Unser Bayern

23.12.2016

Umhauen verboten!

Weniger volkskundliche Beschreibungen als vielmehr Erlasse belegen den Siegeszug des „evangelischen“ Christbaums

Im protestantischen Franken war er zuerst anzutreffen, dann in München, und von dort zog er aufs Land: der Christbaum. Seine Geschichte reicht jedoch weiter zurück. Die früheste Nachricht über einen mit Äpfeln, Lebkuchen, Flittergold und farbigen Nüssen geschmückten Baum zur Weihnachtszeit stammt aus Freiburg im Breisgau und datiert ins Jahr 1419. Es scheint dies jedoch ein Einzelfall gewesen zu sein. Das elsässische Schlettstadt reklamiert mit 1508 den frühesten Christbaum für sich. Mit einiger Sicherheit war das Elsass tatsächlich der Ausgangspunkt für den Brauch des weihnachtlichen Baumschmückens. Bald mehren sich die Nachrichten, und 1561 ist dort bereits die erste Verordnung zum Schutz des Waldes nachweisbar: Jedem Bürger stehe zu Weihnachten nur ein Baum von höchstens 2,5 Metern Höhe zu. In anderen Gegenden war der Christbaum noch unbekannt. Selbst das tausendfach vervielfältigte Bild, auf dem Martin Luther im Kreise seiner Familie vor dem Christbaum sitzt, ist kein Beleg: Es wurde nämlich erst im 19. Jahrhundert gemalt. In Volkskundlerkreisen ist man sich sicher: Luther saß nie unter einem Christbaum. Erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts „durchwanderte“ der Christbaum die evangelischen Lande gen katholischen Süden. Mitte des 18. Jahrhunderts hatte er Franken erreicht. 1768 erging in Nürnberg ein Edikt gegen das „Umhauen und Hereinbringen junger Waldbäume, die zu Christbäumen verwendet werden“. Überhaupt ist die Etablierung als Tradition weniger durch die Beschreibung häuslicher Feste mit Christbäumen belegt, als vielmehr durch Erlasse gegen das Abholzen derselben. 1792 schritt die Polizei in der Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth gegen das „Einbringen grüner und anderer Bäume bei herannahender Weihnachtszeit“ ein. Es nutzte ebenso wenig wie vorausgegangene Verbote; das Angebot an „Christkindchens-Bäume“ rekrutierte sich vielfach illegal aus herrschaftlichen und privaten Waldungen. Und als die fränkischen Gebiete bayerisch geworden waren, sah die neue Obrigkeit die weihnachtlichen Fällaktionen nicht minder ungern, wie eine Veröffentlichung im Königlich Baierischen Regierungsblatt vom 31. Januar 1807 belegt: „Die Jungen, welche diese Bäume zum Verkauf bringen, stehlen dieselben gewöhnlich vom Felde und aus dem Walde, und nicht selten sogar aus den Gärten. Die sämmtlichen Polizey-Unterbehörden der Provinz Bamberg werden daher angewiesen, gegen die hierunter statt findenden Exzesse wachsam zu seyn.“ Noch waren die Bäume und entsprechende Erlasse auf Franken beschränkt, doch seit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich der Christbaum in Bayern allgemein durch, obwohl die katholische Kirche ihn noch lange als „protestantisches Zeug“ verdammte. In den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts eroberte der Christbaum die bayerische Haupt- und Residenzstadt. Als „Importeure“ gelten die beiden ersten Königinnen, Karoline, die Frau König Maximilians I., und Therese, die Gemahlin Ludwigs I. Beide stammten aus protestantischen Familien und hatten wohl zuhause unter dem Christbaum gefeiert, eine Sitte, die sie auch in ihrer neuen Heimat nicht missen wollten. Deshalb ist zu vermuten, dass Karoline noch als Kurfürstin bereits 1799 den ersten Christbaum in der Residenz aufstellen ließ, damals allerdings noch vor den Augen der Allgemeinheit verborgen. Doch nach und nach wurden auch in Münchner Privathäusern Christbäume aufgestellt – sicher  unterstützt durch die zunehmend aus Franken zugezogene Beamtenschaft und höfische Kreise. Das durch Zeitungen bekannt gemachte Weihnachtsbrauchtum „bei Hofe“ wurde diensteifrig auch von den königlichen Beamten in ländlichen Regionen übernommen. So hieß es etwa um 1860 für das schwäbische Zusmarshausen: „Den Christbaum kannte man früher nicht; jetzt aber hat er sich, durch die Beamten veranlaßt, eingebürgert.“ Zunächst stand er nur neben dem Gabentisch des Bezirksamtmanns, beim Richter und der Beamtenschaft, dann beim Dorflehrer und ganz zuletzt auch in den Bauernstuben des Oberlands, in denen ...  (Cornelia Oelwein)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Dezemberausgabe von UNSER BAYERN (BSZ Nr. 51/52 vom 23. Dezember 2016)

Abbildung:
Familie Luther um den Weihnachtsbaum versammelt: Dieses oft nachgedruckte Motiv schuf der Kupferstecher Carl August Schwerdgeburth (1785 bis 1878). Tatsächlich aber dürfte der Reformator die Tradition des Weihnachtsbaumaufstellens noch gar nicht gekannt haben. (Foto: Getty)

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