Unser Bayern

Mangelndes Selbstbewusstsein konnte man Georg Hirth keineswegs nachsagen. Dass er so schnell in München Karriere machte, hatte er allerdings einer „guten Partie“ zu verdanken: Seine Heirat mit Elise Knorr brachte ihn in die „besseren Kreise“. (Foto: SZPhoto)

15.12.2016

Umtriebiger Millionär

Zeitungsmann, Vielschreiber, Kunstmäzen: Georg Hirth bescherte sein Wahlheimat München den Jugendstil

Eine gewisse Volubilität des Geistes“: Mit diesen Worten charakterisierte sich der Nationalökonom, Schriftsteller, Herausgeber und Kunstmäzen Georg Hirth (1841 bis 1916), der das München der Prinzregentenzeit entscheidend prägte und sich lustvoll in die Auseinandersetzungen seiner Zeit einmischte.  Sein Millionenvermögen verdankte er seinem unternehmerischen Mut ebenso wie seiner Münchner Ehefrau. Doch alles nahm seinen Anfang mit dem jungen Italiener Angelo Sabbadini, der 1767 aus Pavia nach München kam, um eine Kolonialwarenhandlung zu eröffnen. Er hatte Glück, denn der Bedarf an exotischen Waren wie Kaffee, Tee, Seide, Wein, Südfrüchten und Gewürzen war groß. Nicht nur der Hof in der Residenzstadt, auch die wohlhabenden Bürger wollten sich nicht mehr mit dem heimischen  Angebot begnügen. Sabbadini war nicht der einzige, der diese Lücke entdeckt hatte, auch andere italienische Familien wie die Dall‘Arnis, die Ruffini, Pascilini ließen sich gerne in München nieder, so dass die heimischen Kaufleute sich bald über die „welsche“ Konkurrenz beschwerten, weil in München „jedes zweite Handelshaus einen italienischen Namen trage“. 1820 konnte Angelo Sabbadini in der Kaufinger Gasse Nr. 12 ein großes Kaufhaus eröffnen, dessen Grundstück sich bis zur Fürstenfelder Straße zog, 1825 übernahm er die Leitung des Utzschneiderbräus und stieg damit in ein Geschäft ein, das die Familie lange prägen sollte. Da Angelo reichlich Steuern zahlte, wurde er sogar in die ehrbare Riege der Magistratsherren von München aufgenommen. Angelo hatte nur eine Tochter: Elise. Sie heiratete Ludwig Knorr, der bei ihrem Vater 1795 im Handelskontor als Lehrling begonnen hatte. Damit wurde eine neue Familie in den Sabbadini-Clan aufgenommen. Die Knorr hatten ihr Stammhaus in der Oberpfalz und dann in Dachau gehabt, und auch ihr Wille zur Unabhängigkeit stammte aus älterer Zeit, denn ein Vorfahre war Mitglied des Illuminatenordens gewesen. Der Reichtum des Schwiegervaters ermöglichte Ludwig Knorr den wirtschaftlichen Aufstieg, bis er schließlich 1838 mit anderen zusammen die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank begründete. Er starb 1852 als stolzer Besitzer von vier Geschäften, zu denen neben der Brauerei auch eine Essig- und Malzfabrik in Giesing sowie 17 Häuser gehörten. Im Laufe seines Lebens hatte er das Sabbadinische Vermögen verdoppelt, so dass seine neun Kinder alle gut versorgt waren. Einer der Söhne, Julius, studierte an der Münchner Universität und trat dem Corps „Rhenania“ bei. Sein kritischer Geist brachte ihn zeitweise mit der Obrigkeit in Konflikt, weil er einem Wanderverein angehörte, dem „demokratische“ Absichten unterstellt wurden und der daraufhin von den Behörden aufgelöst wurde. Jedenfalls musste Julius Knorr zeitweise in die Schweiz fliehen. Doch mit dem Sturz von Lola Montez und dem Rücktritt des Königs 1848 beruhigte sich die Lage in München rasch wieder, und Julius Knorr konnte zurück kehren. Schon sein Vater hatte seine Geschäfte „diversifiziert“, wie es heute heißt. Die Essig- und Malzfabrikation interessierte Julius Knorr nicht wirklich. Er stieß sie bald ab und kaufte 1862 mit 90 000 Florin den Verlag der Neuesten Nachrichten: ein kleines, 1848 gegründetes Blatt, das hauptsächlich vom Anzeigengeschäft lebte. Julius Knorr war ein politischer Mann, aber kein Schreiber, weshalb er die Redaktion seinem Freund August Vecchioni überließ, mit dem zusammen er auch die liberale Bayerische Fortschrittspartei gründete und deren Landtagsabgeordneter er wurde. Im Jahr nach dieser Übernahme lernte er auf dem Turnfest in Gotha einen jungen Mann kennen, der ihm gefiel, denn er lud ihn nach München in seine Villa in der Briennerstraße 18 nahe den Propyläen ein. Dieser Georg Hirth war nicht unbedingt ansehnlich, fiel mit seinem roten Haar und seinem starken Selbstbewusstsein aber sehr auf. Im „Bruderkrieg“ 1866 hatte er einen Schuss in den Oberschenkel erlitten und lange in einem Straßengraben gelegen, bis