Unser Bayern

reich verziertes Einsatzgewicht mit dem Zeichen der Nürnberger Rotgießerwerkstatt Fleischmann (18. Jahrhundert). (Foto: Deutsches Apotheken-Museum)

22.02.2013

Von Pfunden und Skrupeln

Die Nürnberger Apothekergewichte als Handelsware und Ordnungselement über Jahrhunderte


"Nürnberger Tand geht durch alle Land": Diesen Spruch kennt man seit dem 15. Jahrhundert. Heutzutage mag man darunter vor allem in Nürnberg hergestellte Spielwaren verstehen, für die die Frankenmetropole weltberühmt ist. Doch der sprichwörtliche „Nürnberger Tand", ursprünglich als „Nürnberger Hand" bezeichnet, umfasste alle möglichen Handwerkswaren, die von Nürnberg aus in die Welt gingen. An der Schwelle zur Neuzeit war Nürnberg vor allem ein Zentrum des Metallgewerbes. Drähte aller Art, Fingerhüte, Fasshähne, Knöpfe, Posthörner, Stricknadeln, Schnallen, Scheren, Türgriffe, Trompeten, Wärmflaschen und vieles dergleichen mehr wurden dort in großem Stile erzeugt und begründeten Nürnbergs wirtschaftliche Blüte um das Jahr 1500. Zu den Produkten, die der Stadt damals eine geradezu monopolartige Stellung einbrachten, gehörten auch Gewichte – allen voran die „Nürnberger Medizinal- oder Apothekergewichte", die vom 16. bis ins 19. Jahrhundert in fast alle europäischen Länder geliefert wurden. Die Gewichte waren Erzeugnisse der Rotgießer. Entweder gegossen aus Glockenspeis, einer Kupfer-Zinn-Bronze, oder aus Messing, also aus einer Kupfer-Zink-Legierung; es gab sie aber auch aus Kupfer und Blei. An den angebrachten Marken konnte man die Herkunft der Gewichte genau erkennen. Gewichtemacher, wie beispielsweise der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Hans Weinmann, übernahmen die Weiterverarbeitung der Teile. Nicht nur die Gewichte mit ihren speziellen Formen waren schön anzuschauen, sondern auch die kunstvoll gefertigten Holzkästchen, in die sie gepackt waren. Neben Blockgewichten stellten die Nürnberger Handwerker auch sogenannte Einsatz- oder Eimergewichte her: Manchmal in schlichter Einfachheit, manchmal mit einem reich ornamentierten und mit Scharnierdeckel versehenen „Haus", in dem die eimerartig gefertigten Einzelgewichte ineinander gestapelt Platz fanden. Das älteste Einsatzgewicht Nürnberger Rotgießer stammt aus dem Jahr 1563. Die Apothekergewichte gehörten neben den Waagen zur Grundausstattung der Apotheken, sie waren notwendig für die Arbeit der Apotheker, die ja regelrecht Handwerker mit entsprechender Lehr- und Gesellenzeit waren: Sie stellten die meisten Arzneien nach Rezepten der Ärzte selbst her. Entweder wurden sie gleich verkauft, oder auf Vorrat produziert. „Ich hab in meiner Apoteckn/ Viel Matern die lieblich schmeckn/Zucker mit Würtzen ich conficier/ Mach auch Purgatzen und Clistier (worunter Abführmittel zu verstehen sind)/ Auch zu stercken den kranken schwachn /Kann ich mancherley Labung machen …", beschreibt Hanns Sachs den Apotheker 1568 in seiner Eygentlichen Beschreibung Aller Stände auff Erden. Da Nürnberg durch seine Handelsverbindungen nach Venedig auch ein Handelszentrum für Arzneimittel war, hatten die Nürnberger Apotheker aber auch alle Möglichkeiten, sich in ihrer Heimatstadt mit Drogen und orientalischen Gewürzen wie Aloe, Ingwer, Muskatnuss, Myrrhe, Pinienharz, Opium, Zimt etc. einzudecken. In der Zeit zwischen 1420 und 1550 soll es in Nürnberg elf Apotheken gegeben haben, folgt man den Pharmaziehistorikern Schmitz, Bartels und Grossmann. Zu den ältesten Apotheken gehören die Apotheke bei den Predigern, an der Nordwestecke des alten Rathauses gelegen, und die Apotheke bei den Fleischbänken. Erstmals 1442 wurde die Apotheke zum Mohren erwähnt; seit 1578 bis heute befindet sie sich in der Altstadt gegenüber der Lorenzkirche. Die Konkurrenz unter den Apothekern war groß – ihnen machten aber auch andere das Leben schwer: die Zuckerbäcker, die Sirupe und eingemachte Zucker bereiteten und diese als Lebenselixiere verkauften, oder marktschreierische Quacksalber, Wasserbrenner und Kräuterweiber. Die Apotheker beschwerten sich 1547 beispielsweise auch über die Zahnbrecher, die Arznei verabreichen würden. Doch zurück zu den Apothekergewichten. Nicht nur die Gewichtstücke selbst, die die Nürnberger Handwerker mit äußerster Präzision herzustellen wussten, machten sie als Handelsware in Europa so besonders. Bemerkenswert ist auch das Nürnberger Gewichtssystem und damit verbunden die Rechtsordnung, die bis ins 19. Jahrhundert in vielen Gebieten Europas maßgeblich war. Am 7. Juni 1555 veröffentlichte der Rat der Stadt einen Erlass, wonach sich die ansässigen Apotheker und Ärzte unter anderem bei Gewichtsangaben künftig nach der Silberunze der Stadt Nürnberg zu halten hätten. Hintergrund für den Ratserlass waren Unregelmäßigkeiten, die dazu geführt hatten, dass keineswegs alle Apotheker mit den gleichen Gewichten arbeiteten und somit nicht sichergestellt war, dass auch die Arzneien vergleichbar waren. Die größte Einheit im neuen Gewichtssystem war das Apotheker-Pfund, bestehend aus 12 Silberunzen. Es wog genau 12 mal 29,8190 g, also 357,8282 g. Im Gegensatz dazu hatte eine Nürnberger Mark – das Geld wurde damals noch gewogen – ein Gewicht von acht Silberunzen, das heißt acht mal 29,8190 g, also 238,5522 g. Jede einzelne Unze wurde weiter in acht Drachmen unterteilt. Eine Drachme entsprach einem Quentchen, einer Prise, das hießt dem Gewicht, das man mit drei Fingern fassen kann. Die Drachme wiederum bestand aus drei Skrupeln. Ein Skrupel schließlich wurde in zwei Obuli oder in 20 Gran unterteilt. Dass man Skrupel, abgeleitet von lat. scrupulum = spitzes Steinchen, auch noch anders verstehen konnte, kam übrigens auch im 16. Jahrhundert auf: Um 1698 bemerkte der Prediger Abraham a Santa Clara (1644 bis 1709), dass es „freilich viele gute Apotheker" gäbe, aber einige hätten „zwar viel Skrupel in den Apotheken, aber wenig im Gewissen". Das Gran war die kleinste Einheit im Gewichtssystem und wog 0,06212295g. Sein Name leitet sich von lat. granum = Korn ab... (Petra Raschke) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Februar-Ausgabe von Unser Bayern!

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.