Unser Bayern

Da ist was los! Ein Wanderzirkus in Partenkirchen samt Kamelen – das Motiv reizte auch Adolph Menzel, den „Maler der Preußen“ zu diesem Bild (1884), das heute im Puschkin-Museum Moskau zu finden ist. Hier ein Ausschnitt - die Gesamtansicht im Beitrag. (Foto: Getty)

24.06.2016

Weißblaue Wüstenschiffe

Zum internationalen Jahr der Kamele: Wo man in Bayern Trampeltieren und Dromedaren begegnen kann

Von den Vereinten Nationen wurde 2016 als internationales Jahr der Kamele ausgerufen – ein Thema, das in unseren Breiten von eher theoretischem Interesse sein dürfte. Dennoch gab und gibt es auch hierzulande Kamele, Dromedare und Trampeltiere. Wir sind an ihren Anblick gewohnt – aus Büchern, dem Fernsehen oder aus eigener Anschauung, auf Reisen oder in einem Tierpark. So waren die vier aus einem Zirkus ausgebüchsten Kamele, die im März diesen Jahres durch die Oberpfalz spazierten und den Verkehr lahm legten, den Zeitungen nur eine winzige Notiz wert.

Eine Frage der Höcker

Auch wenn uns Kamele vertraut sind, ganz sattelfest sind auch wir nicht, wenn es um die Terminologie geht: Ein Dromedar hat einen Höcker und stapft vor allem durch Afrika, das Kamel hat zwei und ist vor allem in Asien daheim, und Trampeltier ist nur ein anderer Name für das zweihöckrige Kamel. Alle zusammen gehören sie jedoch zu einer Familie, die auf den lateinischen Namen Camelus hört. In diesem Sinne sah es wohl auch die Zigarettenfirma, die 1913 mit einem „Camel“ vor Palmen und Pyramiden einen Hauch von Orient verbreitete, auch wenn dafür das Dromedar Old Joe aus einem englischen Zirkus Modell gestanden hatte. Unsere Vorfahren waren mit dem Anblick von Kamelen nicht vertraut. Zwar hatten einige Kreuzfahrer die „Wüstenschiffe“ im Orient kennen gelernt – doch wer war schon mit auf Kreuzzug gegangen? In der Bibel war von Kamelen die Rede – aber wie sahen sie aus? Ein paar illustrierte Handschriften gab es zwar, doch waren diese hinter dicken Klostermauern verborgen. Und obendrein basiert das berühmteste Kamel-Zitat wohl auf einem Übersetzungsfehler. Laut Matthäus Vers 19,24 geht ein Kamel eher durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Der Zusammenhang zwischen Nadelöhr und Kamel erschließt sich nicht direkt – vermutlich gibt es auch keinen, denn im griechischen Original hieß es wahrscheinlich nicht „kamélos“ sondern „kamílos“, und das bedeutet „dickes Seil“. Das ergibt dann schon eher einen Sinn.

Ideales Lasttier

Auch in der Emblematik hat das Kamel respektive Dromedar seinen Platz. Man verband mit ihnen das Tragen einer schweren Last. Immerhin wussten schon alte Lexika zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu berichten: „Sie sind zahme Thiere, können auf einmahl 10 bis 20 Centner auf ihren Rücken tragen und werden daher von den Türcken im Kriege zu Fortbringung allerhand Kriegs-Rüstungen gebraucht, auch von den Kaufleuten auf der Reise durch grosse Wüsteneyen mitgeführt.“ Der Passauer Bischof Urban von Trenbach ließ deshalb kurz vor 1600 im Festsaal von Schloss Obernzell ein Dromedar mit einer schweren Last am Buckel darstellen und darunter in spanischer Sprache den Spruch: „Ich dulde nicht mehr als ich kann.“ Dieser wird als Aufseufzen Urbans gedeutet, der sich in seinen Reformbestrebungen erbittertem Widerstand des Domkapitels gegenüber sah. Rund 150 Jahre jünger ist das berühmte Fresko, das Giovanni Battista Tiepolo im Prunktreppenhaus der Würzburger Residenz an die Decke gemalt hat. Hier versteckt sich ein Kamel oder Dromedar – so genau kann man das nicht entscheiden – in der figurenreichen Szene, als Begleitfigur zu den vier Erdteilen. Auch im kurz davor entstandenen Deckengemälde im Kongregationssaal der Universität Ingolstadt, einem Werk von Cosmas Damian Asam, begleitet ein Kamel die Allegorie eines Erdteils. In der Regel handelt es sich dabei um Asia.

In Deckengemälden

In Dorfkirchen wie in Inhausen (Landkreis Dachau), Sinning (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) oder Walpertskirchen (Landkreis Erding) sind ebenfalls Kamele in Asien zu entdecken, wiederum entstanden um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Ihre Darstellung rangiert zwischen putzig und furchterregend, mit Dackelblick und Pferdehufen, und hat wenig mit biologischer Genauigkeit zu tun. Zudem wird meist durch Schabracken oder Personen die Anzahl der Höcker verdeckt. Die Künstler hatten wohl kaum je ein lebendes Exemplar zu Gesicht bekommen und mogelten sich auf diese Weise durchs Bild. Den meisten unserer Vorfahren waren exotische Tiere generell fremd. Sehr fremd sogar. Bei mittelalterlichen Darstellungen von Löwen, Elefanten und eben auch Kamelen gehört deshalb meist viel Phantasie dazu, sie nicht für Lämmer oder Pferde zu halten. Das gilt auch für die Fülle von Kamelen, die in den Weihnachtskrippen seit dem 17. Jahrhundert die Heiligen Drei Könige oder die Königin von Saba begleiten.

