Unser Bayern

Nicht als „anrüchiges Gewer- be“, sondern wegen seiner ho- hen Bedeutung fürs Gesundheitswesen wurden auch dem Barbier bzw. Bader ein Blatt in dem „lehrreichen und unterhaltenden Bilderbuch für die Jugend“, Gallerie der vorzüglichsten Künste und Handwerke (1820) überschrieben, gewidmet.( Foto: SZPhoto)

31.05.2013

Wein, Weib und Wanne

Serie "Aktenkundig": Die Unehrlichen der Gesellschaft, die man dringend brauchte: Bader waren vor allem als "Ärzte fürs Grobe" wichtig

 Badstuben und Bader hatte es während des Mittelalters, dem Zeitalter der ausgeprägten Bäderkultur, wohl in allen Städten gegeben: Die Badstube war oft die einzige Möglichkeit, ein warmes Bad zu nehmen und die Annehmlichkeiten der Wannen- oder Schwitzbäder sowie der Ruhebetten zu genießen. Wer wollte, konnte auch oft noch mehr bekommen: Frauen, Glücksspiel und Alkohol. Das war kein Problem, war der Besuch der Badstube doch nach Geschlechtern getrennt: Man(n) war unter sich. Dieses Bild ist meist das einzig bekannte, wenn wir uns heute mit dem Beruf des Baders sowie den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Badstuben beschäftigen. Doch die Beheizung der Badstube und die Bewirtung der Gäste war nur ein Teil der vielfältigen und sich häufig wandelnden Aufgaben des Baders. Gerade die Angebote, die über das Badewesen hinausgingen – Wein, Weib und Würfel –, bewirkten, dass der Bader oder die Baderin, denn auch Frauen konnten diesen Beruf ausüben, zu den Unehrlichen der Gesellschaft zählten: Außerhalb der Badstube kannte man sie besser nicht. Doch so ganz schlüssig ist diese Einstellung keinesfalls: Die Badstuben unterstanden nämlich einem besonderen Rechtsfrieden, ja, sie waren teilweise sogar exempte Rechtsbezirke, in denen die Badenden nur unter besonderen Vorkehrungen von offiziellen Stellen belangt werden konnten. Besonders deutlich wird diese Diskrepanz bei den ländlichen Badstuben. Dort zählten die Badstuben im Mittelalter und in der frühen Neuzeit zusammen mit dem Schmied, dem Wirt und dem Müller zu den Ehaften, das sind Gewerbe, die für das Funktionieren eines Dorfes von entscheidender Bedeutung sind und die deshalb auch unter einer besonderen Rechtsform standen. Beim Badergewerbe sah dies meist so aus, dass die Dorfgemeinschaft, die die Infrastruktur nutzte, auch gemeinsam zum Unterhalt dieser Einrichtung beitragen musste, beispielsweise in Form von Holzlieferungen. Dies war meistens so geregelt, dass innerhalb eines festgesetzten Sprengels (Bann), wobei dieser sich durchaus über mehrere Gemeinden erstrecken konnte, jedes Anwesen seinen festgesetzten Beitrag zu leisten hatte – im Gegenzug die Leistungen entweder umsonst oder gegen eine geringe Gebühr in Anspruch nehmen konnte. Und Leistungen bot der Bader viele an, vielleicht differenziert nach dem Einsatzort und dem Ausbildungsstand. Zunächst war seine vornehmste Aufgabe, das Bad zu versorgen und den Badebetrieb aufrecht zu erhalten. Bei den üblicherweise herrschenden mangelhaften hygienischen Verhältnissen war das eine zentrale Tätigkeit. Gebadet wurde nur zu festgesetzten Tagen, denn die Beheizung und Warmwasserzubereitung waren aufwändig. Sonn- und Feiertage waren grundsätzlich badefrei. Regionale Einzelheiten regelten die Weistümer, das sind herrschaftliche Dorfordnungen, aber auch eigens erlassene Baderordnungen. Auch wer sich die Haare schneiden lassen wollte, war beim Bader richtig, der damit dem Friseur Konkurrenz machte. Doch die wichtigste Nebenleistung bestand in der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung. Vor allem die Wundversorgung stand ganz oben, aber auch Knochenbrüche schiente der Bader. er entfernte außerdem Warzen und Hühneraugen, schnitt mit dem Skalpell Geschwüre auf, verabreichte Klistiere, zog Zähne und ähnliches mehr. Er war also der Arzt fürs „Grobe" – wohingegen sich die akademisch gebildeten Ärzte eher selten die Hände blutig machten: sie stellten ihre Diagnosen lieber anhand der Literatur und der Katamnese und schrieben Rezepte aus. Und das war noch nicht alles: lassen wir doch einen Autor aus dem ausgehenden 17. Jahrhundert, der sich mit den Aufgaben der Bader auskannte, selbst zu Wort kommen: „Nebst dem Baden/Waschen und Reinigen ist auch denen Badern das Schrepffen anvertraut / ein sonderliches Artzney-Mittel / das zwischen Fell und Fleisch steckende und öfters stockende Geblüt und sogenannte Flüsseherauszuziehen / und davon den kränckelnden Cörper zu entledigen". (Christoph Weigel, Hauptstände, Regensburg 1698). Genau diese medizinischen Nebenleistungen sicherten dem Bader das Überleben, als die öffentliche Badekultur im 18. Jahrhundert zunehmend unbedeutender wurde. Der Berufsstand der Bader entwickelte sich dann vor allem im 19. Jahrhundert zum medizinischen Hilfspersonal, das die praktische medizinische Erstversorgung der Landbevölkerung übernahm. Die Wurzel dafür lässt sich auf die napoleonischen Kriege zurückführen: Die Ärzte taten größtenteils Felddienst und konnten sich nicht mehr ausreichend um die Zivilbevölkerung kümmern. Vorübergehend sprangen Landärzte ein, die rasch auf landärztlichen Schulen ausgebildet wurden. Als jedoch die Feldärzte heimkamen, sorgten diese für die Einschränkung landärztlicher Tätigkeitsbereiche. So wurden die Schulen aufgelöst und 1836 durch Baderschulen ersetzt. Bedingung für die Aufnahme und das viersemestrige Studium dort waren eine dreijährige Lehr- und einjährige Servierzeit bei einem Landarzt, Chirurgen oder Bader. Der Erfolg blieb allerdings aus, denn durch weitere zwei Semester konnten die zukünftigen Bader den chirurgischen Magistergrad erwerben, der zu sehr viel ausgedehnteren medizinischen Tätigkeiten befugte... (Christoph Bachmann) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Mai-Ausgabe von Unser Bayern!

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