Unser Bayern

Schaulaufen der weltlichen und geistlichen Prominenz: Drei Jahre lange wurde in Konstanz getagt – natürlich nicht nur. In die Stadt kam ein ganzer Tross von Händlern, Handwerkern, fahrendem Volk und an die 700 Prostituierte. Über das Alltagsleben während des Konzils berichtete Ulrich von Richental in einer reich illustrierten Chronik, aus der auch diese Abbildung stammt.

24.10.2014

Schachzüge der Weltpolitik

Vor 600 Jahren begann das Konstanzer Konzil. Dort lieferten sich auch zwei Wittelsbachern eine bluternste Fehde

Zu Beginn des 15. Jahrhunderts ging es in Konstanz am Bodensee in der Regel eher beschaulich zu, auch wenn die Stadt seit geraumer Zeit eine Blüte erlebte: Die Stadt lag im Schnittpunkt der Handelsstraßen nach Oberitalien, Frankreich und Osteuropa und entwickelte sich deshalb zu einem wichtigen Handelsplatz für Pelze, Leinen und Gewürze. Seit 1192 war Konstanz Freie Reichsstadt. Und deren historische Bedeutung zeigt sich vor allem darin, dass sie als Austragungsort für ein Konzil – das erste und bislang letzte nördlich der Alpen – ausgewählt wurde. Rund dreieinhalb Jahre, vom 5. November 1414 bis zum 22. April 1418 stand die Stadt plötzlich im Mittelpunkt der Welt. Während des Konzils herrschte in Konstanz Ausnahmezustand. Die Stadt war Begegnungsstätte der Kulturen und Plattform für mittelalterliche Weltpolitik. Es ging um nicht weniger als die Überwindung der Kirchenspaltung. Weil sich zwei Päpste mit etwa gleich großen Anhängerschaften – einer in Rom und einer in Avignon – jeweils als rechtmäßiges Oberhaupt der Christenheit sahen, war es 1378 zum Großen Abendländischen Schisma gekommen. Beim Konzil von Pisa 1409 waren zwar die rivalisierenden Päpste abgesetzt und ein neuer gewählt worden. Da die für abgesetzt erklärten Päpste dies aber nicht akzeptierten, hatte die Christenheit nun gar drei Päpste. Das schwächte das christliche Reich – von dem doch eigentlich Stärke angesichts der osmanischen Bedrohung erwartet wurde. In diesem Dilemma ergriff König Sigismund von Luxemburg die Initiative und berief das Konzil nach Konstanz ein. Und tatsächlich: Das Schisma wurde nach 40 Jahren beendet. Man beschloss, alle drei Päpste abzusetzen. Johannes XXIII. – er war im Gegensatz zu seinen päpstlichen Kollegen zum Konzil nach Konstanz gereist und hatte es auch eröffnet – akzeptierte dies nicht und floh (angeblich verkleidet als Stallknecht) aus der Stadt, um damit das Konzil aufzuheben. Die Mehrheit der Konzilteilnehmer erklärte allerdings per Dekret die Überordnung des Konzils über den Papst. 1417 wurde schließlich ein neuer Papst – Martin V. – gewählt. Johannes XXIII. schaffte es somit nur auf die Liste der Gegenpäpste. Sein Name konnte erneut von einem offiziellen Papst gewählt werden, wie dies dann im 20. Jahrhundert auch geschah. Das Konzil hatte sich außer einer Lösung der „Papstfrage" zwei weitere große Aufgaben gestellt. Zum einen sollten mit einer Kirchenreform Missstände wie übermäßiger Reichtum, mangelnde Bildung und sittliche Verwilderung abgestellt werden. Die Ziele scheiterten allerdings am mangelnden Reformwillen des neuen Papstes und an den unterschiedlichen Wünschen und Forderungen der einzelnen Nationen. Das dritte Problem betraf den tschechischen Theologieprofessor der Universität Prag, Johannes Hus. Er war ein leidenschaftlicher Reformer, der für das Ideal einer reinen und armen Kirche kämpfte. Er war, wenn man so will, ein Vorstreiter Martin Luthers. Als Volksprediger hatte Hus mit seinem sozialen Ansatz großen Erfolg. Ein vom Papst verhängtes Predigtverbot missachtete er und propagierte die Unglaubwürdigkeit der Amtskirche. Hus und seine Anhänger standen unter dem Verdacht der Häresie, weil sie eine Meinung vertraten, die der kirchlichen Lehre widersprach. König Sigismund erreichte, dass Hus in Konstanz erschien, weil er ihm freies Geleit zusicherte. Da sich der Reformator weigerte, seine Thesen zu widerrufen, obendrein die Autorität des Papstes wie des Konzils bestritt, wurde er als Ketzer verurteilt. Sigismund machte den Versuch, Hus zu retten, hielt aber dem Druck des Konzils nicht Stand. Am 6. Juli 1415 wurde Johannes Hus auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das löste eine revolutionäre Bewegung aus, die in die langjährigen und grausamen Hussitenkriege mündete. Das Konzil von Konstanz war die größte und sicherlich eindrucksvollste Kirchenversammlung des Mittelalters. Die Teilnehmer strömten nicht nur aus England, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal