stets mit riesigen dunkelbraunen und mit farbenprächtigen Aufklebern übersäten Schrankkoffern. Angeblich hatte sie sogar eine dicke Bürste und Klebstoff dabei, falls ein beim Transport beschädigtes oder abgerissenes Etikett repariert oder ersetzt werden musste.

Nützliche Werbefläche

Einst zierten Aufkleber Koffer und Reisekisten, manchmal auch eine große Hutschachtel. Heute sind sie weitgehend verschwunden. Höchstens ein kleiner Strichcode-Streifen, dank dem die Gepäckstücke über die Förderbänder der Flughäfen bis zum Flugzeug befördert werden, windet sich zerknittert um den Koffergriff. Im Zeitalter des globalen Massentourismus sind bunte Hotelaufkleber aus der Mode gekommen. Ganz anders vor mehr als einem Jahrhundert: Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Reisen zunehmend – nicht zuletzt dank eines sich stetig verdichtenden Eisenbahnnetzes – auch in bürgerlichen Kreisen en vogue wurde und viele Wirte die alt eingesessenen Gasthäuser um- und ausbauten, bis sie zu luxuriösen oder zumindest zeitgemäßen Hotels mutierten, musste für diese auch geworben werden. Hatte das Gepäck der Adeligen auf der Grand Tour noch die Wappen oder Initialen des Besitzers, mit oder ohne Krönchen, geziert, mussten nun die nicht ganz so hochvornehmen Koffer der Bourgeoisie bei Ankunft der Gäste im Hotel markiert werden, um sie nicht zu verwechseln – noch gab es Portiers und Boys, die das Gepäck ins Zimmer trugen. Und um das Gepäck richtig zuordnen zu können, schrieben die Hoteldiener den Namen des Gastes auf ein Etikett, das entweder am Griff befestigt oder direkt auf den Koffer geklebt wurde. Die Erfindung dieses Sortiersystems vermutet man in Italien, doch schon bald wurde die Praxis international.

Aufwendige Mini-Plakate

Vor allem die Besitzer berühmter Grand- und Palasthotels ließen seit den 1880er Jahren ihre Etiketten wie Miniplakate zum Teil kolorieren und typographisch aufwendig gestalten. Solche „Visitenkarten“ renommierter Hotels waren viel zu schade, um sie nach dem Aufenthalt zu entfernen. Sie blieben auf dem Koffer auch bei der Weiterreise. Einerseits erfüllten sie damit einen längerfristigen Werbeeffekt, andererseits konnte der Gast eher nebenbei protzen, wo er schon überall war. Die Aufkleber wurden gewissermaßen Clubabzeichen der Globetrotter. Hotelaufkleber wurden zum Statussymbol, schließlich konnte sich nicht jeder leisten zu verreisen und schon gar nicht, im „Winter Palace“ in Luxor, im „Ritz“ in Paris oder im „Waldhaus“ in Sils Maria abzusteigen. Und nicht nur das geschulte Auge des Hotelportiers konnte aufgrund der Etiketten Rückschlüsse auf das soziale Prestige des Gastes ziehen. Harry Nitsch gibt in seinem 1927 erschienenen Buch Das Hotel- und Gastgewerbe – Moderne Propaganda-Methoden unumwunden zu, dass er immer ein wenig Neid empfand, wenn er in einem Hotel die Koffer mit den Etiketten aus al len Erdteilen sah. Vor allem beneidete er die Besitzer der Koffer um die Stunden der Erinnerung, „die leuchtend auftauchen, wenn das Auge wieder einmal auf den kleinen, bunten Kunstwerken ruht. Es sind kaleidoskopartige Bilder, die uns, wie ein orientalischer Märchenerzähler, von entschwundenen, glücklichen Tagen und von Zeiten des Weltdurchstreifens vorplaudern."

Lukratives Sammlergut

Es war nur eine Frage der Zeit, bis die „Luggage Labels“, wie sie in englischsprachigen Ländern heißen, begehrte Souvenirs wurden, mit denen auch ein lukrativer Handel getrieben wurde. Zunehmend weckten sie das Interesse der Sammler von Ephemera, also von kunstvoll gestalteten Gebrauchs-Papierprodukten wie Postkarten, Zigarrenkistenausstattungen, Sammelbildchen, Eintrittskarten, Lesezeichen, Weinetiketten … und eben auch Kofferaufkleber. Nun wurde an der Hotelrezeption nach Aufklebern gebettelt, denn von den Koffern waren sie kaum unbeschadet abzulösen. Je nach Laune des Portiers konnte man mehrere gleiche Etiketten abstauben, um sie mit Sammlerfreunden zu tauschen. Längst waren es nämlich nicht nur die großen renommierten Häuser in den Metropolen der Welt, die Etiketten drucken ließen. Selbst kleine Gasthöfe konnten zunehmend mit entsprechendem Werbematerial aufwarten. Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gelten als das goldene Zeitalter der Kofferaufkleber, wie auch Reklamevignetten im Briefmarkenformat für alle nur erdenklichen Produkte ab etwa 1910 explosionsartig verteilt wurden. Viele Exemplare sind regelrechte graphische Kleinode, für die sogar namhafte Graphiker wie Ludwig Hohlwein oder Martin Salzmann zu Zeichenstift und Pinsel griffen. Die meisten Aufkleber aber sind in den Druckereien vor Ort oder bei überregionalen Anbietern für Druckwerke entstanden.
Im Allgemeinen dominieren auf den Kofferetiketten das Wahrzeichen der Stadt oder die Landschaft im Zusammenhang mit dem Hotelnamen sowie die Abbildung des Hotels selbst. Zunehmend wurde der Schriftgestaltung Bedeutung beigemessen, ebenso ... (Cornelia Oelwein)

Lesen Sie den vollständigen, reich bebilderten Beitrag in der Juli-, August-Ausgabe von UNSER BAYERN in der BSZ Nr. 29 vom 12. Juli 2017.

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