Wirtschaft

Die größten Impulse für die bayerische Wirtschaft kamen aus der Industrie. (Foto: Bilderbox)

28.10.2011

Abkühlung ja, Rezession nein

vbw-Index: Lage der bayerischen Wirtschaft ist gut, aber die Erwartungen sind deutlich gedämpft

Die Lage der bayerischen Wirtschaft ist nach wie vor recht gut. Die Erwartungen hingegen sind deutlich gedämpft, denn die konjunkturellen Risiken sind erheblich. Wir stehen vor einer merklichen Abkühlung, diese geht jedoch von einem vergleichsweise hohen Niveau aus. Eine Rezession halten wir zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht für wahrscheinlich.“ Mit diesen Worten kommentierte Randolf Rodenstock, Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die Ergebnisse des vbw-Index der bayerischen Wirtschaft im Herbst 2011.
Die Stimmung ist laut Rodenstock derzeit schlechter als die Lage. Dies verwundere nicht, denn die Verunsicherung sei groß. Angesichts der erheblichen Konjunkturrisiken hält er aber Wachsamkeit und Vorsicht für angesagt, allerdings, so der vbw-Präsident, „dürfen wir die Lage aber auch nicht schlecht reden. Unsere Prognose ist: Abkühlung ja, Rezession nein.“
Der vbw-Index erreichte im Herbst 142 Punkte. Das sind 14 Punkte weniger als der Rekordwert im Frühjahr dieses Jahres. Der Index bleibt damit auf hohem Niveau. Die aktuelle Lage hat sich laut Rodenstock gegenüber dem Frühjahr sogar nochmals verbessert. So sei der „Lageindex Wachstum“ um vier auf 176 Punkte gestiegen. Der „Lageindex Beschäftigung“ kletterte sogar um acht auf nun 156 Punkte.
Gestiegene Industrieproduktion
Der Rückgang des Gesamtindex ergebe sich allein aus den gedämpften Erwartungen, erklärte der vbw-Präsident. Die Prognoseindizes Wachstum und Beschäftigung würden eine Verlangsamung der Konjunktur signalisieren. Besonders deutlich sei der Prognose-index Wachstum zurückgegangen, der Prognoseindex Beschäftigung sank etwas weniger stark. Gleichzeitig betonte Rodenstock aber auch, dass die Lage weiterhin gut ist. „Die Konjunktur wird sich merklich abkühlen, eine Rezession sollte uns aber nicht bevorstehen.“ Und es wäre unverantwortlich, eine solche herbeizureden.
Das bayerische Bruttoinlandsprodukt ist im ersten Halbjahr 2011 um 3,9 Prozent gewachsen. Damit liege man nun wieder leicht über dem Vorkrisenniveau. Die größten Impulse kamen nach Rodenstocks Worten aus der Industrie. Die bayerische Industrieproduktion ist in den ersten acht Monaten dieses Jahres um über elf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Kapazitäten sind inzwischen zu 85 Prozent, also leicht über normal, ausgelastet. Die Bauwirtschaft im Freistaat wuchs kräftig um 7,5 Prozent, und auch im Handwerk brumme es. Die Umsätze seien im ersten Halbjahr knapp zweistellig gestiegen, so Rodenstock, der es als sehr erfreulich bezeichnete, dass auch der Einzelhandel mit einem Umsatzplus von 2,2 Prozent und das Hotel- und Gastgewerbe mit 3,4 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr zum Wachstum beigetragen haben. Gerade diese Zahlen würden zeigen, „dass wir eine robuste Inlandskonjunktur haben“.
Wachstumslokomotive sei aber einmal mehr der Export gewesen. Die bayerischen Ausfuhren sind von Januar bis Juli um knapp 13 Prozent gestiegen. Das größte Wachstum finde nach wie vor im Handel mit den Schwellenländern statt. Die bayerischen Exporte in die so genannten BRIC-Staaten legten um 32,3 Prozent zu, sagte der vbw-Präsident. Aber auch die Ausfuhren in die USA – nach wie vor Bayerns wichtigster Absatzmarkt – seien leicht überdurchschnittlich um 15,2 Prozent gestiegen. Die gute aktuelle Lage würde auch durch die Umfrage unter den vbw-Mitgliedsverbänden bestätigt, sagte Rodenstock.
