Unser Bayern

Erscheint die weiße Frau, naht der Tod – ein beliebtes Motiv fürs schaurige Illustrationen. (Foto: wikimedia)

20.11.2015

Unheimliche Begegnung

Legenden und Wahrheiten über weiße Frauen, die in Bayerns alten Gemäuern umgehen sollen

Geister, rätselhafte Lichterscheinungen und Totenbeschwörungen: Erzählungen von übersinnlichen Wesen und verborgenen Welten finden sich in fast allen Kulturen und Epochen der Menschheitsgeschichte. Wir, die Bewohner der vermeintlich aufgeklärten modernen Welt, halten solche Gedanken natürlich für Phantastereien und Hirngespinste. Oder etwa doch nicht? Auch in der Neuzeit gibt es mehr Menschen, die an esoterische Phänomene glauben, als man denkt. Eine mächtige Flutwelle des Irrationalen ergriff im 19. Jahrhundert Europa und die USA. Die Konfrontation mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild, das langsam aber unaufhaltsam seinen Siegeszug antrat, führte bei vielen Menschen zu einer panikartigen Flucht vor der Vernunft. In diesem geistigen Treibhausklima erhielt nicht nur der religiöse Glaube an Wunder starken Auftrieb. Überaus populär wurde auch der sogenannte Spiritismus: Die Vorstellung, dass außerhalb der eigenen Realität noch eine Geisterwelt existiert. Mit ausgefeilten Techniken versuchte man, Kontakt zu den Bewohnern dieser verborgenen Dimension aufzunehmen. Seinen Ursprung hatte das Spiritismus-Fieber im Kult um die Fox-Schwestern. Schauplatz war das Haus der Familie Fox in der US-amerikanischen Kleinstadt Hydesville in Kalifornien. Ab dem Jahr 1847 ereigneten sich dort mysteriöse Dinge. Die drei minderjährigen Fox-Schwestern Leah, Margaret und Catherine berichteten ihren Eltern von einem rätselhaften Klopfen, das oft in ihrem Zimmer zu hören sei. Die Mädchen behaupteten, dass sie durch eine Art Morsecode mit einem fahrenden Händler aus dem Jenseits Kontakt aufgenommen hätten. Dieser Mann sei einst in ihrem Haus ermordet worden; deshalb würde sein Geist immer noch herumspuken. Diese Erzählung wurden zunächst als Albernheit abgetan. Seit 1849 begannen die Fox-Schwestern jedoch mit ihren vielbeachteten Auftritten: Auf der Bühne versuchten sie unter Trance, den Kontakt mit Menschen aus dem Jenseits herzustellen. Sie erlangten rasch Berühmtheit und gingen auf Tournee durch die USA und Europa. In der Westlichen Welt entwickelte sich eine regelrechte Hysterie und spiritistische Gruppen schossen wie Pilze aus dem Boden. Erst 1888 gaben die Schwestern zu, dass sie die Klopfzeichen in ihrem Zimmer mit den eigenen Zehengelenken erzeugt hatten. Trotz dieses Schwindels erfreut sich der Spiritismus weiterhin großer Beliebtheit: bis in die heutige Zeit. Es hat sich sogar ein eigenes Fachgebiet entwickelt, welches übersinnliche Phänomene erforscht: die Parapsychologie. Auch aus Bayern sind spannende Geistergeschichten überliefert. Wer aufmerksam den reichen bayerischen Sagenschatz durchstöbert, stößt häufig auf eine ganz besondere Art von Gespenst: die Weiße Frau. Es handelt sich um Frauen, deren Seele nach dem Tod keine Ruhe findet. Daher müssen sie rastlos umherstreifen. Für dieses Verhalten nennen die Sagen meist zwei Ursachen: Entweder ist die Frau brutal umgebracht worden; oder sie hat selbst einen anderen Menschen ermordet. Oftmals stammen die Weißen Frauen aus dem Adel. Mancher will einem solchen Gespenst schon einmal begegnet sein. Die Betroffenen beschreiben es als strahlend helles Wesen mit einem Körper aus Licht: daher der Name „Weiße Frau“. Im Volksmund gilt sie als guter und ungefährlicher Geist – zumindest solange man sie nicht