oder Böhmen herbei, sondern auch aus den Randregionen der Christenheit. Es reisten beispielsweise Gesandtschaften aus Damaskus, Polen, Kiew, Ruthenien und der Walachei an. Aus Konstantinopel kamen ein Erzbischof als Vertreter des Patriarchen und eine Delegation Kaiser Manuels II. Vertreter des „Dominus Imperator Turcorum", Sultan Mustafas, waren ebenso anwesend wie der Großmeister des Johanniterordens von Rhodos, der Großmeister des Ritterordens von Santiago, die Erzbischöfe von Riga und Lund und der Patriarch von Antiochien. Aus Äthiopien eilten drei „Mohren" namens Antonius, Bartholomäus und Petrus herbei. Während des Konzils hielten sich in Konstanz sechs- bis siebenhundert Kirchenvertreter auf, unter ihnen zahlreiche Kardinäle, Bischöfe und Äbte. Ungefähr ebenso viele deutsche und ausländische Fürsten und weltliche Gesandte waren anwesend. Hinzu kamen Händler, das Gefolge der Würdenträger und viel fahrendes Volk. Konstanz mit seinen damals rund 6000 Einwohnern musste insgesamt 72 000 Gäste beherbergen. Um die Versorgung der Konzilteilnehmer zu sichern, wurden 73 Geldwechsler (darunter der Bankier Cosimo Medici), 230 Bäcker, 70 Wirte, 225 Schneider und 310 Barbiere zusätzlich nach Konstanz geholt. Ulrich Richental, ein wohlhabender Konstanzer Bürger, ist beim größten Ereignis seiner Heimatstadt Zeitzeuge gewesen und schildert die Ereignisse aus erster Hand. Nicht nur die politischen und kirchenpolitischen Ereignisse waren dem Chronisten wichtig. Wir verdanken ihm auch den Einblick in den Konstanzer Alltag während der Konzilsjahre. Die Preise beispielsweise für einheimische Fische stiegen an. Da wich man eben auf andere Lebensmittel aus. So änderte sich im Verlauf des Konzils etwa der Speiseplan: Frösche und Schnecken standen plötzlich auf dem Menü – eine Anpassung an die Gewohnheiten der Gäste. Ebenso war es mit dem Wein: Statt des sauren einheimischen Tranks wurden Weine aus dem Süden importiert. Von Richental wissen wir auch, dass aufgrund der guten Verdienstmöglichkeiten um die 700 Hübschlerinnen, sprich Prostituierte, angereist waren. Auch aus Bayern fanden sich illustre Gäste in der Bodenseestadt ein. Die wichtigsten waren Herzog Ludwig VII., der Bärtige, von Bayern-Ingolstadt, und Herzog Heinrich XVI., der Reiche, von Bayern-Landshut. Die beiden waren Cousins, lagen aber im Dauerclinch wegen Erbstreitigkeiten. Insbesondere Ludwig sah sich übervorteilt und akzeptierte die bayerische Landesteilung von 1392 nicht; damals war das Land in die drei Herzogtümer Bayern-Landshut, Bayern-Ingolstadt und Bayern-München aufgeteilt. Mit großem Gefolge ritt Ludwig am 16. Januar 1415 in Konstanz ein. Er fungierte auch als Leiter der französischen Konzilgesandtschaft. Seine Schwester Elisabeth, die berühmte Isabeau de Bavière, war mit König Karl VI. von Frankreich verheiratet. In Konstanz hatte Ludwig die Ehre, seinen kranken Schwager zu vertreten. König Sigismund begab sich sogar persönlich vor die Mauern der Stadt, um den Herzog zu begrüßen. Chronist Richental weiß zu berichten, dass der Herzog „mit 460 Pferden und ebenso vielen Personen in einem Haus am oberen Markt" abstieg. Sein Kontrahent, Herzog Heinrich von Bayern-Landshut reiste mit „300 Pferden und ebenso vielen Leuten" an und bezog ein Domizil am Fischmarkt. Die beiden streitlustigen Herzöge legten ihre Auseinandersetzung auch während des Konzils nicht bei. Ludwig haderte immer noch mit der über die in seinen Augen ungerechte Landesteilung und legte bei König Sigismund Beschwerde ein. Dieser entschied jedoch am 19. Oktober 1417 im Sinne Heinrichs. Voller Wut beschimpfte, wie der Hofhistoriograph Aventin zu berichten weiß, daraufhin Ludwig seinen Gegenspieler in aller Öffentlichkeit vor dem König und den versammelten Fürsten als „ainen fräveler des gemainen frieds, ainen aufhalter der mörder und rauber, ainen vergiesser des menschen bluets". Zuvor hatte er Heinrich schon gedemütigt, weil er ihn den Sohn eines Kochs genannt hatte. Die Beleidigungen waren heftig, vor allem weil Ludwig nicht nur für sich selbst, sondern auch als Vertreter der französischen Konzilgesellschaft sprach. Heinrich rächte sich: Mit 15 Getreuen lauerte er dem gerade von einem gemeinsamen Mittagsmahl mit König Sigismund in die Herberge reitenden Ingolstädter Herzog in einem Hinterhalt auf und verletzte ihn schwer... (Eva MeierLesen Sie den vollständigen Beitrag in der Oktober-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 43 vom 24. Oktober 2014)

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