Wirtschaft

Hände weg vom Steuer ist für viele Menschen noch eine Überwindung. Doch je weiter das automatisierte Fahren fortgeschritten sein wird, umso alltäglicher wird es sein, sich wie von Geisterhand von A nach B fahren zu lassen. foto dpa

28.10.2016

Automatisiertes Fahren: Wie sicher ist das?

Ein Professor der TU München geht davon aus, dass immer mehr Assistenzsysteme und Automation im Auto nachfragt werden

Auf 560 Milliarden US-Dollar Markvolumen bis 2035 wird das automatisierte Fahren von Wirtschaftsexperten taxiert. Kein Wunder also, dass die deutschen Premiumhersteller Audi, BMW, Mercedes und Volkswagen von diesem Kuchen etwas abhaben wollen. Doch jede Hiobsbotschaft eines verunglückten Tesla mit eingeschaltetem Autopiloten, nährt die Zweifel bei deutschen Autofahrern. So wollen gemäß einer aktuellen Studie zwar 54 Prozent der Befragten technische Unterstützungssysteme wie Abstandswarner, Spurhaltesysteme oder Bremsassistenten, doch ein vollständig selbstfahrendes Auto lehnen sie ab.

Den Fahrer entlasten


„Bis dorthin ist es noch ein weiter Weg. Die nächsten 20 bis 30 Jahre werden wir in vielen Situationen so wie bisher Autofahren können oder müssen“, sagt Professor Klaus Bengler, Inhaber des Lehrstuhls für Ergonomie der TU München, der Staatszeitung. Der Psychologe betont, dass das selbstfahrende Auto ein Konsumgut sein wird, das man sich wird kaufen können, aber nicht müssen. Davon sind natürlich Nutzfahrzeuge mit automatisierten Fahrfunktionen zu unterscheiden. „Es gibt immer einen Unterschied zwischen Vision und Alltagsbenutzung eines technischen Geräts“, so Bengler. Das sei auch beim automatisierten Fahren so. Er geht davon aus, dass die Menschen nach und nach immer mehr Assistenzsysteme und Automation im Auto nachfragen werden. Denn das entlaste den Fahrer und trage in ausgewählten Situationen zur Sicherheit bei. So sei eine Funktion, die automatisches Fahren im Stau ermögliche, durchaus wünschenswert. „Das hilft uns, weil wir als Menschen nicht dafür gemacht sind, dauerhaft etwas zu überwachen und im Fall der Fälle reaktionsschnell einzugreifen“, erläutert der Psychologe. Dies gelte es aber auch bei der Entwicklung des automatisierten Fahrens zu berücksichtigen. Denn permanent auf der Hut zu sein, während das Auto von A nach B fährt, könne der Gesetzgeber dem Fahrer, der die neue Automatisierungsmöglichkeit nutzt, nicht abverlangt werden. Dann könne er ja gleich selbst das Steuer in die Hand nehmen.

Immer den Blinker setzen


Bengler ist davon überzeugt, dass das automatisierte Fahren zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen kann: „Weil so ein Auto eben exakt 100 km/h fährt, wenn es vorgeschrieben ist. Und nicht 110, so wir Menschen das machen.“ So ein selbstfahrendes Auto würde auch immer den Blinker setzen, was im alltäglichen Straßenverkehr nicht immer der Fall sei.

Der TU-Professor ist überzeugt davon, dass auch der demografische Wandel seinen Beitrag dazu leisten wird, dass sich das automatisierte Fahren hierzulande durchsetzen wird. „Die Menschen wollen ihre individuelle Mobilität möglichst lange erhalten“, so Bengler. Dieser Wunsch und die Tatsache, dass die Menschen wegen der Rentenproblematik gegebenenfalls bis zum 70. Lebensjahr werden arbeiten müssen, treibe die Akzeptanz von selbstfahrenden Autos voran. „Der öffentliche Personennahverkehr wird nicht alles auffangen können“, ist sich der Professor sicher. Das automatisierte Fahren kann ältere Fahrer von schwierigen Verkehrssituationen wie Stau- oder Nachtfahrten entlasten. „Das ständige Kuppeln im Stau ist mitunter auch schmerzhaft für ältere Personen. Und das Sehvermögen dieser Menschen ist bei Nacht oder in der Dämmerung auch nicht mehr wie in jungen Jahren“, so Bengler. Darum könne das automatisierte Fahren hier sehr hilfreich sein. Bei aller Euphorie für dieses Thema betont der Professor aber auch, dass das automatisierte Fahren „gebrauchssicher“ sein muss. Das gelte besonders, wenn es sich um sogenannte Peoplemover, also selbstfahrende Transportsysteme für mehrere Menschen (zum Beispiel automatisiert fahrende Busse) handelt. Solche sich langsam fortbewegenden Vehikel könnten zum Beispiel in definierten Regionen, wie einem Campus oder auf einem Betriebsgelände, für entsprechende Mobilität sorgen, so Bengler. Er kann sich aber auch disruptive Ansätze vorstellen wie ein Taxisystem für den ländlichen Raum. Es wäre kostengünstig, für weniger dicht besiedelte Regionen ein innovatives, selbstfahrendes System zu haben. Auf diese Weise ließe sich so manches ÖPNV Angebot ergänzen.

Sicherheitsgefühl spielt mit


„Bei solchen Überlegungen kommen dann aber andere Faktoren mit ins Spiel, zum Beispiel das Sicherheitsgefühl der Passagiere, die zur Zeit in hervorragender Weise von den Fahrern gewährleistet wird“, so der TU-Professor. Wer sorgt für die Fahrgastsicherheit, wenn ein selbstfahrender Bus mehrere Kilometer von A nach B unterwegs ist? „Bei der vollautomatisierten U-Bahn in Nürnberg ist das zum Beispiel kein Problem“, meint Bengler. Erstens seien Bahnhöfe sowie Wagen kameraüberwacht, zweitens würden die Fahrten zwischen den U-Bahnhöfen meist nicht länger als eine Minute dauern.
Damit das automatisierte Fahren eine Chance hat, sieht Bengler die Testfelder, die auch in Bayern hierfür eingerichtet werden sollen, als essentiell an. „Allerdings dürfen hier keine reinen Demonstratoren entstehen, sondern die Technologie muss ihre Alltagstauglichkeit unter Beweis stellen“, unterstreicht der Professor. Die Politik sollte seiner Ansicht nach die Einführung des automatisierten Fahrens moderieren und dafür sorgen, dass dieser neuen Technologie keine Steine in den Weg gelegt werden. Bürokratie herunterregeln, keine unnötigen Hürden aufbauen und für eine rationale Gesprächsatmosphäre sorgen, sind Benglers Wünsche an die Politiker.
(Ralph Schweinfurth)

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