reizt. So manche Weiße Frau soll demjenigen, der sie leibhaftig erblickt hat, aber auch den eigenen Tod verkündet haben. Im folgenden einige bekanntere Fälle vom Auftauchen einer Weißen Frauen aus Bayern. Schauplatz der ersten Episode ist die Plassenburg oberhalb der Stadt Kulmbach in Oberfranken. Die verwitwete Burgherrin Kunigunde verliebte sich in Albrecht den Schönen, den ledigen Sohn des Nürnberger Burggrafen Friedrich. Albrecht versprach seiner Verehrerin, dass er sie heiraten werde; allerdings nur unter einer Bedingung: „wenn nicht vier Augen im Wege stehen“. Albrecht bezog diesen kryptischen Ausspruch auf seine Eltern, die von einer Witwe als Schwiegertochter nicht gerade begeistert waren. Kunigunde verstand jedoch nicht, was Albrecht damit meinte. Schließlich gelangte sie zur Überzeugung, dass ihr Geliebter ihre beiden leiblichen Kinder aus erster Ehe ablehnte. Es handelte sich um einen Jungen von drei Jahren und ein Mädchen von zwei Jahren. Die grausame Konsequenz aus diesem Missverständnis: Kunigunde ermordete ihre Kinder, indem sie ihnen eine spitze Nadel in den Kopf rammte. Als Albrecht von dieser Gräueltat erfuhr, wandte er sich mit Schaudern von der Missetäterin ab. Daraufhin reiste Kunigunde als Pilgerin nach Rom. Dort erwirkte sie vom Papst die Vergebung ihrer Sünden. Zur Buße errichtete sie in der Nähe von Kulmbach das Kloster Himmelkron, welches sie als Äbtissin leitete. Nachdem Kunigunde gestorben war, wurde sie zusammen mit den Überresten ihrer beiden Kinder im Kloster bestattet. Ewige Ruhe war ihr vermutlich nicht gegönnt: Bis auf den heutigen Tag soll Kunigunde als Weiße Frau ihr Unwesen treiben. Soweit jedenfalls die Sage. Zur Wirklichkeit: Bei Untersuchungen, die der Markgraf Christian Ernst im Jahr 1701 auf dem Areal des Klosters Himmelkron durchführen ließ, stieß man weder auf Kinderskelette noch auf andere aussagekräftige Indizien. Hinzu kommt: In Franken gab es tatsächlich eine Gräfin namens Kunigunde, die im 14. Jahrhundert ein Kloster gründete. Es handelte sich dabei jedoch nicht um Himmelkron bei Kulmbach, sondern um Himmelthron im heutigen Nürnberger Stadtteil Großgündlach. Die Geschichte der Weißen Frau von Plassenburg ist somit eine – wenn auch gut ausgedachte – Erfindung. Rund 150 Kilometer südlich von Himmelkron gibt es eine weitere magische Stätte: den Uhlberg. Diese 605 Meter hohe Bergkuppe liegt westlich der mittelfränkischen Stadt Treuchtlingen. Direkt unterhalb des Uhlberg-Gipfels befindet sich eine mysteriöse Ruine: die Überreste der St.-Ulrichs-Kapelle aus dem späten Mittelalter. In dem Gemäuer soll es in stürmischen Nächten spuken. Einige Augenzeugen wollen hier sogar eine Weiße Frau gesehen haben. Über deren Lebensgeschichte ist aber nichts Näheres bekannt. Eine moderne Variante der Weißen Frau wird aus der oberbayerischen Stadt Ebersberg östlich von München überliefert. Mitten durch den Ebersberger Forst führt die Staatsstraße 2080. Direkt an der Straße liegt die kleine Hubertuskapelle. An ebendieser Stelle soll sich vor einigen Jahrzehnten ein schwerer Unfall ereignet haben, bei dem eine junge Frau ihr Leben verlor. Der Raser, der diesen Frevel verursachte, habe sich aus dem Staub gemacht und die Sterbende einfach im Stich gelassen. Wegen des erlittenen Unrechts sei die Seele der Toten ständig auf der Suche nach dem Ruchlosen... (Daniel Carlo Pangerl) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der November-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 47 vom 20. November 2015)

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