man ihn fand. Ein halbes Jahr war er in ein Gipskorsett eingezwängt, trotzdem blieb ein Bein kürzer als das andere; er humpelte und war Zeit seines Lebens auf einen Stock angewiesen. Georg Hirth war im Juli 1841 wie zwei Brüder und eine Schwester in Gräfentonna bei Gotha geboren, und mit der Mutter Luise Drevelle du Frênes kam französisches Immigrantenblut in die Familie. Der Vater war eigentlich Notar, verlor sich aber in technischen Hirngespinsten und meldete ständig neue Patente an; seine Frau ließ sich schließlich von ihm scheiden. Der junge Georg Hirth versuchte sich nach seinem Studium der Nationalökonomie zuerst ohne großen Erfolg als Redakteur und freier Schriftsteller, bis er als Mitarbeiter der Deutschen Turn-Zeitung Julius Knorr kennen lernte und tatsächlich nach München reiste. Damit begann sein Aufstieg in die Münchner Gesellschaft – denn er gefiel der Tochter des Hauses; Elise, die damals 16 Jahre alt war: Beide heirateten im Mai 1870. Die Schwiegereltern residierten in der „Knorrvilla“ in der Briennerstrasse 18. Das rückwärtige Gartenhaus mietete 1865 König Ludwig II. für Richard Wagner an, damit der verehrte Meister dort seine Oper Tristan und Isolde vollenden und mit dem Künstlerehepaar Schnorr von Carolsfeld die ersten Proben abhalten konnte. Hirth stieg groß in die Zeitung des Schwiegervaters nach dessen Tod ein, änderte das Format nach englischem Vorbild (genannt „die Kuhhaut“) und gab ihr eine liberale und anspruchsvolle Richtung: Die Auflage stieg rasant. „Der Löwe im Tal hat wieder einmal gebrüllt“, hieß es, wenn Hirth sich sehr dezidiert zu bestimmten Themen äußerte. Und das tat er gerne und so oft, dass er zum roten Tuch für die Konservativen in München wurde. Außerdem war er ein Freund Preußens; sein größter Triumph war 1884 der Besuch des preußischen Kronprinzenpaares in seiner „Hirth-Villa“ in der Luisenstraße. Doch enttäuscht von der Zollpolitik Bismarcks wandelte er sich vom Nationalökonomen zum Kunstbegeisterten und griff kräftig in die schwelende Sinnkrise der Münchner Künstlerschaft ein. Jüngere und progressive Mitglieder dort fürchteten, von den Entwicklungen in der Malerei der französischen Konkurrenten abgehängt zu werden, doch die „plein air“-Malerei hatte keine Freunde in dem Kreis, der sich um den „Malerfürsten“ Franz von Lenbach gebildet hatte und gut von den Aufträgen aus Adel und Bürgerschaft leben konnte. Der Streit entzündete sich an den Jahresausstellungen dieser etablierten Künstler und führte unter Mitwirkung von Georg Hirth, der Geld bereit stellte, schließlich zur Gründung der Münchner „Secession“. Die Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit wurde so heftig, dass Hirth zweimal vor Gericht zitiert wurde und sogar Prinzregent Luitpold persönlich eingriff, der eine Spaltung in der Künstlerschaft befürchtete. Die Liberalen mokierten sich über die Traditionalisten; diese schlugen zurück, und 1894 fiel in diesem Zusammenhang zum ersten Mal der Begriff der „entarteten Kunst“, der später unter den Nationalsozialisten große Karriere machen sollte. Hirth focht diese Kritik nicht an, befeuerte ihn vielmehr, sich überall einzumischen. Mit seinem Geld entstand 1896 ein neues Kunstblatt, das „die wahre Kunst von jeder Richtung“ pflegen sollte. Hirth gab bei der Gründung bewusst kein Motto für seine Zeitschrift aus, die bald den Namen Die Jugend erhielt und die Jahrzehnte nach ihrer Gründung prägend für München wurde. Nach einem schwächlichen Start eroberte sich die Zeitschrift und mit ihr der Jugendstil die Öffentlichkeit in einem Maße, dass München allgemein als Stadt des Jugendstils galt. Die Zeitschrift und die Münchner Nachrichten reichten Hirth nicht. Nachdem er ... (Andrea Hirner)

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Ausgabe Nummer 43 von "Unser Bayern"!

Kommentare (2)

  1. BSZ-Redaktion am 08.01.2018
    Lieber Schreiber,
    vielen Dank für Ihr Interesse. Lassen Sie uns doch bitte unter redaktion@bsz.de Namen und Adresse zukommen, dann schicken wir Ihnen eine Ausgabe des betreffenden "Unser Bayern".
    Mit besten Grüße,
    Ihre BSZ-Redaktion
  2. 112 am 07.01.2018
    Ich möchte den Artikel über Georg Hirth gerne vollständig lesen, wie komme ich dran? Es stehen Details darin, diie ich noch nicht kannte, und ich weiß ziemlich viel. Er ist nämlich mein Urgroßvater.
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