Wirtschaft

Nicht nur in der Hauptstadt Kairo kann man gute Geschäfte machen. (Foto: dapd)

05.10.2012

Bauboom in Ägypten

Neue Märkte 2020: Von der Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings am Nil dürfte auch die bayerische Wirtschaft profitieren

Kairo, die Mohamed Mohsen stolz seinen Besuchern zeigt, ist aus Glas. Hier arbeiten die vielen Gründer und Programmierer für ihre Mission: den modernen Industriepark aus Glasfassaden, großen Grünflächen und künstlichen Gewässern in ein nordafrikanisches Silicon Valley zu verwandeln. Rund 100 Technologiefirmen, darunter Microsoft, Intel und IBM, sind schon da. Mohamed Mohsen hilft kleineren Firmen dabei, sich ebenfalls hier anzusiedeln.
„Viele von ihnen sind jung und gründen Firmen“
„Der gesellschaftliche Aufbruch ist in der Wirtschaft zu spüren“, sagt der Unternehmer Mohamed El Sawy, der eine der größten Werbeagenturen des Landes führt. „Menschen, die nie daran gedacht hätten, nehmen ihr Schicksal plötzlich selbst in die Hand. Viele von ihnen sind jung und gründen Firmen.“ Diese ägyptische Aufbruchstimmung ist es, die auch Usama Abu-Pascha auf Trab hält. Der Geschäftsführer von Exelution, einer Agentur für digitales Marketing, verbringt beinah so viel Zeit in Kairo wie in der Zentrale in München. „Als die Revolution ausbrach, hatten wir gerade mit dem Aufbau eines Büros in Kairo begonnen“, erzählt Abu-Pascha, der zum Teil in Ägypten aufwuchs und dort studierte. Mit dem Aufstand der ägyptischen Jugend vervielfachte sich die Zahl der Nutzer sozialer Netzwerke. Der deutsche Mittelständler Exelution profitiert nun davon, indem er neue Formen der Werbung ermöglicht. „Die Begeisterung für Facebook, Twitter und andere Social Media beschränkt sich nicht nur auf politischen Aktivismus während der Revolution“, sagt auch Mohamed Mohsen.
Anderthalb Jahre ist es her, dass der Arabische Frühling nach Ägypten kam und die Revolutionäre auf dem Tahrir-Platz ausharrten, bis sie Hosni Mubarak die Macht genommen hatten. So überraschend wie die Revolution für die Deutschen kam, so reibungslos laufen die meisten Geschäfte inzwischen wieder. „Unser Umsatz auf dem ägyptischen Markt hat sich auch während der Revolution merklich gesteigert“, sagt Kamal Gabr, Ägypten-Chef von Duravit. Der Schwarzwälder Mittelständler beschäftigt in seinen zwei Werken für Sanitärkeramik und Bade- und Duschwannen aus Acryl fast 3000 Arbeiter. Eine Woche stand die Produktion von Sanitärkeramik still, erst wegen der Ausgangssperre, dann wegen der Krawalle in den Häfen des Landes. In der Zentrale im Schwarzwald hat trotzdem niemand den Standort Ägypten infrage gestellt: Zu wichtig ist der aufstrebende arabische Markt im Norden Afrikas. Kairo ist mit 20 Millionen Einwohnern nicht nur die größte und am schnellsten wachsende Wirtschaftsmetropole der arabischen Welt, Ägypten ist mit 82 Millionen Einwohnern auch der größte Absatzmarkt. Um 5 bis 7 Prozent wuchs Ägypten ab 2006 bis zum Ausbruch der Revolution jedes Jahr – ein steiler Wachstumspfad, auf den das Land bald zurückkehren könnte. Mehr als 80 deutsche Unternehmen sind am Nil mit eigenen Tochtergesellschaften vertreten. Henkel produziert in zwei Fabriken Waschmittel, der Nürnberger Autozulieferer Leoni stellt mit rund 4000 Mitarbeitern Kabelsätze her. In Ägypten sind die Löhne niedriger als in Osteuropa, das macht die arbeitsintensive Produktion fast so günstig wie in Fernost. Andere Mittelständler nutzen die Lage auf der anderen Seite des Mittelmeers als Standort für ihre Handelsvertretungen. Weder die kurzfristige Konjunkturkrise noch Sicherheitsbedenken haben die deutschen Investoren aus Ägypten vertrieben, beteuert die Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer. Die Mittelständler zeigten sich von der aktuellen Unübersichtlichkeit weniger beeindruckt als von der Aufbruchstimmung im Land, heißt es.
Ägypten dürfte vor einem einmaligen Bauboom stehen. Studien sehen einen Bedarf von fast einer Million neuer Wohnungen. Viele Mitarbeiter deutscher Firmen sind auf eine der deutschen Schulen gegangen oder haben an der German University in Kairo studiert, die 2003 eröffnet wurde. Was aber nicht heißt, dass sich deutsche Manager vor Ort wie zu Hause fühlen würden. „Ein effizient durchgetakteter Tagesplan mit drei Kundengesprächen hintereinander, wie man das in Deutschland gewohnt ist, ist in Kairo schon aufgrund des unberechenbaren Verkehrs unmöglich“, erzählt Werbeprofi Usama Abu-Pascha. Er ist ständig unterwegs, zwischen der Exelution-Zentrale in München, Kairo und Dubai, zwischen den Kunden und potenziellen neuen Auftraggebern der neuen Agenturfiliale in Ägypten. Langfristig will er mit der Agentur von Kairo aus auch andere Märkte bedienen. „Neben Dubai dient Kairo als Schaltzentrale für den ganzen Mittleren und Nahen Osten.“ Sie wissen gar nicht, wo sie anfangen sollen, so viele Möglichkeiten gibt es.
(Max Borowski)

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