Karawane nach München

Wenn den Bayern vergangener Zeiten dann tatsächlich einmal ein solcher Exot leibhaftig gegenüberstand, dürften sie nicht schlecht gestaunt haben. So anno 1758, als zwei Kamele und vier Trampeltiere – wie es heißt – von Dresden, durch die Oberpfalz nach München geführt wurden. Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv liegt noch heute der Reisebericht: Der sächsische Kurfürst Friedrich August VI. hatte seinem bayerischen Kollegen Kurfürst Max III. Joseph das tierische Geschenk gemacht. Ob die Freude auch tierisch groß war, ist allerdings zu bezweifeln. In München dürfte es nämlich einige Probleme mit der Unterbringung gegeben haben. Es muss eine stattliche Karawane gewesen sein, die da durch Sachsen und Bayern schaukelte, da sie von drei Pferden und zwei „Maulthier-Knechten“ und einem Reiseleiter begleitet wurden. Die 23 Tage dauernde Route führte über Eger, Waldsassen, Weiden, Amberg, Riedenburg, Geisenfeld und Pfaffenhofen nach München. Alles war bis ins Kleinste organisiert. Die Frage war nur: Wo sollten die Tiere hin? Eine Menagerie gab es in München nicht. Im Mittelalter hatte man zwar Löwen in einem Zwinger am Alten Hof gehalten. Auch Tiger kannte man schon in der bayerischen Haupt- und Residenzstadt. Und der legendäre Affe, der den späteren Kaiser Ludwig den Bayern auf dem Arm aus schwindelerregender Höhe vom Erker des Alten Hofes gerettet haben soll, ist allgemein bekannt. In den 1570er Jahren ist sogar von der Lieferung eines Kamels zusammen mit einem türkischen Pferd die Rede. Spätestens im Dreißigjährigen Krieg dürfte die kleine Menagerie – wenn man sie denn überhaupt so nennen mag – abgeschafft worden sein. 1715 allerdings schenkte der Markgraf von Bayreuth dem bayerischen Kurfürsten Max Emanuel erneut ein „junges Tigerthier“ für die kurfürstliche Menagerie, doch hat man heute keine Ahnung, wo diese gewesen sein könnte. Beim Bau des Neuen Schlosses in Schleißheim hatte Enrico Zucalli, der Hofbaumeister Max Emanuels, im Bauplan zwar eine Menagerie vorgesehen, errichtet worden scheint diese jedoch nie zu sein. Für den Nymphenburger Schlosspark entwarf einige Jahre später Joseph Effner ebenfalls eine Menagerie, etwa an der Stelle, an der später die Amalienburg entstand. Auch aus diesem Vorhaben wurde nichts. Doch irgendwo müssen sich entsprechende Gebäude befunden haben, denn wohin hätte man sonst anno 1715 den Tiger aus Bayreuth und ein knappes halbes Jahrhundert später die zwei Kamele und vier Trampeltiere bringen können? Für den Tiger hätte sich vielleicht noch ein kleiner Verschlag finden lassen können, doch für so große Tiere? Immerhin können Kamele spielend zwei Meter hoch werden. Vermutlich entschied man sich für einen Pferdestall zur Erstaufnahme. Von Dresden aus hatte man angedeutet, dass sie im Sommer auch auf die Weide geführt werden könnten. Vielleicht brachte man sie deshalb zunächst auch in einem Wildgehege unter? Besonders interessant scheint in diesem Zusammenhang Punkt 6 der „Prememoria“ für den Transport der Kamele und Trampeltiere von 1758. Danach sollte der Zug... (Cornelia Oelwein) Lesen Sie den vollständigen Beitrag in der Juni-Ausgabe von Unser Bayern (BSZ Nr. 25 vom 24. Juni 2016) Abbildungen:
Da ist was los! Ein Wanderzirkus in Partenkirchen samt Kamelen – das Motiv reizte auch Adolph Menzel, den „Maler der Preußen“ zu diesem Bild (1884), das heute im Puschkin-Museum Moskau zu finden ist. Hier ein Ausschnitt - die Gesamtansicht im Beitrag. (Foto: Getty)

In manchen Deckengemälden bayerischer Kirchen kann man Kamele entdecken – meist dann, wenn der Erdteil Asien charakterisiert werden sollte: Zum Beispiel in Inhausen/Gemeinde Haimhausen (1761); Maler war der Augsburger Künstler Johann Georg Dieffenbrunner. (Foto: Hans Schertl) Dromedar mit altspanischer Inschrift auf dem Rauchkasten im Festsaal von Schloss Obernzell, das unweit von Passau an der Donau liegt. „Ich dulde nicht mehr als ich kann“ ist dort zu lesen – das Lasten bepackte Dromadar wurde gerne als Bild für die Grenzen der Geduld bemüht. (Foto: Bayerische Akademie der Wissenschaften/Inschriften-Projekt)

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