Der Blick nach vorne sei leider weit weniger erfreulich als der Blick zurück, sagte der vbw-Präsident. Die konjunkturelle Dynamik werde sich spürbar abschwächen. Derzeit seien es im Wesentlichen die Stimmungsindikatoren, die kräftig gefallen sind. Grund sei die große Verunsicherung, die Unternehmen ebenso wie Verbraucher erfasst habe. „Die konjunkturellen Risiken sind in den letzten Wochen und Monaten erheblich gestiegen.“ Ein knappes Drittel der Verbände rechnet mit einer Verschlechterung des Inlandsgeschäfts im kommenden Jahr, nur 13 Prozent hoffen auf eine Verbesserung. Bezüglich des Exports ist der Pessimismus laut Rodenstock noch größer. Hier erwartet keine einzige Branche eine Verbesserung, 40 Prozent befürchten aber eine Eintrübung.
Eine Abkühlung der Konjunktur ist unausweichlich, so Rodenstock. Schon seit Längerem habe sich eine Verlangsamung der Weltwirtschaft abgezeichnet. Die langsamere Gangart der Weltkonjunktur werde auch die bayerischen Exporte bremsen. Nach einem Plus von voraussichtlich neun Prozent in diesem Jahr rechnet der vbw für 2012 nur noch mit einem Anstieg der bayerischen Ausfuhren um fünf Prozent. Auch die Inlandsnachfrage werde einen Gang zurückschalten. Die schlechteren Absatzperspektiven im Ausland und die allgemeine Verunsicherung würden sowohl Investitionen als auch Konsum dämpfen.
Nachdem im laufenden Jahr beim Wirtschaftswachstum noch eine drei vor dem Komma stehen dürfte, so der vbw-Präsident, erwartet er für 2012 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Freistaat von nur noch etwas über einem Prozent. Das ist für Rodenstock zwar eine deutliche Verlangsamung, aber keine Rezession.
Rasch auf Konsolidierungskurs
Der Arbeitsmarkt sollte nach Ansicht des vbw-Präsidenten aber diese konjunkturelle Delle relativ unbeschadet überstehen. „Die Nachfrage nach Arbeitskräften bleibt hoch.“ Vielmehr sei zu befürchten, dass der Fachkräftemangel zunehmend zu einem Engpassfaktor für die Beschäftigungsentwicklung wird.
Die größte Gefahr für die Konjunktur geht nach Ansicht des vbw-Präsidenten derzeit von der Verschuldungskrise in Europa aus, die sich zu einer Vertrauenskrise entwickelt hat und kurz davor steht, zu einer erneuten Finanzmarktkrise zu werden. „Sollten die Finanzmärkte tatsächlich wieder in größere Turbulenzen geraten, dann wird die Konjunktur wesentlich stärker in Mitleidenschaft gezogen.“ Deshalb sei es wichtig, so Rodenstock, dass die europäischen Staaten rasch und glaubhaft einen Konsolidierungskurs einschlagen.
Maßnahmen, die zu einer Vergemeinschaftung der Schulden führen oder die Staatsfinanzierung über die Notenpresse sind für den vbw-Präsidenten der falsche Weg. „Denn sie reduzieren die Anreize für die einzelnen Staaten, solide zu haushalten.“
Ein weiteres Risiko für die Konjunktur sieht Rodenstock in den Rohstoffpreisen. Der vbw-Rohstoffpreisindex sei zwar in den letzten beiden Monaten vor dem Hintergrund der gestiegenen Konjunktursorgen gesunken, er lag im September aber immer noch 11,5 Prozent über dem Vorjahreswert und liegt damit nur zehn Prozent unter seinem Allzeithoch vom Sommer 2008. Für bestimmte Rohstoffe – unter anderem Kupfer, Eisenerz und vor allem die seltenen Erden – liegen die Preise derzeit sogar über dem Niveau von 2008.
Ein sowohl kurzfristiges Konjunkturrisiko als auch mittel- und langfristiges Wachstumsrisiko geht für Rodenstock auch von der Energiewende aus – das betreffe einerseits die Preise, andererseits die Versorgungssicherheit. Eine Studie der prognos AG kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Strompreis bis 2025 für die energieintensive Industrie um knapp 41 Prozent erhöht, für die nicht energieintensive Industrie sogar um 53 Prozent. Eine weitere Studie, die der vbw bei der TU Berlin in Auftrag gegeben hat, zeigt laut Rodenstock, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 zu Gesamtkosten von 335 Milliarden Euro führen wird.
In seinem Fazit rät Rodenstock zu Vorsicht und hält Maßhalten für angesagt. > (Friedrich H. Hettler)

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